Die Tagung der Heinrich Böll-Stiftung schloss den Abend des Auseinandergehens mit dem Film: 'Eine Einstellung zur Arbeit'

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am Beginn des Films stand die Filmrolle der 40 Sekunden und die filmische Sequenz der 2 Minuten. Aus diesem Format darf auch in den Zeiten des Dauerfilms, in der so gut wie nie unterbrochenen Funktion des Aktualitätenkinos, mit Fug und Recht eine Tugend gemacht werden.

 

Aber: der Film, der den Abschluss des Treffens bereitete, war - und ist - eine Besonderheit, die einer bestimmten Kürze halber und trotz all dem Episodischen, das er zeigt, viel mehr als nur gerade so abendfüllend ist. Doch, gemach, bevor zuviel der Kritik einsetzt: der Film ist jederzeit und umgehend im informellen Netz sehbar. Er besteht aus Happen, die es in sich haben, langatmige Langeweile tritt nicht auf. Ohne dass groß Action wäre, wird viel Reizvolles und Aufschlussreiches an soziokultureller Information - über Kontinente hinweg reichend - vermittelt. Nur in Neuseeland wurde nicht gefilmt.

 

http://www.eine-einstellung-zur-arbeit.net/de/filme/

 

Der erste Film der Filmgeschichte, der zur Vorführung gekommen war, war ein 2-Minuten-Film. Er stammte von Lumière. Er zeigt Arbeiter und Arbeiterinnen, die aus einem Fabriktor strömen. Dies erinnert an das spätere Intro des Films 'Moderne Zeiten' von Charles Chaplin: Arbeitsmenschen schnellen über Treppen auf und ab auf der Suche nach dem Glück – das im eigenen Heim ankommt; ein Grundmotiv von Chaplin. Lumières Film filmt das Strömen statisch, die Kamera bleibt unbewegt. Die Bewegung der Herausströmenden wirkt inszeniert, Sonntagskleider wurden angelegt.

 

Ausgehend vom Grundsatz des 2-Minuten-Formats hat der '2014 verstorbene Dokumentarfilmkünstler Harun Farocki' ein in die gegenwärtige Welt versetztes Remake jener bezeichneten Vorlage mit der auf die Jetztzeit gerichteten Filmsequenz 'Eine Einstellung zur Arbeit' geschaffen. In 2 Minuten kann viel geschehen, gesagt, angedeutet und zur Präsenz gebracht werden. Durchgängiges Thema ist die sehr unterschiedliche und verschiedenartige global ausdifferenzierte Arbeitswelt.

 

Für das Projekt 'Eine Einstellung zur Arbeit' haben Harun Farocki und Antje Ehmann zusammen mit Filmemachern und KünstlerInnen in 15 Städten Arbeitswelten befragt, untersucht und gefilmt“ (aus der Ankündigung). Antje Ehmann präsentierte und kommentierte eine Auswahl aus dieser filmischen Enzyklopädie globaler Arbeitsverhältnisse. Antje Ehmann ist Künstlerin und Kuratorin (Berlin).

 

Städte, in denen gedreht wurde sind u.a. Rio de Janeiro, Bangalore, Genf, Buenos Aires, Tel-Aviv (auch mit dem Take: 'Leaving the Factory'), Lodz, Lissabon, Mexiko, Boston, Kairo. Der letzte Streifen, der gezeigt wurde, ließ ins Tierkrematorium (für eine Katze) schauen – die Katze wird mit einer aufwendigen Mechanik rituell ins Feuer eingefahren.

 

Es wird einfach in die Szene hineingeschaltet – so scheint es zumindest - erklärende Kommentare oder ausgiebige Stellungsnahmen zur Arbeit finden sich nicht. Es wird nicht gestellt oder eingegriffen, die Filmcrew war wie immer ein aufeinander eingespieltes Team. Die Folgen zeigen, wie die Arbeit aus dem Leben kommt und ins Leben übergeht, erklärt werden braucht nicht. Bei der Arbeit zuzuschauen ist ein kindliches Genre. Aber der Facetten, Besonderheiten und Wunderlichkeiten des Arbeitens, um leben zu können, sind so viele und ganz unterschiedliche, auch skurrile und anstößige. Arbeit besitzt Ritus und Variabilität, Mechanik kommt auch vor, z.B. beim Bügelvorgang an der Bügelmaschine ('Dry Cleaner'), mit einer schwer deutbaren Gesichtsbewegung des Büglers, die etwas sagen will, wenn er in die Kamera schaut (und damit die Aufnahme mitbestimmt). Gegenbeispiel: Eine Straßenmalerin, die sich unter anderem auch mit kopierten Portraits (z.B. einer Frida Kahlo) etwas verdient, steckt einem obdachlosen Jungen - also umgekehrt wie geplant - eine kleine Geldgabe zu; in einer Bostoner Tube Station erklingt der Blues eines Mundharmonikaspielers vor dem Transparentschriftzug: 'Close down Guantanamo'. Es wird gespielt, verdient und politisch propagiert.

 

Auch prekäre Arbeit kommt im Film als globale Erscheinung zur Filmsprache: an einer baulichen Abrissstelle in Kairo schlagen Arbeiter mit dem Vorschlaghammer unten an einem Pfeiler, oben versuchen andere der Decke beizukommen, man kann sich denken, wie wenig hier verdient wird. Auch wenn nur die Hand und geballte Faust einzusetzen ist, bewegt sich die Bezahlung auf subproletarischem Niveau, z.B. wenn ein Kind Mais aufgreift, um den Kolben unter größter Überanstrengung freizulegen und ihn zu ernten.

 

Es empfiehlt sich, gleich im Anschluss die 2-Minuten-Werke nach Belieben und Gutdünken anzuwählen und sich ihnen zu widmen, bzw. sich ihnen ohne große Absicht hinzugeben.

 

http://www.eine-einstellung-zur-arbeit.net/de/filme/