UND VERGIB UNS UNSERE SCHULD. Zur heutigen Ausstrahlung des neuesten Polizeiruf 110 in der ARD

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich sollten wir nicht die Schauspieler als Erste nennen, aber sie sind halt so bekannt – und auch in diesem Krimi wieder saugut. Eigentlich sollten wir Marco Kreuzpaintner nennen, den Regisseur, der zum ersten Mal Regie bei einem Fernsehfilm führt, uns aber von seinen Filmen KRABAT und auch COMING IN bekannt ist, angenehm bekannt ist.

 

Daß dies nicht sein letzter Fernsehfilm sein wird, das spürt man von der ersten Minute an, denn das Drehbuch (Alexander Buresch und Matthias Pacht) hat eine unvertraute, eine aberwitzige Situation geschaffen, die langsam und kontinuierlich ausgespielt wird: ein Mörder (Karl Markovics) gesteht mit aller Inbrunst und immer wieder einen Mord an der damals 16jährigen Schülerin Miriam (Lola Dockhorn). Der Mörder Jens Baumann sucht Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) auf und läßt auch in der Folge nicht locker, daß er der Mörder sei, unbeabsichtigt, darauf legt er wert: „Es war ein Unfall.“

 

Peinlich. Mehr als peinlich. Geradezu verheerend. Denn verurteilt wurde für diesen Mord, dessen polizeiliche Ermittlungen van Meuffels führte, Tim Hafflinger (Sebastian Girgel) und damit genau derjenige, dessen Selbstmord aus der Zelle heraus gerade gemeldet wird, nach etwas zehn Jahren Haft. Da muß man sich nicht wundern, daß dem Kommissar blümerant wird. Schließlich hatte dieser Hafflinger doch die Tat auch gestanden. Es blieb zwar merkwürdig, daß die Leiche des jungen Mädchens nie auftauchte, aber Hafflinger hatte alle Details auf Lager. Oder doch nicht? Machte der nicht zudem einen mehr als leicht beschränkten Eindruck? Und wieso ist das zeitliche Zusammenfallen von Mord und der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 gar nicht so zufällig.

 

Wir leiden durchaus mit Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels mit, zudem ihm Matthias Brandt genau diese sowohl ehrenwerte, wie auch überarbeitete und der Reflexion fähige Gestalt gibt. Wir mit ihm doppelt. Hat er einen Fehler gemacht. Hat er zu vordergründig ein Geständnis für Wahrheit gehalten, weil die Begleitumstände so gut paßten? Und niemand würde das überhaupt bezweifeln, wenn nicht dieser Jens Baumann seine Schuld nach zehn Jahren so lauthals herausbrüllte. Na klar, jetzt wo der dafür Verurteilte tot ist, wäre der echte Mörder wirklich die tiefste Erschütterung für den Kommissar von Meuffels. Deshalb nervt Jens Baumann auch, wenn er immer noch eins zulegt und auf einmal Dinge von sich gibt, die damals in keiner Zeitung standen. Das hält den Zuschauer in Spannung, denn er neigt unaufhörlich mal der einen Seite zu: das ist ein sogenannter Trittbrettfahrer, ein Aufschneider und Wichtigtuer, mal glaubt er in diesem Baumann das personifizierte schlechte Gewissen zu sehen, also einen echten Mörder, dem in seinem Leben nur noch eines hilft: für ein verübtes Verbrechen bestraft zu werden. Schuld und Sühne hängen hier überdeutlich in der Luft. Und der ehrenwerte Kommissar rollt den Fall tatsächlich noch einmal auf.

 

Wir werden einen Teufel tun und mehr verraten, als daß es sich lohnt, heute Abend im Ersten diesen Polizeiruf zu verfolgen. Daß man auch viel über Beton, über das Bauen und die Vergrößerung von Märkten lernt, da hat mit der Suche nach der Leiche zu tun, die interessante Nebenaspekte hat. Denn heute ist eben fast nirgendwo noch so, wie es damals war. Das gilt auch für Beton.

 

 

 

 

 

P.S. Der produzierende Bayerische Rundfunk legt wert darauf, daß man Karl Markovics als Schauspieler dem GRAND BUDAPEST HOTEL zuordnet, einem Film, der, wenn schon sein Name fällt, ein Lächeln auf unser Gesicht zaubert, so eigen, so tiefsinnig, so absurd und auch echt nostalgisch ist dieser Film. Nichts also dagegen zu sagen. Nur ist uns Karl Markovics eben viel mehr.

 

Wir wollen nicht seine Erfolge aufzählen, sondern nur verweisen, wo er uns als erstes in den Neunziger Jahren. Konkret 1994 auffiel: in der Serie Kommissar Rex. Da war er der Kriminalinspektor Ernst Stockinger, genannt Stocki, der dem Rex immer die Wurstsemmel neidete und immer wieder zuschauen muß, wie der Schäferhund sie bekommt.

 

Und dann – das wissen wir noch genau und brauchen kein Wikipedia – dann zog er, also der Stockinger, nicht der Markovics, mit seiner Frau nach Salzburg, weil die nämlich die Arztpraxis ihres Vaters übernommen hatte. Stockinger klärt gleich im ersten Fall einen Mord beim JEDERMANN auf, und dann erinnern wir uns an Hallstatt und den Hallstättersee, aber auch an eine Geschichte, wo er dann am Altausseer See...na, da müssen wir doch noch mal nachgucken. Und finden gerade, das könnte man doch als Wiederholung noch einmal bringen?

 

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Info:

 

Drehbuch: Alexander Buresch, Matthias Pacht

Regie: Marco Kreuzpaintner

Darsteller: Matthias Brandt, Karl Markovics, Lola Dockhorn, Sebastian Griegel, Stefan Merki, André Jung, Sylvana Krappatsch, Margarethe Tiesel, Wolfgang Maria Bauer, Matthias Ransberger, Felix Everding u.a.

Redaktion BR: Cornelia Ackers

Drehzeit: 10. Juni – 10. Juli 2015

Ausstrahlung: 17. Januar 2016 im Ersten