Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Februar 2015, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Film vom Regisseur Clint Eastwood wurde schon vor seinem heutigen Anlaufen in Deutschland dadurch bekannt, daß er zur Oscarverleihung 2015 als großer Favorit galt, denn er hatte von allen Filmen die höchsten Einspielergebnisse, dann aber bei 6 Nominierungen nur einen Oscar erhalten, den für den Besten Schnitt.
AMERICAN SNIPER
Das darf man schon blamabel nennen, auch wenn es anderen wie Boyhood, The Imitation Game, die Entdeckung der Unendlichkeit, Interstellar und Foxcatcher ähnlich ging, letzterer bekam gar keinen Oscar wie auch Mr. Turner – Meister des Lichts, ein wunderbarer Film, zu 'klein' für Hollywood. Alle diese Filme waren aber nicht die Favoriten für die drei wichtigsten Preise: Beste Film, Beste Regie, Bester Darsteller. Genau dafür aber galt AMERICAN SNIPER als Favorit.
Warum das für unsere Filmbesprechung wichtig ist, hat genau mit der Problematik des Films zu tun, der das Amerika der Selbstbewaffnung bejaht, gleichwohl nicht ganz einverstanden ist mit der Behandlung derer, die psychisch angeknackst oder gar zerstört von ihrem militärischen Einsatz aus dem Krieg in die USA zurückkehren. Ein Krieg, der heute offiziell nicht Krieg heißt, sondern Unterstützung der zivilen Regierung des Iraks, gleichwohl Abschießen von Leuten in einem anderen Land bedeutet, so wie es dem echten Chris Kyle ging, der stolz und nicht verschämt auflistet, daß er eigenhändig 160 Menschen ermordet hat, getötet oder erschossen im Militärjargon. Dies nicht in der Schlacht, sondern als Bewacher von Transporten u.a., wo diejenigen, die sich verdächtig machten, eine Bombe zu transportieren, beispielsweise, sofort erschossen wurden, wenn sie unter ihren Umhang griffen.
Chris Kyle, so erfahren wir am Schluß des Films, ist – Ironie der Geschichte oder sollte man einen Allmächtigen hier vorziehen – von einem anderen schwer traumatisierten US-Veteranen, für deren Aufmunterung und pädagogisch-psychologisches Programm er zuständig wurde, weil ihm das selber half, erschossen worden. Clint Eastwood macht nun darüber einen Film, der von der Machart bestechend objektiv, uns insgeheim zu Mitwissern und Bestätigern einer solchen militärischen Karriere macht, die tragisch endet. Ob man will oder nicht, hält man im Film zu Bradley Cooper als Chris Kyle, obwohl der seine Rolle gar nicht auf sympathisch trimmt, sondern denen, die genau hinschauen, die Defekte und Defizite des Chris Kyle durchaus aufscheinen läßt.
Wir haben es also mit einem Film zu tun, der so objektiv wie es nur geht, daherkommt, seine eigentliche Aussage aber durch das Nichtgesagte unterschwellig uns ins Gemüt drückt, daß wir es hier mit einem Helden zu tun haben, der Pech hatte und der für alles nichts kann, was mit ihm passiert. Und genau das stimmt nicht. Denn Chris Kyle gehört zu den millionenfachen Amerikanern, dadurch wird es nicht besser, für die die Waffe im Haus den besten Zimmermann ersetzt. Auch hier ist Clint Eastwood keiner, der solches versteckt, denn an zwei Stellen wird uns die Schießwut des kleinen und des großen Kyle im Film aufs Auge gedrückt.
Denn in der Schießidylle, in der Chris' Vater seinem Sohn diese Tätigkeit beibringt, zeigt sich dieser gelehrig, so daß der Vater frohlockt, welch guter Jäger aus seinem Sohn werden wird. Menschenjäger denken wir dann später, wenn der große Kyle seinem Stab vermittelt: „Ich bin besser bei Dingen, die atmen.“ und das Erschießen von als gefährlich eingestuften Menschen meint, die er immer auch in der Ferne eher trifft als Konservenbüchsen in der Nähe. Ehrlich zeigt der Film auch, daß das Erschießen Kinder und Frauen miteinschließt, denn ein potentieller Bombenträger ist jeder.
