Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - Aster legte das Drehbuch für EDDINGTON im August 2020 beiseite, um mit der Vorproduktion seines dritten Spielfilms zu beginnen, Beau Is Afraid, seiner ersten Zusammenarbeit mit Oscar®-Preisträger Joaquin Phoenix. Nach Abschluss des Projekts begab er sich auf einen Roadtrip durch den Südwesten, um die Besonderheiten von Kleinstädten und lokaler Politik zu studieren. Er dokumentierte, was er dabei entdeckte und ließ sich von der Landschaft inspirieren, in der Hoffnung, die perfekte Stadt zu finden, in der seine Geschichte spielen sollte.
„Als Kind mochte ich New Mexico nicht, aber als Erwachsener habe ich Gefallen daran gefunden.", gibt Aster zu. „Ich bin durch den ganzen Staat gereist, habe viel recherchiert und mit so vielen Menschen wie möglich gesprochen, um mir ein umfassendes Bild der staatlichen und lokalen Politik zu machen."
Aster war fasziniert von den Eigenheiten und der Komplexität des Staates, insbesondere von der Souveränität der Pueblos, der indigenen Stammesgebiete, die wie ein Paralleluniversum mit eigenen Gesetzen, eigener Strafverfolgung und Justiz, agieren. Er registrierte die Spannungen zwischen den verschiedenen Klassen der Hispanics, der mexikanischen Gemeinschaft, der indigenen Bevölkerung und der Weißen. Dies prägte die Region schon vor seiner Geburt, und es fiel ihm jetzt umso stärker auf, als er erneut dort unterwegs war.
Während Aster diese Nuancen in die Geschichte einflocht, beschloss er, den fiktiven Sheriff zu einem Konservativen zu machen und seinen Erzfeind den Bürgermeister zu einem Progressiven. „Dadurch wurde der Ton des Drehbuchs viel plausibler. Es gab mir eine klare Logik vor, mit der ich an den beiden Figuren weiterarbeiten konnte", berichtet er. „In meinem Film sollte jeder einen konkreten Standpunkt vertreten, sei er auch noch so verdreht oder verblendet.“
Dies resultierte in einem klassischen Showdown, der sich in den Straßen, den Saloons und in den Gängen der Lebensmittelgeschäfte von Eddington abspielte. Sheriff Joe, die zentrale Figur des Films, bemüht sich, dem gesunden Menschenverstand zu folgen, während er darum kämpft, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten. Bürgermeister Ted, ein Tech-Unternehmer, der nicht nur die örtliche Bar leitet, sondern auch daran arbeitet, ein hochmodernes Rechenzentrum nach Eddington zu bringen, repräsentiert die Opposition.
Aster wollte unbedingt wieder mit Joaquin Phoenix zusammenarbeiten und entschied sich, die Rolle des Sheriffs Joe mit ihm zu besetzen, nachdem er das aktualisierte Drehbuch fertiggestellt hatte. Er wollte, dass die Figur ‘arglos und liebenswert‘ wirkte, auch um die Erwartungshaltung des Publikums ins Leere laufen zu lassen.
Phoenix genoss die Möglichkeit, einen archetypischen Kleinstadt-Sheriff zu verkörpern. Er knüpfte damit an eine lange Tradition von Gesetzeshütern. „Joe ist sympathisch und glaubwürdig, der Held der Stadt. Er ist verletzlich und sorgt sich um seine Gemeinde sowie seine Frau. Joe kämpft für das, was er für richtig hält", erläutert Phoenix.
Sein Gegenspieler ist Bürgermeister Ted Garcia, aus einer Familie, die seit Generationen in New Mexico lebt. Er ist wohlhabend und zieht seinen Sohn Eric allein auf. Dargestellt wird er vom charismatischen und weltgewandten Pedro Pascal. Als die Filmhandlung während der frühen Phase der Pandemie ihren Lauf nimmt, bereitet sich Ted gerade auf seine Wiederwahl vor und ist entschlossen, Eddington in die Zukunft zu führen. Aster legte die Figur mit Blick auf eine gewählte Beamtin an, die er im Zuge seiner Recherche kennengelernt hatte. Diese Frau wollte unter allen Umständen Solarenergie in ihrer Enklave in New Mexico einführen und war dafür dazu bereit, sich durch den bürokratischen Dschungel zu kämpfen und die Karrieren politischer Gegner zu zerstören.
