Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Januar 2016, Teil 1

 

Corinne Elsesser

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In der unwirtlichen Landschaft des kalifornischen Death Valley treffen sich Isabelle (Isabelle Huppert) und Gérard (Gérard Dépardieu) fast zufällig. Beide sind unabhängig voneinander von ihrem Sohn Michael eingeladen worden, einige Tage in diesem Tal zu verbringen. Er hat ihnen versprochen, dass sie auch ihn dort antreffen würden - nur hat Michael bereits vor Monaten Selbstmord begangen und der Brief erreichte die getrennt lebenden Eltern erst lange nach seinem Tod.

 

Mysteriös und beunruhigend mutet der neue Film des französischen Regisseurs Guillaume Nicloux („Die Entführung des Michel Houellebecq“ 2014; „Die Nonne“ 2014) an. Als Mutter geht Isabelle viel emotionaler an diese geheimnisvolle Sache heran und glaubt fest an das Versprechen ihres Sohnes. Der Vater bleibt dagegen distanziert, behält seinen Terminplan im Auge und gibt der Sache nur ein paar Tage. Schließlich ist er ein vielbeschäftigter Schauspieler in Los Angeles. So absolvieren die Eltern das vom Sohn vorgesehene Programm, finden sich jeweils zu bestimmten Zeiten an touristischen Orten innerhalb des Tals ein und hoffen, dass etwas passiert. Doch so leblos wie die Landschaft in der brütenden Hitze daliegt, so still scheint auch die Zeit zu stehen. Zunächst haben sie ohnehin keinen Blick für die Umgebung, denn sie sind mit sich selbst und den alten Konflikten und Missverständnissen um ihren Sohn Michael beschäftigt. Je länger sie sich jedoch auf dessen Programm einlassen, desto mehr verlieren sie ihre kühl-distanzierte Haltung.

 

Mit Isabelle Huppert und Gérard Dépardieu lässt Nicloux zwei Schauspieler aufeinandertreffen, die im Film nicht nur ihre realen Namen tragen, sondern auch Schauspieler darstellen. Vor 35 Jahren standen sie in Maurice Pialats „Loulou“ zuletzt gemeinsam vor der Kamera und treffen nun in einer der unwirtlichsten Landschaften Amerikas erneut aufeinander. Die Kamera von Christophe Offenstein folgt ihnen auf Schritt und Tritt und lässt sie in der Weite des Tals oft verloren wirken. Damit erhält der Film etwas Improvisiertes und wirkt wie ein Dokumentarfilm. Könnte es am Ende das Anliegen des Regisseurs gewesen sein, zwei renommierte Schauspieler des französischen Kinos in einer ihnen fremden Umgebung zu beobachten und zu sehen was kommt?

 

Nicloux spielt auf mehreren Ebenen mit dem Unerwarteten und dem Möglichen. Auf der Erzählebene wiederum könnte es die Idee des Sohnes gewesen sein, dass seine Eltern sich nach seinem Tod noch einmal begegnen. Der Film gibt keine Erklärung und läuft allen Erwartungen an einen stringenten Handlungsablauf zuwider. Gerade deshalb wirkt er noch lange nach.

 

 

Info:

Valley of Love / Tal der Liebe, Frankreich, 2015

Regie und Drehbuch: Guillaume Nicloux

Darsteller: Isabelle Huppert, Gerard Depardieu, Dan Warner, Aurelia Thierree

Kamera: Christophe Offenstein

Produzenten: Cyril Colbeau-Justin, Jean-Baptiste Dupont, Sylvie Pialat, Benoit Quainon

Musik: Charles Ives

Länge: 91 Minuten