Regisseurin und Produzentin Claudia von Alemann ist am 26. Juni im Cinema Frankfurt, Sonntag 16.45 Uhr, um ihren Film über Abisag Tüllmann vorzustellen
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es ist das Essay-Portrait einer Freundin, sagt die Filmemacherin Claudia von Alemann über ihren Film über die Fotografin Abisag Tüllmann; über den Film hatte Weltexpresso mehrfach berichtet. Von Alemann ist seit dem 23. Juni auf Kinotour, um DIE FRAU MIT DER KAMERA persönlich zu präsentieren und mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen: in Frankfurt am 26. Juni. Die Redaktion
In ihrem Filmessay portraitiert die Regisseurin Claudia von Alemann die 1996 mit nur 61 Jahren verstorbene Fotografin Abisag Tüllmann. Zugleich erzählt die Regisseurin von sich selbst und von einer langjährigen Freundschaft, die die beiden Frauen verband.
Abisag Tüllmann wurde 1935 in Hagen geboren und war in den 1960er Jahren in Frankfurt am Main als Dokumentarfotografin aktiv. Sie hielt die bewegten Jahre der Hausbesetzungen und Studentenaufstände fest, publizierte ihre ausschließlich in Schwarzweiß gehaltenen Fotografien in Tageszeitungen und Magazinen wie „Stern“ oder „Spiegel“.
Immer behielt sie die Gestrandeten und die am Rand der Gesellschaft lebenden Menschen im Blick und verlieh ihnen in ihren Fotoreportagen eine besondere Würde. Auf leisen Sohlen, eher unauffällig, näherte sie sich ihren Objekten. Sie war eine stille Fotografin, die den Augenblick in seiner Bewegung einzufangen verstand. So zeigen ihre Portraits bedeutender Persönlichkeiten jener Zeit wie Daniel Cohn-Bendit, Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno, zuweilen Unschärfen und wirken deshalb nie gestellt oder inszeniert. Wie aus dem Moment gegriffen zeigen sie die Person, wenn sie ganz bei sich selber ist. Später war Tüllmann als Theaterfotografin in Stuttgart, Bochum, Wien, Berlin und an den Frankfurter Bühnen tätig.
Nachdem sie sich 1965 kennengelernt hatten, gingen die beiden Frauen bald wieder eigene Wege. Claudia von Alemann studierte am Institut für Filmgestaltung der HFG Ulm. 1968 drehte sie in Paris ihren ersten Dokumentarfilm „Ce n‘est qu‘un début“ über die Studentenrevolten. Abisag Tüllmann hielt in dieser Zeit parallel in Frankfurt mit ihrer Fotokamera Zeitgeschichte fest. 1978 kam schließlich mit dem Spielfilm „Le voyage à Lyon“ eine Zusammenarbeit zustande. Abisag Tüllmann machte hierfür die Standfotografien. Die erzählte Geschichte einer jungen Historikerin, die in Lyon über die Feministin Flora Tristan recherchiert, wird zu einer subtilen Spurensuche, die sich aus einzelnen Szenen ähnlich den Facetten eines Portraits zusammensetzt.
Vergleichbar ist die Vorgehensweise Alemanns in ihrem jetzigen Portrait der Freundin, das sich postum, vom Ende her, erschließt. In den ersten Bildern führt uns die Kamera in die Wohnung der Verstorbenen und läßt uns einen Blick in eine Umgebung werfen, die jedem Intellektuellen vertraut sein dürfte. Eine kalte Wintersonne scheint auf ein Interieur, das durch Bücherregale geprägt ist und immer wieder akzentuiert wird von antiken Möbelstücken und wohnlichen Leseecken. Die Regale sind nicht allein mit Büchern gefüllt, sondern vor allem mit vielen Filmrollen und Fotokästen.
So lebte die Fotografin umgeben von ihrem Werk und, man möchte fast sagen, sie ging ganz auf in ihrem Werk. Barbara Klemm berichtet als Kollegin und Zeitzeugin von der gemeinsamen Arbeit in Frankfurt. Freunde aus Paris und Stuttgart kommen in Interviews zu Wort, während sie sich bereits des Nachlasses annehmen. In scheinbar unabhängig voneinander montierten Bildsequenzen und im Wechsel zwischen Schwarzweiß und Farbe zeichnet Claudia von Alemann ein poetisches Portrait ihrer Freundin. Beide trafen sich nicht nur in einem ähnlich gelagerten Werk, hier die Filmemacherin, da die Fotografin. Sie dokumentierten beide eine bewegte Epoche in den 1960er Jahren und waren aktiv beteiligt an der damals beginnenden Frauenbewegung, um sich später in absolut „männlichen“ Domainen wie dem Film oder der Pressefotografie zu behaupten und darin ihre jeweils eigene Bildsprache zu finden.
Info:
Die Frau mit der Kamera, Deutschland, 2015
Dokumentarfilm
Regie und Drehbuch: Claudia von Alemann
Kamera: Rolf Coulanges, Verena Vargas Koch, Peter Zach
Musik: José Luis de Delás, Bernd Keul
Produktion: Alemann Filmproduktion, Claudia von Alemann
Länge: 92 Minuten