Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Mai 2016, Teil 9
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Doch, sicherlich hat das Anlaufen dieses Films letzten Donnerstag zeitlich und inhaltlich etwas mit Pfingsten zu tun, weshalb wir am Pfingstmontag darauf eingehen. Pfingsten gehört mit der Entsendung des Heiligen Geistes zu den großen christlichen Festen.
Sie wissen noch? Es geht um die Apostelgeschichte, dernach im Neuen Testament am 50. Tag nach dem Kreuzigungstod von Jesus Christus alle Apostel in Jerusalem versammelt waren und der Heilige Geist über sie kam und als eine besondere Gemeinschaft vereinte. Sie sollten in die Welt hinausziehen und die Lehre des Christus verbreiten, was geschah. Obwohl auch dies reichlich mysteriös ist, wenn man dies geschichtlich verifizieren will, so gehört Pfingsten doch zum festen Glaubensgerüst, ja dient als Gründungsfundament der auf christlicher Lehre beruhenden Kirchen.
Aber einen jungen Messias, wo gibt es den in den Schriften des Christentums? Überhaupt nicht, muß man deutlich dazu sagen. Er wird in Bethlehem geboren, viel später als Erwachsener vom Vorläufer, dem letzten Juden vor Jesus Christus, Johannes dem Täufer, im Jordan getauft, aber da ist er historisch greifbar, zieht mit den Aposteln durchs Land, macht hier und dort ein Wunder und erleidet nach der Passionsgeschichte den Kreuzestod. Über einen jungen Messias ist nirgends etwas bekannt.
Und das kann auch gut sein, denn hier geht es in einem Film über den jungen Jesus nicht darum, daß etwas interpretiert und zwischen Wahrheit und Fiktion geschieden werden muß, sondern man kann den ganzen Film als reine Erfindung ansehen oder auch als Märchenerzählung, so daß sich daraus ganz andere Einschätzungen ergeben, als würde man beckmessern und herausfiltern, was der christlichen Wahrheit entspräche.
Also nochmal, reines Märchen und deshalb empfanden wir den Film auch nicht als so daneben, wie viele andere, die damit hadern, wie hier einfach aus späteren Wundern auf die frühkindliche Wirkungsweise des Jesus geschlußfolgert wird. Also vom Späteren aufs Frühere vorgezogen. Und das bedeutet dann, daß der siebenjährige Jesus hier als – kunstgeschichtlich/geschichtlich – Vorläufer des erwachsenen Gottessohnes fungiert.
Warum man das tut? Natürlich, weil man sicher ist, damit eine bestimmte Klientel ins Kino zu ziehen. Es sind rein marktstrategische Gründe, warum dieser Film – und warum in Deutschland zu Pfingsten – in die Kinos kommt.
Es kommt noch etwas dazu. Denn das Thema fällt nicht vom Himmel. Es gibt eine bekannte amerikanische Autorin, Anne Rice, die selbst mit Aplomb zum Katholizismus konvertierte – wenn schon christlich, dann gleich katholisch – und die mit CHRIST THE LORD:OUT OF EGYPT im Jahr 2005 einen Bestseller startete, der nun die Vorlage für dieses Drehbuch ist. Natürlich ist da was Dramatisches herauszuholen, wenn die kleine Familie, nachdem sie vor Herodes und dem Kindermord nach Ägypten geflohen war, nun nach sicheren Jahren im Exil nach Hause nach Galiläa zurückkehrt.
Wir sehen also eine Heimkehrergeschichte, in der man durchaus heutige Flüchtlingsströme und Flüchtlingsschicksale wiedererkennen kann. Aber dann läuft es doch von Anfang an bei den Wundern ganz schön ins Kitschige. Wir sehen die Rauferei der Buben– natürlich zwischen Arabern und den Juden – und den plötzlichen Tod des einen jungen Burschen sowie die heftige Bitte per Blicken von Mutter Maria an ihren Sohn, sich doch des Toten anzunehmen, was der brave Junge tut und so der Tote wieder lebendig wird.
Glaube versetzt ja Berge und wir maßen uns nicht an, zwischen den Wundern zu differenzieren, welche wahrscheinlicher oder wichtiger wären als andere. Und finden sowieso das in Rückblende gezeigte erste Wunder viel wunderlicher, als nämlich ein toter Vogel zu einem lebendigen kleinen Kerl wird.
Wir befinden uns im Märchen oder auch Fantasyland und da ist für uns alles erlaubt, wenn es gefällt. Ach so, der siebenjährige Jesus? Den verkörpert so richtig niedlich und hübsch sanft mit langen Haaren anzuschauen Adam Greaves-Neal, wobei wir doch lachen mußten, daß ausgerechnet ein Adam den jungen Jesus darstellt.
Es lohnt nicht, die einzelnen Stationen nachzuerzählen, denn entweder mag man so was oder nicht, womit wir wieder am Anfang wären. Man sollte aber noch darauf hinweisen, daß von Jesus angefangen, die christliche Ikonographie genutzt wurde, also die Bildtraditionen in der Kunst. Schließlich ist die westliche Kunst aus der Kirchenkunst hervorgegangen, die nicht als Kunst galt, sondern Kult.
Vergleicht man dieses unbiblischen Bibelfilm mit anderen, so fällt auf, daß das herkömmliche Pathos verschwunden ist. Da wird der Himmel mit seinen Wetterzeichen zwar auch noch als Ausdruck göttlichen Willens interpretiert, aber das Triefende, das Pathetische eben, die Überhöhungen und Steife, was eigentlich alle Bibelfilme ausmacht, es fehlt hier gänzlich. Und es kommt dafür etwas anderes hinzu: Humor! Das ist tatsächlich etwas ganz Neues für Bibelfilme und zeigt, daß diese Filme nicht von den Superchristen gemacht werden, sondern von den erwähnten Marktstrategen, die wissen, wie man heutzutage auch als Siebenjähriger auftreten muß, um anerkannt zu werden: cool nämlich. Und so sind es Kleinigkeit, die dann doch das Filmklima bestimmen. Wenn beispielsweise das erwähnte Wetter durchdreht und der kleine Jesus mit entschuldigender Geste trotzig sagt: „Ich war das nicht!“ Da lacht man eben.
Geschichtlich kann man durchaus lernen, denn die harte römische Besatzungsmacht wird so gezeigt, wie sie war, eben imperialistisch und brutal. Daß genau mit solchen Methoden dann die christliche Lehre, insbesondere in Lateinamerika durchgesetzt wurde, ist nicht Thema dieses Films, sollte aber nicht vergessen werden. Daß es zudem das Böse in der Welt gibt, wie dieser Film mit einem Dämonen vorführt, das erinnert dann doch daran, wie unglaublich amerikanisch dieser Film ist, wo ja auch ein amerikanischer Präsident das Böse in Gestalt des irakischen Diktators ausmachte, was bis heute böse Folgen für die Welt hat. Doch diesen Film gibt es nicht. Vielleicht in 2000 Jahren.
Foto: Das Filmfoto zeigt sehr deutlich die Anlehnung an die erwähnte christliche Ikonographie der Heiligen Familie