Bildschirmfoto 2025 11 10 um 04.17.45Die Dokumentationn "Maries Vermächtnis“ wurde am 9. November um 19 Uhr im hr-Fernsehen gezeigt. In der ARD Mediathek ist der Film verfügbar.
 
Yvonne Koch

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sie führte als Frau allein ein Unternehmen, war Mäzenin, Stifterin, Frauenrechtlerin und hat in Frankfurt einiges bewegt. Und trotzdem kennt man den Namen Marie Pfungst heute kaum noch. Jetzt würdigt eine Dokumentation das Leben dieser Frau.
 
Die Naxoshalle in Frankfurt, darin ein kleines Denkmal sowie ein Stolperstein in der Innenstadt – das sind die wenigen sichtbaren Erinnerungen an Marie Eleonore Pfungst in ihrer Heimatstadt. Dabei war diese Frau eine der bedeutendsten Unternehmerinnen des frühen 20. Jahrhunderts. Sie hat sich effektiv für Frauenrechte und Bildung für alle eingesetzt. Ihre Ideen wirken – besonders in Frankfurt – auch noch heute nach. Wer war also diese besondere Frau?
 Marie Pfungst – das Porträt einer ungewöhnlichen Frankfurterin
Marie Pfungst – das Porträt einer ungewöhnlichen Frankfurterin

 
Mit Schmirgel zum Weltmarktführer

Marie Pfungst, geboren 1862, war zuallererst die Tochter eines Unternehmers. Denn ihr Vater Julius hatte 1871 in Frankfurt eine der ersten Fabriken für Schleifmittel und Schleifmaschinen gegründet, die Naxos-Union. Er hatte die Exklusivrechte für die Schmirgelgewinnung auf der griechischen Insel Naxos gekauft und sich damit die beste Qualität dieses extrem harten Gesteins gesichert.Ob Schmirgelpapier oder Schleifmaschinen - die Naxoshalle im Frankfurter Stadtteil Ostend war eine der Werkshallen, in denen das damals beste und erschwingliche Schleifmaterial der Welt hergestellt wurde. Mit dem Tod des Vaters 1899 musste Marie zusammen mit ihrem Bruder Arthur dieses weltweit agierende Unternehmen leiten. Marie war damals 37 Jahre alt, ihr Bruder zwei Jahre jünger.


Die Naxoshalle in Frankfurt

Heute wird die Frankfurter Naxoshalle für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Ihr Motto: Hass mit Güte bekämpfenBeiden Geschwistern ging es aber um weit mehr als Profit. Sie hatten eine ausgeprägte soziale Ader. Vor allem Bildung sollte für alle zugänglich sein, fanden sie. Und zwar unabhängig von Religion, Einkommen und Geschlecht. Diese Einstellung wurde ihnen zum Teil durch ihr jüdisches Elternhaus vermittelt, in dem Wissen immer ein hohes Gut war. Aber auch durch die humanistische Einstellung der Geschwister.Arthur, der selbst Schriftsteller, Verleger, Poet und später bekennender Buddhist war, richtete in Frankfurt Freibibliotheken und eine Art Vorläufer von Volkshochschulen ein. Maries Fokus galt klar den Frauen: Sie gründete 1897 eine Rechtsschutzstelle, in der Frauen sich nicht nur über Erb- und Arbeitsrecht informieren konnten, sondern auch Unterstützung bei Streitigkeiten bekamen. Das Motto der Geschwister lautete: Hass mit Güte bekämpfen.
 

Frauenrechtlerin und Stifterin

1912 starb Arthur. Marie schmiss die Firma allein und gründete 1918 zu Ehren ihres Bruders die Dr.-Arthur-Pfungst-Stiftung. Mit dieser Stiftung richtete sie in ihrem Sommerhaus in Bad Homburg ein Heim für alleinstehende Frauen ein. Denn die waren Anfang des 20. Jahrhunderts finanziell oft nicht abgesichert.

Die Stiftung gibt es noch heute. Und sie betreibt immer noch das Frauenheim "Marie Pfungst" in Bad Homburg. Außerdem vergibt sie Stipendien an finanziell bedürftige Studentinnen und Studenten aus dem In- und Ausland. Auch den ehemaligen Betriebskindergarten in Maintal gibt es noch. Er wird jetzt aber von einer anderen Organisation geleitet


.Der "Engel" der Firma

Laut Maximilian Graeve von der Dr.-Arthur-Pfungst-Stiftung war Marie Pfungst eine umsichtige und selbstbewusste Unternehmerin, die bewusst nie geheiratet hat, um unabhängig und selbstbestimmt zu bleiben. Auch wenn es eine alleinstehende Frau in der männerdominierten Wirtschaft des frühen 20. Jahrhunderts nicht einfach hatte.Aber in ihrer eigenen Firma dürfte sie mit dieser Einstellung keine Probleme gehabt haben. Denn die Naxos-Union verstand sich als Familienunternehmen, bei dem für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter gesorgt wurde: Neben dem Betriebskindergarten gab es schon früh Rentenfonds und Geldtöpfe für die Versorgung von Witwen- und Waisen. Und wer in eine Notlage geraten war, wurde dank der Unternehmenschefin unterstützt. Solche sozialen Leistungen waren damals absolut nicht üblich.Enteignung,


Deportation, Tod

Die Nationalsozialisten machten all dem ein Ende. Schon bei der Machtübernahme 1933 musste die jüdische Unternehmerin Marie Pfungst den Firmenvorsitz abgeben. 1935 wurde sie enteignet und 1942, im Alter von 80 Jahren, ins KZ Theresienstadt deportiert. Dort starb sie ein halbes Jahr später.

Mehr als 80 Jahre später erinnert in Frankfurt nur ein Stolperstein an diese besondere Frau. Und außer der Pfungst-Straße im Stadtteil Ostend weist nichts auf diese einflussreiche Familie hin. Und das trotz ihrer sozialen Ideen, fortschrittlichen Einrichtungen und nachhaltigen Umsetzungen, trotz ihrer engagierten Zeitungsartikel zu Kleiderfragen, Bekämpfung des Mädchenhandels oder für die Schlüsselgewalt der Frau.


Würdigung durch Film "Maries Vermächtnis"

Auch über den Menschen Marie Pfungst wissen wir nur wenig. Doch das soll sich nun ändern. Denn die Filmemacherin und Pfungst-Stipendiatin Ina Knobloch hat einen 30-minütigen Dokumentarfilm über Marie Eleonore Pfungst gedreht. "Maries Vermächtnis" kommt dieser besonderen Frau und ihrem Einfluss auf Frankfurt so nahe wie möglich. Bleibt zu hoffen, dass ihr Name und ihre Verdienste damit endlich auch bekannter werden.

Foto:
©ARD, Hessischer Rundfunk

Info:
Quelle: hessenschau