Für Phoenix war der Realismus entscheidend für die Dynamik zwischen den beiden Rivalen. Er erinnert sich: „Wir reisten eine Zeit lang durch New Mexiko und sprachen mit den örtlichen Sheriffs und Beamten. Sich deren Perspektiven anzueignen, war ungemein hilfreich. Pedro bringt außerdem echte Menschlichkeit in seine Rolle ein, aber auch spürbare Selbstgefälligkeit und Heuchelei, worauf Joe sofort anspringt."
Die Möglichkeit, dieses Geheuchelte in eine ansonsten tugendhafte Figur einzubauen, fand Pascal spannend. „Ich wollte, dass Ted sich so real wie möglich anfühlt", betont der Schauspieler. „Das bedeutete, dass ich mich in die lächerlichen, gruseligen, traurigen und harten Aspekte seines Charakters einfühlen musste. Diese Nuancen zusammengenommen, lassen ihn wie einen normalen und zugänglichen Kerl erscheinen."
Pascal weiter: „In typischer Ari Aster-Manier thematisiert EDDINGTON tiefste Sorgen und Ängste. Ich empfand den Film als beispielhaft düstere amerikanische Komödie. Er ist gespickt mit brutalem Witz und gefährlicher Kreativität, eine Art von Drehbuch, die es nicht häufig gibt."
WIR, DAS VOLK
Um Sheriff Joe und Bürgermeister Ted kreist ein Querschnitt aus Stadtbewohnern, der das Wesen des amerikanischen Kleinstadtlebens widerspiegelt, speziell das von New Mexico. Die Gemeinde Eddington umfasst Sevilla County und das angrenzende Pueblo Santa Lupe, was ein komplexes Panorama ergibt.
„Viele dieser Figuren repräsentieren gegensätzliche politische Auffassungen", erläutert Aster. „Ich wollte eine Art amerikanisches Genre-Epos mit aktualisierten Archetypen erschaffen. Aber es war mir wichtig, dass der Film für alle diese Charaktere Sympathie aufbringt. Es sind normale Menschen, nicht ohne Fehler, und ihre Ängste sind nicht komplett unbegründet. Diese Leute glauben, dass sie für das Richtige einstehen und ihre Gefühle sind nicht per se falsch. Sie kommen nur auf seltsame, verzerrte und beängstigende Weise zum Vorschein. Die Leute leiden unter tiefen strukturellen Ungerechtigkeiten, die es schon immer gab. Es gibt ein schreckliches Problem da draußen und viele der rechten Verschwörungsszenarien bedienen sich bei den linken Verschwörungstheorien der Sechziger- und Siebzigerjahre. Die Menschen, die von ihnen ergriffen werden, sind nicht etwa verrückt. Sie werden nur wahnhaft durch dieses System und die Art, wie sie ihm ausgeliefert sind."
Oscar®-Gewinnerin Emma Stone spielt Joes geplagte Ehefrau Louise, deren schwierige Kindheit sie zur Puppenherstellung und zu Online-Verschwörungstheorien geführt hat. Sie ist die sympathischste Figur des Films, welche in der Hochphase von Covid von Stimmungsmachern geködert wird. Sie wird von QAnon in dunkle Abgründe getrieben, ausgelöst durch vergangene Ereignisse und aktuelle Online-News.
„Mithilfe der Puppenherstellung drückt Louise sich aus. Man bekommt den Eindruck, dass sie kein sehr offener Mensch ist, vor allem nicht gegenüber ihrem Mann", erklärt Stone. „Louise fühlt sich unverstanden, sowohl von Joe als auch von ihrer Mutter."
Louise und Joe teilen sich ihr Haus mit Louises Mutter Dawn (Deirdre O'Connell), die ebenfalls den Online-Verschwörungstheorien verfallen ist. Während des Lockdowns kann man Dawn nur schwer aus dem Weg gehen. Sie vertritt kontroverse Meinungen, die auf vermeintlichen Fakten basieren, denen sie auf dem unbekannten Online-Terrain begegnet. Ihre Anwesenheit belastet die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Mutter und Tochter, sowie Ehemann und Ehefrau.
