Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. Februar 2015, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Die Pressekonferenz zur BERLINALE SPECIAL GALA überraschte zuerst einmal auch durch ihre personelle Besetzung: Die Regisseurin Ava DuVernay hatte neben ihrem Star David Oyelowo auch Nelson Mandela mitgebracht, natürlich Idris Elba, seinen Filmdarsteller, dachte man, denn manche Rollen haften den Schauspielern dann einfach an. Es war aber Colman Domingo.

 

Pressekonferenzen laufen sehr unterschiedlich ab. Selten gibt es Reden vorneweg, sondern durch Fragen der Journalisten entwickelt sich das Gespräch über den Film. Anke Engelke, gerade als widerständige Lehrerin im Kino schulerprobt, fragte nach den Möglichkeiten, den Film SELMA pädagogisch einzusetzen, konkret nach den Schulklassen. Dies wurde bejaht, weil der Film, nicht in der Zeit der Vorbereitung und des Drehens, aber jetzt mitten hinein in eine neue Diskussion der Diskriminierung von Schwarzen in den USA trifft, die man mit dem Stichwort FERGUSON umreißen kann, dem Ort in Missouri, wo im August 2014 der jugendliche Afroamerikaner Michael Brown von einem weißen Polizisten erschossen wurde, was zu langwährenden Unruhen führte.

 

Es waren insgesamt sieben Jahre, die zur Vorbereitung des Films gebraucht wurden und auch Martin Luther King Darsteller David Oyelowo war sieben Jahre lang eingebunden. Für ihn war vor Ort zu drehen schon deshalb ein Erlebnis, weil es sich um mythische Orte handelt. Eindrucksvoll war auch, daß einige aus dem Marsch von damals nun ebenfalls bei den Filmmärschen mitmarschiert sind.

 

Zur Finanzierung des Films gab es mehrere Antworten. „Man sagt uns immer, außerhalb der USA wollen die Leute keine Filme über Schwarze sehen, das interessiert doch eh keinen, ist der Tenor.“ Deshalb sind die Drei äußert überrascht über das große Interesse in Berlin, sowohl darüber, daß die Vorstellungen innerhalb der Berlinale alle ausverkauft sind, aber auch, über die Resonanz in der Presse. Was die Finanzen angeht, sagte die Regisseurin offen: „Den Film gäbe es nicht, wenn Oprah Winfrey uns nicht unterstützt hätte. Es ging um Plan B und die acht Jahre, die das Problem andauerten. Oyelowo hatte den Traum, Luther zu spielen, sie versprach Unterstützung....mitspielen wollte sie erst partout nicht, ließ sich aber überreden.“

 

Schaut man in die Geschichte zurück: 100 Jahre spielte die selbe Frage des Wahlrechts an den amerikanischen Präsidenten eine Rolle. Dazwischen liegen aber 19 Präsidenten. Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit herrschte im ganzen Film. „Wir unterstützten uns gegenseitig. Es gibt so viele Schichten der Freundschaft....David hat vier Kinder, die waren auch immer wieder da, die gemeinsame Verwobenheit kommt mit in den Film. Solche Solidarität am Set hatte noch nie jemand so erfahren. Die Regisseurin: „Was die Rolle des Kinos für mich angeht, so bin ich für Aktivismus. Ich will Unterhaltung bieten, Action und Liebesgeschichte, überhaupt Geschichten erzählen, ich möchte Wichtiges zum Ausdruck bringen oder eben geschichtliche Ereignisse.“

 

Als „Best Picture“ wurde Dr. King nominiert, heißt es, der für weniger als die Hälfte des 44 Millionen Etat eines anderen Films gedreht wurde. Aber nicht für die Beste Regie, wo überhaupt noch nie eine schwarze Frau nominiert wurde. Und vor allem wurde der hauptdarsteller ebenfalls nicht als Bester Schauspieler nominiert. Gerade als Bester Song ist Selma nominiert. Der wird Einklang in die amerikanische Kultur finden.

 

Warum hat die Academy David nicht als Dr. Luther nominiert? Die Regisseurin bewegen andere Fragen. Sie sieht, „wie der Film den Aktivistengeist der jungen Generation hervorholt, darum geht es. Meine Neffen und Nichten sind aktiviert durch den Film, daß sie sich selbst um ihre Rechte kümmern.“ Obama wurde der Film gezeigt, denn nicht nur seine persönliche Karriere ist mit seiner Amtszeit verbunden, das Klima für einen Film wie SELMA ist durch seine Präsidentschaft möglich geworden. Es interessiert auf einmal, wie es möglich wurde, daß ein Schwarzer überhaupt Präsident werden konnte. Erstaunlich bleibt, daß weder über Selma, noch über Martin Luther King bisher Spielfilme gedreht wurden.

