y3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. November 2025, Teil 12

Redaktion 


Hamburg (Weltexpresso) – Woher kam die Geschichte und Figur von Munir? Wer oder was hat Sie inspiriert?



Munir ist nicht aus einer persönlichen Erfahrung heraus entstanden, sondern aus einer tieferen Neugier auf die Zukunft, das Unbekannte und existenzielle Ängste, die uns alle betreffen. Ich fühle mich zu Fragen hingezogen, auf die es keine Antworten gibt, zu den Unsicherheiten des Lebens. Munirs Geschichte ist ein Versuch, ein Gefühl von Zugehörigkeit zu finden in dieser Welt, die immer in Bewegung ist. Er ist eine Figur, die von dieser Suche geformt wurde.

Was hat Sie an der Hallig Langeneß in Schleswig-Holstein fasziniert? Und wie war es, dort zu drehen?

Die Hallig war mehr als ein Drehort – sie spiegelte die Themen des Films wider: Zerbrechlichkeit, Isolation, das Vergehen der Zeit. Das Naturereignis „Land Unter“ prägte den Rhythmus der Geschichte. Ich hatte während der zweijährigen Recherche dort kein einziges „Land Unter“ erlebt und wir wollten die Flut schon mit VFX darstellen. Zwei Wochen vor Drehbeginn kam es dann plötzlich zu einem kleinen „Land Unter“. Und am vierten Drehtag zog der Wind an und die Einheimischen kündigten eine große Flut für den nächsten Tag an. Es war, als hätte sich alles gefügt – als sei die Natur selbst Teil der Geschichte geworden. Das Timing war unheimlich und erzeugte eine rohe Authentizität, die niemand hätte planen können.

 
Wie kam es zur Besetzung mit Georges Khabbaz, Hanna Schygulla, Ali Suliman?

Das Casting war wie das Zusammenbringen einer Familie von Fremden. Georges brachte eine stille Kraft mit, eine Präsenz, die ich nicht ganz fassen konnte, bis ich sah, wie er die Rolle verkörperte. Hanna hat eine unbeschreibliche, zeitlose Aura, die jede Szene mit Tiefe durchdrang.

Toms, Sibels, Alis und Nidals Performances waren von so instinktiver Klarheit, dass ihre Ehrlichkeit fast verletzlich wirkte. Mit ihnen zu arbeiten, hat mich verändert. Sie alle bereicherten den Film auf eine so einzigartige Weise, dass sie ihn lebendiger, wahrhaftiger und tiefgründiger machten, als ich hätte hoffen können.


Hat Ihre familiäre Herkunft Einfluss auf Ihre Erzählweise?

Meine Familie stammt von den besetzten Golanhöhen – dort sind Vertreibung und Widerstand nicht bloß Teil der Geschichte, sondern durchziehen den ganzen Alltag. Diese Erfahrung prägt meine Geschichten nicht als etwas abstraktes, sondern als gelebte Wirklichkeit. Themen wie Exil, Verlust und Identität beschäftigen mich nicht nur intellektuell, sondern persönlich, getragen durch Generationen. Sie fließen ganz natürlich in meine Arbeit ein, denn sie sind tief verwurzelt in dem, was ich bin.


Sie erzeugen etwas Märchenhaftes, wie Erinnerungen an einen Traum, um uns Einblicke in Munirs Gegenwart zu geben. Was motiviert Sie zu dieser einzigartigen Art des Erzählens?

Träume und Fabeln vermitteln eine tiefere Wahrheit – jenseits von Logik und Zeit. In Träumen gelten keine Regeln, nur das Ungefilterte unseres Unterbewusstseins. Munirs Erinnerungen handeln nicht von dem, was war, sondern was ist – seine Ängste, Sehnsüchte, das Unsagbare. In dieser Form kann ich direkt in das Herz des Charakters sehen. Es liegt etwas Ehrliches im Abstrakten unserer Fantasien und Träume.
Es gibt fast keinen Dialog und obwohl die Protagonist:innen keine gemeinsame Sprache teilen, finden sie zueinander. Warum haben Sie das Drehbuch auf diese Weise geschrieben?
Ich fand schon immer, dass Menschen zu viel reden. Worte sind billig. Was zählt, ist das Ungesagte – was man in einem Blick sieht und kleinen Bewegungen. Wenig Dialog war keine stilistische Spielerei, sondern eine Rückkehr zum Wesentlichen. Denn wahre Verbindung braucht keine Sprache.


AMEER FAKHER ELDIN - REGISSEUR
Geboren 1991 in Kiew, Ukraine, als Sohn syrischer Eltern aus den besetzten Golanhöhen, ist Ameer Fakher Eldin ein Autor und Regisseur, dessen Arbeiten internationale Anerkennung gefunden haben.
Sein Spielfilmdebüt „The Stranger“ feierte Premiere bei den 78. Internationalen Filmfestspielen von Venedig, wo er mit dem Edipo Re Award ausgezeichnet wurde. Der Film wurde später als palästinensischer Beitrag für den Oscar für den besten internationalen Spielfilm bei der 94. Verleihung der Academy Awards ausgewählt.
Darüber hinaus wurde er beim 43. Kairo International Film Festival mit dem Preis für den besten arabischen Film und dem Shadi Abd El Salam Preis für den besten Film in der International Critics’ Week Competition geehrt.
Bei den Asia Pacific Screen Awards erhielt der Film zudem eine Nominierung für die Beste Regie und gewann den Preis für die Beste Kamera.
Im Jahr 2025 feierte Fakher Eldins zweiter Spielfilm „Yunan“ seine Premiere im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin, wo er für den Goldenen Bären nominiert wurde.

Ausgewählte Filmografie:
The Stranger (Al Garib, 2021) – 115 Min.


Foto:
©Verleih

Info:  
Produktionsland. Deutschland, Kanada, Italien, Palästina, Katar, Jordanien, Saudi-Arabien
Jahr  2025
Kategorie.  Spielfilm / Drama
Kinostart.  13. November 2025
Länge.  124 Min.
Originalsprache. Deutsch, Arabisch
Untertitel.  Englisch, Deutsch

Regie & Drehbuch   
Ameer Fakher Eldin

Besetzung 
GEORGES KHABBAZ – Munir
HANNA SCHYGULLA – Valeska
ALI SULIMAN – Schäfer
SIBEL KEKILLI – Schäferin
TOM WLASCHIHA – Karl
NIDAL AL ACHKAR – Munirs Mutter

Abdruck aus dem Presseheft