Während Sheriff Joe gegen Auflagen des Bundes ankämpft und versucht, an Gelder für seine Wahlkampagne zu kommen, wenden sich Louise und Dawn fanatisch Vernon Jefferson Peak (Austin Butler) zu, einem Sektenführer, der seinen Anhängern Trost spendet und behauptet, ein Opfer des Sexhandels zu sein. In Anbetracht ihrer eigenen Geschichte fixiert sich Louise auf Peak, der so offen über die Traumata spricht, die er angeblich durchgemacht hat. Aster beschreibt Peak als eine ‘Rattenfänger-Figur‘.
„Louise fühlt sich Peak verbunden und kommt sich gleichzeitig in diesem abgelegenen Haus, nur mit ihrem Mann und ihrer Mutter, wie im Gefängnis vor", berichtet Stone. „Sie wird von ihrer Vergangenheit heimgesucht und möchte einfach nur verstanden werden." Asters frühere Horrorfilme haben sich bereits mit Sekten und spirituellen Überzeugungen beschäftigt, aber EDDINGTON unterscheidet sich von seinen Vorgängern durch die Art und Weise, wie der Film die Mentalität von Sekten erforscht. Er untersucht, wie die Gläubigen von Orthodoxie und Glaubenssystemen durchdrungen und infiziert werden. Aster hat im Rahmen seiner Arbeit Traumata unter die Lupe genommen und gezeigt, wie sich diese in den Familien auswirken. All das trifft in EDDINGTON aufeinander.
„Vor dem Wort Trauma möchte ich am liebsten weglaufen. Es ist eine der größten Obsessionen unserer Zeit, sich nach innen zu wenden und die Auseinandersetzung mit der Welt durch eine ständige Beschäftigung mit dem Selbst zu ersetzen. Aber im Fall von Louise ist es unvermeidlich", gibt Aster zu verstehen. „Ich bin fasziniert davon, wie Trauma und insbesondere Trauma als Mittel der Identitätsstiftung benutzt werden kann, um zu manipulieren."
Stone dazu: „Vernon predigt, sein Trauma zu umarmen und seine Traumata anzunehmen, anstatt in Scham zu leben."
Der Oscar®-nominierte Austin Butler verleiht seiner Figur Charisma und Verletzlichkeit, doch Peak bleibt unergründlich, da er eine erfundene Kreatur des Internets ist. Aster vergleicht ihn mit der Figur des Rattenfängers, einem Schurken und Lügner. Er drängte Butler, Peak nicht an ein konkretes Vorbild aus der Zeit anzulehnen, sondern ihn stattdessen zu etwas Schwerfassbarem und Nebulösem zu machen.
„Louise ist leichte Beute", stellt Aster klar. „Sie hat nicht verarbeitet, was ihr als Kind widerfahren ist, sucht aber nach Erklärungen. Dann kommt Vernon Peak vermeintlich mit den Antworten auf ihre Fragen, wie es bei Demagogen üblich ist."
Während sich sein Haushalt tiefer in den Fängen von Peak verliert, wird das Verhältnis zwischen Sheriff Joe und seinen Hilfssheriffs Guy Tooley (Luke Grimes) und Michael Cooke (Micheal Ward) immer enger. Kurzentschlossen rekrutiert er sie als Wahlkampfberater für seine Kandidatur zum Bürgermeister. Tooley ist weiß und Cooke ist schwarz. Da beide auf die potenzielle Nachfolge von Cross als Sheriff vorbereitet werden, kommt es zu rassistischen Spannungen, die sich im Zuge von Black-Lives-Matter verstärken.
„In Aris Filmen gibt es keine traditionellen Helden. Das macht es schwerer, der Essenz einer Figur auf den Grund zu gehen und jemanden Unsympathisches zu verkörpern", erklärt Grimes. „Am Ende des Tages ist Guy nicht der beste Kerl. Im Verlauf der Handlung findet man einige unangenehme Dinge über ihn heraus, was mir bei der Charakterisierung geholfen hat."
Michael Cooke kennt Sheriff Joe schon sein ganzes Leben. Cookes Vater war Sheriff von Sevilla County, als Joe noch Sergeant war. Gepaart mit Guys Ehrgeiz schafft dies die Voraussetzung für einen hitzigen Machtkampf, der sich im letzten Akt in Gewalt entlädt.
