Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. August 2016, Teil 11

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Thriller  DAS BOURNE VERMÄCHTNIS aus dem Verlag Wilhelm Heyne, mit übergroßen Lettern ROBERT LUDLUM auf dem Titel, sehr klein Eric van Lustbader und mittelgroß darunter DAS BOURNE VERMÄCHTNIS ist  eine auf 703 Seiten spannend ausgebreitete Agentengeschichte um diesen amerikanischen Linguistikprofessor David Webb, den die böse Welt immer wieder zu Jason Bourne macht.


Das erleben wir in diesem Roman, der gekonnt die bisherigen Wurzeln der Webb/Bourne Identität weiterspinnt, sozusagen auf jeder Seite, daß der Held der Geschichte ein Getriebener ist, der sich in einer internationalen Welt, wo alle gegen ihn sind, behaupten muß, was nicht nur immense Kraftanstrengungen nötig macht, sondern auch Köpfchen – und das Quantum Glück, sprich Dusel haben, ohne den er schon auf Seite 38 tot gewesen und der Thriller zu Ende gewesen wäre, einschließlich aller weiteren Folgen bis Nummer 12 ENIGMA, was alles nie geschrieben worden wäre.

Also geht es weiter, aber bis Seite 38 ist schon – wieder muß man sagen, einfach gekonnt! - die nun folgende Geschichte vorinszeniert, die zwei Stränge hat. In einem Prolog staunt man erst mal, daß man in Tschetschenien ist, wo die russische Okkupation bekämpft wird. Allerdings schaltet innerhalb der Rebellen Hassan Arensow den eigentlichen Rebellenführer aus, damit er selbst an die Spitze gelangt, wobei ihm der Scheich genannte Stepan Balko, der eigentliche Urböse und einer der Widersacher von Webb/Bourne, entscheidend hilft. Er benutzt diesen Tschetschenen aber nur als Schachfigur, der ihm nun dazu verhilft, den in Reykjavik stattfindenden politischen Umweltgipfel zum Supergau für die Weltpolitik zu machen. Mit Hilfe biologischer Waffen sollen der amerikanische und russische Präsident, aber auch weitere politische Würdenträger ermordet werden. Und einen Schuldigen hat Stepan Balko auch in petto: Jason Bourne.

Der zweite Strang ist die Lebensgeschichte von Webb/Bourne, die für den Neuleser auf den Seiten ab 29 zusammengefaßt wird, aber nicht belehrend, sondern – wieder: sehr geschickt gemacht – als Reflexion im Hirn und Gemüt des Professor Webb, der gerade, also noch vor dem Schuß auf Seite 38 einen körperlichen Konflikt mit kriminellen Studenten ausgetragen hatte, wo in ihm, dem friedlichen Professor, sein alter ego Jason Bourne zum Vorschein kam, obwohl er mit Hilfe der Psychotherapie schon so viel versucht hatte, seine Kampf- und Killer-Vergangenheit aufzuarbeiten, zu tilgen.

„Letztlich war er eine gespaltene Persönlichkeit geworden: David Webb, der Linguistikprofessor, mit einer neuen Frau und abermals zwei Kindern (seine erste Familie wurde in Kambodscha umgebracht) C.S.) , und Jason Bourne, der von Alex Conklin (dem Direktor der CIA C.S.) zu einem erstklassigen Spion ausgebildete Geheimagent. In Krisensituationen hatte Conklin manchmal auf Bournes Talente zurückgegriffen, und Webb hatte widerstrebend seine Pflicht getan. Aber in Wirklichkeit hatte Webb seine Bourne-Persönlichkeit kaum unter Kontrolle...“ Gottseidank, sagt der Leser ständig vor sich hin, wenn er weiterliest, denn nur die Killerinstinkte von Bourne retten diesen Webb.

Und nun kommt ein genialer Einfall, wie die Stränge ineinandergeflochten werden und Webb hinter Bourne verschwindet. Die Vaterfigur Conklin, der längst pensioniert ist, wird mit einem anderen Vertrauten umgebracht und Webb die Schuld in die Schuhe geschoben. Inszeniert hat das Stepan Spalko, der derzeit in Budapest residiert, wo die meisten Szenen dann spielen, aber besonders gerne greift der korrupte widerliche derzeitige CIA-Direktor und andere CIA-Chargen diese Situation zur Verfolgung, ach was, zur Ermordung von Webb/Bourne auf.

Und so kommt es zu einer irren Interessenkollision: auf einmal muß der Hauptfeind Spalko sogar seine Hand schützend über Bourne legen, denn er braucht ihn ja noch als Schuldigen für den Anschlag in Reykjavik. Aber der CIA wird nun derjenige sein, der die Auslöschung von Bourne weltweit betreibt. Weltweit deshalb, weil wir ständig unterwegs sind, erst geht es nach Paris, spannend dann, wie Bourne nach Budapest entkommt, aber da ist längst nicht Schluß. Kreta gibt es auch und mehr wollen wir jetzt nicht verraten.

Denn das Wichtigste ist noch nicht gesagt worden. Der verhinderte Attentäter auf Bourne von Seite 38, ein gewisser Chan, der im Auftrag von Spalko handelt, ist die interessanteste Figur im ganzen Roman und mit ihr gelangt Bourne an die Wurzeln seiner ersten Familie. Eine tolle Geschichte, die noch interessanter wird als das von Bourne verhinderte Attentat auf die Großen der Welt. Aber die Geschichte um Chan  kann man einfach nicht verraten.

Widersinniges gibt es auch. Dieser Chan wird als Mörder auf Webb von Spalko angesetzt. Aus inneren Beweggründen wird dieser Chan jedoch den Mord nicht vollziehen. Aber in der Geschichte selbst wird auf einmal Spalko verantwortlich gemacht dafür, daß Bourne noch lebt. Er schützt ihn und befiehlt dies auch Chan. Über den Sinneswandel wird aber nichts erzählt. Das ist eine eklatante Fehlkonstruktion in der Geschichte, von der es noch einige kleinere Beispiele gibt. Wir vermuten, daß die Leser im Spannungsgeschehen darüber weglesen. Denn spannend ist es.

Alles in allem, ein solider Thriller, den man gebannt liest. Allerdings entwickelt man zu den Personen nicht die Empathie, die ein John le Carré beispielsweise erreicht. Und die entscheidende Frage: Wieviel Ludlum in diesem Lustbader ist, das können wir erst beurteilen, wenn wir die ersten drei Bände auch gelesen haben. Fortsetzung folgt also. Irgendwann.



Info:

Robert Ludlum, Eric Van Lustbader, Das Bourne Vermächtnis, Heyne Verlag

Das Bourne Vermächtnis, DVD, Universal, von Tony Gilroy, mit Jeremy Renner, Rachel Weisz, Albert Finnay u.a.