Der Film nimmt uns also dann mit auf der Reise durch Kyles Leben, sein Großwerden, seine Liebe zu einer Frau, die ihm ein Kind gebärt, was erst einmal zu „Vatersein dagegen sehr“ führt, denn er ist einfach für Größeres geboren als einen Säugling zu wickeln und überlebt tatsächlich vier Einsätze im Irak, die wir alle mitbekommen und auch die Traumatisierung, wenn er endgültig nach zu Hause zurückkehrt und nicht weiß, was er dort soll.
Der Film folgt der Autobiografie des Chris Kyle, die sich bis an die Millionengrenze in den USA verkaufte: „Sniper. 160 tödliche Treffer – Der gbeste Scharfschütze des US-Militärs packt aus“. Von einer Autobiografie darf man erwarten, daß sich ihr Schreiber als Held sieht und so verkauft. Der sich immer als Freund des eher rechten Amerikas, auf jeden Fall der Republikaner bezeichnende Clint Eastwood hat aber schon Filme geschaffen, in denen die Lernfähigkeit von rechten Sturköpen einen staunen machte. Von einem reflektierten 84jährigen Regisseur darf man eigentlich erwarten, daß bei einer Brillanz des filmischen Materials – wir erleben alles ganz dicht, der Film hat keine Längen, vermischt geschickt Privates, Politisches und Militärisches – er auch eine Position zum Gefilmten vermittelt. Genau das tut Eastwood nicht. AMERICAN SNIPER ist ein Film, der keine Fragen stellt, sondern alle Antworten schon zuvor gegeben hat. Das langt nicht. Das langt überhaupt nicht.
INFO:
American Sniper,
USA 2014, 132 Minuten.
Regie: Clint Eastwood
P.S. Eine weitere Ironie der Geschichte. Heute läuft der Film in Deutschland an. Gestern kam eine Meldung, die heute in den Zeitungen steht, allerdings nicht in den Feuilletons wie die Filmkritiken, sondern in Rubriken wie : Aus aller Welt. „Lebenslang für den Mörder des Snipers“ ist so eine der Überschriften. Denn gerade hat ein texanisches Gericht (das Bezirksgericht in Stephensville) den früheren Soldaten Eddie Ray Routh schuldig gesprochen, den Scharfschützen Chris Kyle und dessen Freund Chad Littlefield im Februar 2013 ermordet zu haben.
Routh bekam lebenslänglich ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung für den heute 27jährigen. Dieser kam 2013 aus dem Irak zurück und litt unter Schizophrenie und eine posttraumatischen Belastungsstörung, wie das Allerweltswort heute heißt. Jetzt erfahren wir auch Genaueres, was der Film auch nicht weiter erzählen muß. Chris Kyle, im Februar 2013 38 Jahre alt und sein Freund Littlefield, 35 Jahre, hatten Routh zu Schießübungen eingeladen. Kyle hatte nach seiner Rückkehr seine eigene Orientierungslosigkeit erst einmal im Alkohol ersäuft und seinem Leben dann dadurch einen neuen Sinn gegeben, daß er Kriegsheimkehrern mit Sport den Übergang ins normale Leben erleichtern wollte. Dazu gründete er eine Kampfschule für Polizisten und Zivilisten. Wie man heute weiß, spürte Kyle die Gefahr durch den im Auto hinter ihm sitzenden Routh -man fuhr gemeinsam zu Schießübungen als Teil des Kyleschen Programms - sofort und schrieb dem neben ihm sitzenden Littlefield als sms: „ Der Typ ist komplett verrückt.“