„Michael ist ein schwarzer Hilfssheriff in einer Kleinstadt in New Mexico, der auf Bitcoin und UFC steht und auf dem Schießstand trainiert", erklärt Ward. „Er weiß nicht wirklich, wer er ist, aber er versucht es mithilfe der Menschen, die ihn umgeben, herauszufinden.“
Grimes ergänzt: „Es gibt einen Konkurrenzkampf zwischen Guy und Michael. Guy sieht ihn als Kollegen, aber auch als Bedrohung, weil Michael schneller aufsteigt. Durch Joe erfährt Guy nicht die gleiche Bestätigung wie Michael, was bei ihm Wut und Feindseligkeit triggert."
Beobachter dieser Diskrepanzen ist Butterfly Jiminez (William Belleau), der indigene Sheriff vom Pueblo Santa Lupe, der jeden von Cross‘ Schritten genau beobachtet, auf der Hut vor der offensichtlichen Unfähigkeit und möglichem kriminellen Verhalten in dem Nachbarbezirk.
„In Eddington geht etwas Merkwürdiges vor sich und Butterfly lässt sich nicht für dumm verkaufen", kommentiert Belleau. „Er folgt den Hinweisen auf die ‚Leichen im Keller‘, die sich häufen, nachdem Joe sich entschlossen hat, als Bürgermeister zu kandidieren. Eine dunkle Wolke bewegt sich auf Eddington zu und Butterfly will die Gelegenheit nutzen, die schändlichen Machenschaften des Sheriffs aufzudecken."
Als es in Eddington auf dem Höhepunkt der Pandemie der Black Lives Matter-Bewegung zu Protesten kommt, führt Aster eine Nebenhandlung ein, die sich mit dem Einfluss der sozialen Medien auf die jüngere Generation befasst, exemplarisch vorgeführt anhand von drei Teenagern. Sarah (Amélie Hoeferle) ist die Anführerin der Aktivisten, die den ersten BLM-Protest in Eddington organisiert. Brian (Cameron Mann) ist der leicht beeindruckbare ‘Bro-Typ‘, der auf Sarah steht und deshalb über Nacht eine neue politische Einstellung entwickelt, zum Entsetzen seiner konservativen Eltern. Eric (Matt Gomez Hidaka) schließlich ist der Sohn des Bürgermeisters, der gegen den Lockdown verstößt und dazu beiträgt, einen aufkeimenden Skandal weiter anzuheizen.
Der ultimative Außenseiter, die unberechenbarste und verletzlichste Figur, der psychisch kranke Herumtreiber Lodge (Clifton Collins Jr.), rundet die Bevölkerung von Eddington ab. Der kryptische Kerl taucht in der Eröffnungsszene des Films auf, um Chaos und Covid nach Eddington zu bringen. Später sieht man ihn im Saloon der Stadt, während einer Interaktion mit dem Sheriff, die Joes Spirale der Gewalt auslöst.
Collins dazu: „Lodge spricht stellvertretend für viele frustrierte Menschen in diesem Land. Er mag einmal ein aufrechter Bürger gewesen sein, aber hat sich verloren. Wir wollen alle Teil einer Gemeinschaft sein, so wie Lodge akzeptiert und gehört werden will. Er verkörpert die allgemeine Frustration.“
In gewisser Weise steht die Figur für die Idee, dass wir als Gesellschaft den Zusammenhalt verlieren, obwohl wir durch die Technologie mehr denn je verbunden sind. Die Menschen fallen immer noch durch die Maschen. Aster schuf Lodge als jemanden, der mit seinen Schmähungen die Stadt auf perverse Weise beherrscht.
„Ich dachte an Thorton Wilders epochales Stück Our Town als eine Art goldgefärbtes Porträt einer Kleinstadt, durch die uns der Stage-Manager führt. Mir gefiel die Idee, diesen Film mit einer Variation dessen zu beginnen", führt Aster aus. „Lodge geleitet uns in die Stadt, aber er ist auch eine Art Verkörperung des Landes. In seiner Schizophrenie springt er nahtlos von der Manie um das Geld, zu Schwärmereien über Gott, zu einem unsinnigen Reim. Er ist auch deshalb wichtig, weil er völlig außerhalb des Areals steht, in dem die restlichen Figuren existieren. Lodge ist einer der zurückgelassen wird. Alle anderen, egal wie kämpferisch sie sich geben, sind Mitglieder der modernen neoliberalen individualistischen Elite. Auch sie werden von den Mächten, die über ihnen stehen, im Stich gelassen.“
DIE GESTALTUNG VON EDDINGTON
Produzent Lars Knudsen, der bislang alle von Ari Asters Filmen produziert hat, sowie Filme von Robert Eggers, Andrea Arnold und Kelly Reichardt, war der Auffassung, das Drehbuch gäbe den Ton für ihren bisher größten gemeinsamen Film an.
