Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. März 2016, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein Film aus Belgien, wo die Filmemacher in ähnlicher Leichtigkeit mit Tiefsinn Filme auf die Leinwand bringen, wo das Lachen anfängt und in der Erschütterung verebbt, die sofort in neues Lachen übergeht. Menschlich sind diese Filme und über diesen ist man erst einmal völlig verblüfft, ob seines Witzes und der Grundsatzkomik – und auf einmal vermißt man etwas.
Schwer zu beschreiben, was das ist, was man vermißt. Wüßte man es, hätte es der Regisseur, der Belgier Savina Dellicour, der auch das Drehbuch mitschrieb, wahrscheinlich selbst eingebaut. So soll mit dem Vermissen nur angedeutet werden, daß wir es mit einem fulminanten Anfang zu tun haben und einer grundsätzlich zugespitzten Situation, die die Verwirrungen und Verwicklungen in sich trägt. Also, schon als wir zu Beginn die ununterbrochenen Konflikte mit Mutter (Anne Coesens) und ihrer rebellischen Tochter Dorothy (Manon Capelle) mitbekommen, ahnen wir, daß da was im Busch ist. Denn niemand erschrickt ohne Leichen im Keller so tief, wenn die Tochter auf dem Dachboden alte Kleider entdeckt und anzieht mitsamt einer Perücke.
Die Spannungen zwischen Mutter und heranwachsender Tochter – sie ist 15 Jahre – kann auch der Vater nicht ausgleichen, mit dem sowieso etwas nicht stimmt, findet Dorothy. Nicht mit ihm persönlich, aber daß er ihr Vater ist, scheint merkwürdig, zumal die Mutter so seltsam auf Fragen oder Anspielungen reagiert. Inzwischen ist es schon so, daß jede Frage nach der Vergangenheit vermintes Gebiet ist. Nun sind die Sommerferien ausgebrochen und Dorothy hat zusammen mit ihrer Freundin viel Zeit, mit der sie nützliches anfangen will, zum Beispiel ihren Vater suchen.
Längst wissen wir, daß da ein anderer Mann ist, der typische Privatdetektiv, nicht so sehr amerikanischer - hard boiled – Schule, sondern ein Schluri, der bessere Tage gesehen hatte. Es ist Paul (Bouli Lanners), der den beiden Mädchen hinterherfotografiert was das Zeug hält und der, aha, derjenige ist, der der eigentliche Vater von Dorothy ist und auch von der Mutter verlangt, daß sie dies dem gemeinsamen Kind endlich sagen soll. Doch die sperrt sich und so beläßt er es erst einmal dabei, dem Mädchen hinterherzulaufen und es mit der Kamera einzufangen, meist – wie im Kino – aus seinem alten BMW. Mußt als alternder Mann ein tolles Gefühl sein, so eine rotzfreche liebenswürdige Göre auf einmal als Tochter zu haben.
Und da passiert es. Nein, Dorothy entdeckt nicht die Überwachung, sondern diesen Mann, der ihr irgendwie sympathisch ist und dessen Kärtchen, das er ihr beim zufälligen Kennenlernen zusteckt, ausweist, daß er Privatdetektiv ist – genau das, was sie braucht, um herauszubekommen, wer ihr Vater ist. Mit diesem Auftrag überrascht sie nun Paul. Und das ist als Grundkonstellation einfach so witzig, daß nun vieles wie von alleine im Film abläuft, was Spaß macht, weil der Zuschauer immer eine Spur mehr weiß, als die Protagonisten. Denkt er, der Zuschauer.
Das ist neben dem witzigen Plot die zweite Überraschung. Daß der Film überhaupt nicht auf vorhersehbaren Bahnen läuft, sondern Stolpersteine unsere ganzen Annahmen über den Haufen werfen und wir auf einmal viel weniger wissen als die Tochter, aber immer noch mehr als Paul. Dabei sollte der doch die Vatergeschichte klären. Was aber ungewollt geklärt wird, das ist, daß das ganze bürgerliche Gehabe der Mutter nur zudecken soll, daß sie es in der Jugend ganz schön getrieben hat und das die von der jungen Schauspielerin sehr einfühlsam und direkt gespielte Dorothy in diesem Sommer schneller erwachsen wird, als sie ahnen konnte.
Wie gesagt, der Film ist einfallsreich, witzig, gefühlvoll, lebensähnlich, sehr gut gespielt – es fehlt nur eine Prise von Wirwissenesauchnicht.