Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Mai 2016, Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ein ausgesprochenes Mängelexemplar wurde unsere auf ewig verschwundene Filmkritik über MÄNGELEXEMPLAR, denn wir hatten sie ob der Widersprüche des Films besonders ausführlich gestaltet, aber nicht richtig gespeichert und nun wissen wir, was passiert, wenn eine Datei 'keine Rückmeldung' meldet. Für ewig dahin.



Also, wir setzten an bei der rasanten Hauptdarstellerin, die die Filmkaro verkörpert und wahrlich deren Verkörperung ist, so hibbelig, so spontan, so exzentrisch, so verspielt, so auftrumpfend, so überzogen, so demütig und so unsicher ist Claudia Eisinger in ihrer Debütrolle. Nur ihr, so denkt man ab irgendwann, sieht man nach, daß sie ein verwöhnt/hilfloses Kind ist, als das sie sich übrigens selber sieht. Denn längst hat sie erkannt, was die Umwelt ihr auch als Spiegel vorhält. Ihre Probleme schafft sie nicht nur selbst, schlimmer, sie ist selbst das Problem, das also durch jegliche Vorkommnisse dann potenziert wird, also zum Problembündel wird.

Das ist gekoppelt mit dem  Wahn, dazugehören zu wollen, lieb gehabt zu werden. Sie will mitmischen, ernst genommen werden und eine besondere Rolle spielen, dazu gehört auch die Eventagentur, in der sie beschäftigt ist, typisch!, und  auch ihr Freund, schließlich braucht man schon einen zum Vorzeigen. Zuerst geht es mit der Arbeitsstelle schief, sie wird entlassen, baut darauf aber einen Überbau von exzessiver Psychotherapie, was ihrem Freund Philipp (Christoph Letkowski) so auf die Nerven geht, daß er sich für immer verabschiedet. Das ist zu viel: Job weg,  Beziehung vorbei, was bleibt noch?

Eigentlich bleibt man ja selber, aber das Problem der Karo ist ja, daß sie kein Erwachsenenich hat und noch immer auf der Ebene des Kindes mit allen Ansprüchen an alles  und alle– ja, ich will alles und zwar sofort – agiert. Doch, da passiert etwas mit ihr und wir sind gleich anfangs Zeuge, wohin die Reise geht, in einer raffinierten Aufnahme, wenn eine Mutter auf einer Brücke stehend, sich ihr Kind vom Busen reißt und es hinunter in die Fluten gleiten läßt. Kindsmord. Eine schöne bildliche Metapher für das,  was Karo als nötig ansieht, sich endlich ihres inneren Kindes zu entledigen.

Wir sind in der Welt der jungen Dinger, die alles vom Leben erwarten, nicht so zu Hause, aber es muß wohl einen Nerv einer bestimmten Klientel getroffen haben, denn der Film von Laura Lackmann folgt dem gleichnamigen Bestseller der Journalistin und  Fernsehmoderatorin Sarah Kuttner. Die erfahrene Regisseurin hat verläßliche Mitspieler versammelt, wobei sehr wohltuend Katja Riemann – gegen ihre sonstigen Rollen – eine äußerst pragmatische Mutter auf sehr zurückgenommene Weise spielt. Maren Kroymann ist als Psychotherapeutin fast zu ideal besetzt und die fürsorgliche Oma kommt  mit Barbara Schöne auch sympathisch ins Bild. Daß Schwester Anna (Laura Tonke) der Schwester in ihrer Selbstherrlichkeit genauso wenig folgt wie in ihren Niedergeschlagenheiten, versteht jeder, der Schwestern hat.

 

Foto: links Katja Riemann als Mutter und rechts Claudia Eisinger als Tochter Karo

Anders sieht es dagegen aus mit Max (Maximilian Meyer-Brettschneider). Da bahnt sich etwas an und der nächste Mann steht nicht nur vor der Tür, sondern fällt mit dieser ins Haus. Doch da sind wir unserer Zeit voraus, denn erst muß Karo ja erwachsen werden, will sagen, zu sich selbst kommen. Und wie schwierig das ist, aber daß es zu bewältigen ist, zeigt dieser Film.