„Es handelte sich um ein sehr ehrgeiziges Projekt", kommentiert Knudsen. „Ari ist akribisch, was die Details des Films angeht. Weil er sich selbst so antreibt, inspiriert er Schauspieler und Crew, das Gleiche zu tun. Im Gegensatz zu seinen früheren Werken, die vor allem auf einer Tonbühne sowie an wenigen Außenmotiven gedreht wurden, filmten wir EDDINGTON komplett vor Ort."
Aster und sein Designteam sahen sich fast alle Städte in New Mexico an, bevor sie sich für Truth or Consequences entschieden, einen kleinen Außenposten im Sierra County mit 6.000 Einwohnern. Da ein Großteil der Produktion in der Nähe des zwei Stunden entfernten Albuquerque untergebracht war, konnte man nicht behaupten, dass der Ort besonders naheliegend gewesen wäre. Aber die Stadt war filmreif und bot wunderschöne Ausblicke. Die Filmemacher bekamen sie nicht mehr aus dem Kopf.
„Als wir Truth or Consequences endlich entdeckten, wurde uns schnell klar, dass der Ort alles mitbrachte, was wir gesucht hatten. Außerdem strahlte das Städtchen eine ganz besondere Atmosphäre aus, wie wir sie nirgendwo anders finden konnten", erläutert der Oscar®-nominierte Kameramann des Films, Darius Khondji. „Es wurde zu einem gespenstischen Ort. Eine Stadt, in der man bereitwillig auf das Ende der Welt warten würde."
Das Team filmte elf Wochen lang hauptsächlich in Truth or Consequences, mit zusätzlichen Drehtagen in Madrid und Tohajiilee, außerhalb von Albuquerque. Die Szenenbildner verkleideten die Fassaden der lokalen Gebäude, darunter ein aufgegebenes Restaurant, das in Eddingtons Waffenladen verwandelt wurde. Ein verlassenes Haus wurde in das Büro des Sheriffs transformiert, ein Relikt aus der Vergangenheit mit einer einzigen Gefängniszelle, die an klassische Western erinnerte.
Szenenbildner Elliott Hostetter dazu: „Es war ein Vergnügen, in Truth or Consequences zu arbeiten. Wenn ich aus der Tür unseres Hotels hinaustrat, war ich mitten in Eddington. Es amüsierte mich, zuzuschauen, wie Touristen versuchten, das Büro des Sheriffs oder die Bar zu betreten."
Mayor Ted's Saloon wurde auf den Überresten eines entkernten Gebäudes errichtet, das als unsicher galt, weil die Decke eingestürzt war. Hostetters Team verstärkte die Struktur und ergänzte ein Wandgemälde, das die Geschichte von Eddington illustrierte.
„Manchmal verwechselte ich die Stadt mit dem Set“, berichtet Pascal. „Die Bühnenbilder und Dekorationen waren so gut integriert. Alle bestehenden Orte wurden dadurch zu perfekten Kulissen für den Film.“
Neben dem Hauptmotiv gab es das Haus im Pueblo-Stil von Joe und Louise, das sich auf einem Hügel von Madrid, außerhalb von Santa Fe, befand. Das attraktive Gebäude wurde von dem Team ausgestattet, mit Louises Zeichnungen und Puppen, von Aster selbst kreiert, sowie reichlich Toilettenpapier, um das häusliche Horten zu reflektieren, auf dem Höhepunkt von Covid.
