Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. April 2016, Teil 6

 

N.N.

 

Berlin (Weltexpresso) - „Von den Milongas auf die Bühnen der Welt“ heißt die Überschrift einer uns sehr interessierenden Abhandlung im Presseheft von EIN LETZTER TANGO über den Tango Argentino, den wir hier weitergeben. Die Redaktion

 

 

Tango erlebt in den letzten Jahren ein großes Revival, nicht nur in Argentinien, sondern weltweit. In Finnland, Italien, Frankreich, Russland, Japan, Türkei und den USA ist der Stil extrem präsent und wird regelmäßig von Hunderttausenden von Menschen getanzt. Auch in Deutschland gibt es abgesehen von den klassischen Tanzschulen über 100 reine Tangoschulen mit Tausenden Menschen, die dieser Begeisterung nachgehen.

 

Was ist das Faszinierende am Tango? Was suchen die Tänzer in der innigen Dramatik dieses Tanzstils? Ist es die Palette aller menschlichen Leidenschaften, die sich hier widerspiegelt? Die Hingabe an den Partner, ohne die eigene Individualität aufzugeben? Ist es die Sehnsucht nach einer Intensität der Gefühle, die das normale Leben oft nicht bietet? Oder ist es die stolze Haltung des Tanzes, die dem Leid des Lebens trotzt?

 

Entlang der bewegten Lebensgeschichte des berühmten Tanzpaares María Nieves und Juan Carlos Copes geht EIN LETZTER TANGO diesen Fragen nach, verfolgt parallel die Geschichte des Tango und zeigt, wie der „Tanz der armen Leute“ von Argentinien aus die Welt eroberte.

 

Der Beginn des Tangos wird auf das Ende des 19. Jahrhunderts datiert, wo am Río de la Plata, in den Großräumen Buenos Aires und Montevideo, aufgrund starker Migrationsbewegungen die verschiedensten Völker und Kulturen aufeinander trafen. Die musikalischen und tänzerischen Elemente, die zur Entstehung des Tango Argentino beigetragen haben, sind vielfältig: angefangen vom Candombe der Kreolen und Schwarzen und der Habanera aus Kuba über die polnische Mazurka und die böhmische Polka bis zum Walzer, Ländler und dem Akkordeon der deutschen Einwanderer. Bereits

sehr früh wurde der Tango in eher versteckten eigenen Veranstaltungshallen getanzt, da er der Obrigkeit zu exzessiv erschien und daher ein Dorn im Auge war – die Vorform der städtischen Milonga, die sowohl einen Tangostil als auch die Clubs bezeichnet, die den Tango um die Jahrhundertwende zu einem ersten Aufschwung führten.

 

Federführend waren von Anfang an die Tänzer: Die Damen wurden bis 1938 bei Tanzauftritten nicht einmal namentlich erwähnt. Als reines Beiwerk für die Kunst des Partners spielten sie eine untergeordnete Rolle.

 

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg gelang dem Tango der Sprung über den Atlantik in die Salons und Bars von Paris. Er avancierte im modischen Vorbild Europas zum erfolgreichen „Trend“ und verhalf einigen Tänzern und Orchestern zu Karrieren in der „Alten Welt“. Im Umkehrschluss verhalf ihm sein Erfolg in Europa in seinem Ursprungsland zu einem neuen Image: vom Ausdruck der Verarmung und Verkommenheit zum Tango De Salón.

 

Einige Jahre später veränderte eine neue Generation von Musikern, die Guardia Nueva den Tango mit ihrer Professionalität und technischer sowie künstlerischer Virtuosität. Stilbildende Tänzer wie José Giambuzzi, Bernardo Undarz und die Tango-Pionierin Carmen Calderón wurden Gastgeber ihrer eigenen Milonga und gründeten eigene Tanzschulen.

 

Die Zeit zwischen 1935 und 1955 wird als das Goldene Zeitalter des Tangos bezeichnet. Der Zweite Weltkrieg brachte Argentinien unter der Regierung von Juan Perón einen Aufschwung, und die Menschen hatten ausreichend Geld, um sich am Wochenende zu vergnügen. Tangosendungen waren fester Bestandteil des Radioprogramms, und die Tangoveranstaltungen und -ensembles wuchsen. Die Musik von Orchesterchefs wie Carlos di Sarli, Aníbal Troilo und Osvaldo Pugliese war auf höchstem Niveau, und die Stücke sowie Tanzschritte dieser Zeit sind auch heute noch Basis jeder Milonga.

 

Anfang der 1950er Jahre wurden wie überall in der westlichen Welt andere Musikstile wie Rock'n'Roll, Beat und Rock populär, was den Tango ins Abseits beförderte und eher für intellektuelle Schichten interessant machte. Astor Piazzolla, von Jazz und Klassik beeinflusst, erweiterte sein Orchester um Schlagzeug und E-Gitarre, polarisierte damit die Traditionalisten und schuf mit dem Tango Nuevo eine neue, künstlerisch ambitionierte und eher avantgardistische Form des Tango. Wie viele seiner Landsleute floh er in der Militärdiktatur der 1970er Jahre nach Europa, wo sich sein Stil in der Trauer des Exils vertiefte. Sein neuer konzertanter Tango, den er unter anderem in Zusammenarbeit mit

María Nieves und Juan Carlos Copes auf die Bühne brachte, weckte neues Interesse für den Tanz – zuerst in Europa und ab Mitte der 1980er Jahre erneut in Argentinien.

 

Bis heute ist Tango kulturelles Alleinstellungsmerkmal und wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Land – und wie zu Beginn seiner Geschichte kontinuierlich im Austausch mit anderen Künsten und Einflüssen. Beispielsweise beschäftigten sich internationale Filmemacher mit seiner Ausdruckskraft, unter ihnen Bernardo Bertolucci („Der letzte Tango in Paris“, 1972), Fernando E. Solanas („Der Süden“, 1985), Sally Potter („Tango-Fieber“, 1997), Carlos Saura („Tango“, 1998), Robert Duvall („Assassination Tango“, 2002) und Arne Birkenstock („12 Tangos“, 2005).