 

Zum ersten Mal ist eine schwarze Frau die Regisseurin einen solchen Films, weiße Regisseure sollten das machen, dann schwarze, dann auf einmal eine Frau. In Amerika haben schon 370 000 Schüler und Schülerinnen haben diesen Film gesehen, diese Kinder wissen mehr über Dr. King als der normale Amerikaner, der Film geht weiter, über das unmittelbare historische Thema hinaus. David meint: „Wir sind exklusive. Mein Gefühl, daß dieser Film etwas Neues bringt. „

 

Frage nach den Frauen an AVA. Die antwortet und zeigt auf eine amerikanische Journalistin in der zweiten Reihe: „Jetzt nach dem Film kann man das viel offener sagen. Sie sind ein Vorbild, Melissa. Sie waren die erste, die über mich geschrieben hat, als ich noch unbekannt war. Was sehr sehr wichtig war. Ich wollte immer Geschichten erzählen und meine Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, ausdehnen. Ich komme aus dem Independentfilm, .mußte mich aktiv einbringen. Einmal pro Jahr einen Film, Fernsehen, Serien... SELMA hat natürlich mehr gebracht, denkt man, stimmt aber nicht, es gab aufgrund von SELMA nicht so viele Angebote.“ Zusammen mit David hat sie ein neues Projekt, Colman will gebeten werden, mitzumachen, zum Beispiel über das Mordmysterium, den Hurrikan Katharina, zum Beispiel für Oprah eine Serie...

 

Ich bin Amerikaner, er ist Afrikaner, kann man heute sagen, ich bin kein AfroAmerikaner, ich bin kein Amerikaner, er ist stolz, seinen Akzent beizubehalten, Identität ist für ihn aber mit Afrika verbunden, er verweist gerne auf Afro....in den Sieziger war man stolz, ein schwarzer Amerikaner zu sein.“

 

David kennt sich aus in Deutschland. „Deutschland hat seine dunkle Vergangenheit auf beispiellose Weise bewältigt, mit Bildung nämlich. .Inglourious Bastards ist hier gut angekommen, was ihn wunderte, weil es nur ein Anzinazifilm war und kein deutscher Feindfilm, wir haben in Amerika so etwas nicht, was die Deutschen hier haben: Eine Erinnerungskultur, sie uns sagt: 'Nie wieder, wir dürfen das nie wieder zulassen', so etwas gibt es in Amerika nicht. Ein weißes Mädchen ist aufgestanden und wußte nichts davon, von Selma und den verweigerten Rechten für Schwarze und war empört, daß sie die eigene Vergangenheit nicht kannte, weil die Geschichte ihr und ihrer Generation verweigert wurde.

 

Amerikanische schwarze Soldaten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg im Ausland als Helden gefeiert und kamen zurück nach Amerika ins rassengetrennte Amerika. Das war falsch, wir müssen in die Zukunft blicken.

 

Steven Spielberg hate die Rechte an dem Film Luther. Hat aber nichts gemacht. Man mußte sich von den Wörtern lösen und auf die Ideen setzen. Überrascht reagierte das Podium auf die Nachricht, daß die Gala CINEMA FOR PEACE den Film ausgezeichnet habe, mit viel Geld. Der Drehbuchautor hatte den Preis entgegengenommen. „Gibt es dafür wirklich Geld?, fragten sie vom Podium. Wie so etwas zustandekommen kann, weiß man nur hinter den Kulissen. Die Berlinale hatte vor Jahren diese GALA einmal in Verbindung mit der Berlinale zugelassen. Das sind etwas undurchsichtige Verhältnisse, wer hinter dieser Gala steckt. Auf jeden Fall hatte die Berlinale nach diesem einen Jahr öffentlich verkündet, daß CINEMA FOR PEACE, was ja gut klingt, nichts mit der Berlinale zu tun habe. Man ärgert sich nämlich mit Recht, daß diese Gruppe Stars und Sternchen einlädt, die auf Kosten der Berlinale erst einmal eingeladen werden und nichts dagegen haben, einen Abend auf dieser GALA zu verbringen, wo doch der Titel der Veranstaltung gut klingt.

 

Vor Jahren waren wir eingeladen, hatten kritisch berichtet, wurden nicht mehr eingeladen, berichteten also auch nicht mehr, überhaupt hält sich die Berichterstattung sehr in Grenzen. Daß aber nun der Drehbuchautor eines Films, im Filmheft steht: Paul Webb, einen Hauptpreis für SELMA erhält, von der die Regisseurin und der Hauptdarsteller nichts wissen, macht diese PEACE GALA erneut verdächtig.

 

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Selma (Großbritannien, USA 2014)

Genre: Drama

Filmlänge: 128 Min.

Regie: Ava DuVernay

Drehbuch: Paul Webb

Darsteller: David Oyelowo, Tom Wilkinson, Tim Roth u.a.

Verleih: Studiocanal

FSK: ab 12 Jahren