„Dieses Set erwies sich als ausgesprochen schwierig", erklärt Hostetter. „Das Haus stand auf einer Klippe und war dem Wind ausgesetzt. Es wurde mit so vielen Gegenständen dekoriert, dass die Crew sich kaum noch verstecken konnte. Im Film zieht Dawn bei Joe und Louise ein. Sie bringt all ihr Hab und Gut mit und residiert im Wohnzimmer. Es sollte sich klaustrophobisch anfühlen, so als wenn Dawns übermächtige Paranoia Joe in seinem eigenen Haus gefangen hält. Ich wollte zeigen, wie es war, mit seiner Familie, während Covid festzusitzen, was so viele Menschen zu dieser Zeit durchgemacht haben. Gleichzeitig war das Haus so auffällig in die Landschaft integriert. Diese Gegenüberstellung machte elementare Vorgaben für das Blocking der Szenen."
Um die majestätische Landschaft des amerikanischen Südwestens zum Leben zu erwecken, wandte sich Aster an den legendären Kameramann Darius Khondji. „Die Tatsache, dass die Geschichte in der Wüste angesiedelt war, fast wie hinter verschlossenen Türen, empfand ich als sehr reizvoll", betont Khondji. „Alles spielte sich in dieser kleinen Stadt im Nirgendwo ab, jedoch auch in den Köpfen einiger Charaktere."
Khondji und Aster machten sich daran, eine prachtvolle neue Vision des amerikanischen Westens zu erschaffen, indem sie der atemberaubenden Landschaft moderne Schandflecken wie Rechenzentren und Büroparks hinzufügten. In Aster begegnete Khondji einem Gleichgesinnten, mit einer tiefen Liebe zum Kino und insbesondere zum klassischen Western. Sie teilten die Wertschätzung für John Ford, Howard Hawks, Anthony Mann und Sam Peckinpah, sowie für klassische Kameramänner wie Gregg Toland und James Wong Howe.
Es gibt zwar Themen und Konventionen, die den Western geprägt haben, aber gleichzeitig ist es ein Genre, das den Filmemachern die Möglichkeit bot, grundlegende Traumata und Mythen Amerikas direkt anzusprechen. Macht, Territorium, Gerechtigkeit und Identität, diese Themen wurden in einem breiten ästhetischen Spektrum bearbeitet. Der Konflikt zwischen Sheriff Joe und Bürgermeister Ted steht stellvertretend für den Kampf um die Seele der Nation. EDDINGTON tauscht nur die Viehdiebe gegen die Waffen und Requisiten des modernen Zeitalters ein.
Konsequenterweise wurde das KI-Rechenzentrum, das in einer Luftaufnahme am Ende des Films als eine Art bedrohlich pulsierende Festung sichtbar wird, mit CGI erstellt. Für Aster handelt es sich dabei um das atmosphärische Herz des Films, das Endergebnis der Bemühungen der verschiedenen Charaktere, die auf dem Weg dahin ihre Leitern erklimmen, ihre Kämpfe austragen und ihre Dramen ausagieren. „Wenn ich es auf den Punkt bringen müsste, dann würde ich sagen, es geht bei EDDINGTON im Kern um ein Rechenzentrum, das gerade errichtet wird", gibt Aster zu.
„Aus meiner Perspektive ist der alles vereinende Feind im Film die Ablenkung", stellt Aster klar. „Wir leben in einem kollabierenden System, in dem politische Kämpfe uns hypnotisieren, während Big Tech und Kapital alles übernehmen. Die Menschen in dieser Welt werden immer machtloser und haben keinen Zugang mehr zu Veränderung. Das hat Covid nur verstärkt. Die Kontrolle über Daten und Informationen ist das Privileg der Macht. Das funktioniert noch besser, wenn die Bürger ihre Verdächtigungen und ihre Wut auf den Nachbarn abwälzen können. Die ursprüngliche Idee der Demokratie, dass sie ein Bollwerk gegen den Amoklauf der Macht darstellen sollte, ist völlig verschwunden. Die Pandemie hat die letzte Verbindung dazu gekappt. Da draußen ist eine große entfesselte Macht zugange. Wir haben noch keinen Weg gefunden, mit ihr umzugehen, aber das werden wir müssen. Das ist es, was die Figuren in EDDINGTON versuchen, während sie sich gegenseitig in den Wahnsinn treiben, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht."
Foto:
©Verleih
Info:
Genre
Komödie, Drama, Western
Produktionsjahr
2025
Regie. Ari Aster
Drehbuch. Ari Aster
Besetzung
Joaquin Phoenix
Pedro Pascal
Emma Stone
Luke Grimes
Austin Butler
Deirdre O'Connell
Micheal Ward