Ein toller Abend mit Bernd Michael Lade im Kino des Deutschen Filmmuseums Frankfurt, Teil 3/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ulrich Sonnenschein, hr und epd-Film, stellte den Ostberliner Schauspieler, Regisseur und Musiker (Punkbands) vor, der im übrigen nicht aufgefordert werden muß, über seine Arbeit auch Worte zu verlieren.Hochmotiviert freute er sich über die gute Besetzung im Saal zu durchaus später Stunde und bekannte: „Ich habe diesen Film nicht für die DDR, ich habe ihn für Westler gemacht.“



Auch deshalb, weil er bei den bisherigen DDR-Filmen eine Leerstelle empfand: „Ich fand immer, daß es zwar versucht wurde,...aber dieser ständige Stab im Arsch, dieses gestelzte Gerede ...wurde nie richtig beleuchtet.“ Lade zitierte hier Nina Hagen – von der man eh viel zu wenig hört -, die damals sagte: „Der Dreck muß weg“, eben eine breite gesellschaftliche Aufarbeitung: gegen die Mauer, der antifaschistischer Schutzwall genannt wurde.

Daß der ganze Film in zwei Wochen abgedreht wurde, mag man nicht glauben, aber, was im Film als Intensität auftritt, hatte mit der Entscheidung zu tun, die Ermittlungsarbeit nicht wie in herkömmlichen Krimis an Tatorten zu zeigen, sondern nur innerhalb der Räumlichkeiten des Kommissariats. Also spielt sich alles in dem Gruppenraum und dem Verhörzimmer ab, woher eben dieser klaustrophobische Eindruck rührt, der beim Zuschauer als spannend ankommt, weil sich alles um die Binnendynamik dieser Menschen sowie des Umgangs mit dem Täter dreht und von dieser nicht abgelenkt wird.

Die besondere Stimmung, die sich uns einprägt, hat auch mit dem Licht und den Farben zu tun. Er bezog sich auf seine Begeisterung über den Film NIRGENDWO IN AFRIKA. Es sollte in seinem Film Chicagoer Licht herrschen, die schwarze Seele herauskommen und das Sepiabraun immer an etwas Vergangenes rühren, aber auch daran, daß irgendetwas nicht stimmt. Nein, man kann die DDR nicht mit den Nazis vergleichen, aber die Grundstrukturen der Bevormundung galten weiter. Und Geständnis heißt sein Film auch deshalb, weil in jeder Phase des Films jemand etwas gesteht.

Auf die Frage aus dem Publikum, wo denn angesichts dieser sieben Männer der Kommission die Frauen geblieben seien und ob die DDR solch ein Männerland gewesen sei, wo man selbst doch aus der Erfahrung von damals wüßte, daß in den Betrieben in der Regel eine Frau Stellvertreter sein mußte, trat erst einmal Schweigen ein. Tatsächlich ist diese Filmkommission ein solcher Männerverbund, daß man sich in dieser Gruppe, d.h. diesem Film gar keine Kommissarin hätte vorstellen können, die doch heute im Fernsehen beispielsweise längst den Ton angeben.

Das sei richtig, beschied Bernd Michael Lade, die DDR sei ein Männerverein gewesen. Bei Frauen habe es sich eher um eine Art verordneter Emanzipation gehandelt. Solche Frauen wie Hilde Benjamin (Justizministerin der DDR und Vorsitzende Richterin in vielen politischen Schauprozessen der 50er Jahre und verheiratet mit Georg Benjamin, dem Bruder von Walter Benjamin. C. S.) hätten dann gleich als militant gegolten, seien aber vereinzelt gewesen. Frauen und Männer hätten je an ihren Platz gehört.


Zu Beginn hatte der Moderator gegen seine sonstigen Gewohnheiten den Gast nach seiner Tatortkarriere befragt. Wie immer bedeutet das Ende von etwas auch den Beginn von Neuem, was ohne das Ende des Alten nicht möglich gewesen wäre, antwortete Bernd Michael Lade. Insofern begrüßte er auch den Wechsel, gab aber zu, wie schwer ihm der Abschied vom Tatortkommissar nach so vielen Jahren gefallen war, was im Nachhinein eben auch eine verläßliche Einnahmequelle war. Die Situation der Schauspieler sei nämlich für die Masse eine sehr unsichere, weshalb er sich auch nach anderen Einnahmequellen umgesehen habe.

Als Kriminaler war Lades auch sofort ein Erfolg im Film, in Detlev Bucks KARNIGGELS 1991, wo er den in Ausbildung befindlichen Dorfpolizisten Horst Köpper, genannt Köppe, mimte, eine skurrile angenehme Filmkomödie. Theater spielt er auch, das Maxim-Gorki-Theater in Berlin ist seine Stätte und dessen Probebühne wurde auch für die 14tägigen Dreharbeiten zu DAS GESTÄNDNIS genutzt. Lade fühlt sich für diesen Film auch deshalb allein verantwortlich, weil ein Kammerspiel wie hier gezeigt, einfach von den Anweisungen des Regisseurs lebt, aus der Komposition heraus lebt, die sich nicht auf große Ausstattung oder auf  tolle Landschaftsaufnahmen rausreden kann.  Da er sowieso den anschließenden Schnitt nach den Drehaufnahmen als seine große Schwäche ansieht, hat er sich als Maxime gewählt: als Team denken.

Er wollte eine Parteisatire drehen (und hat!) , die ein Sittenbild der DDR ausweist - „wie von Zille – das zeigt: Wie sah die DDR wirklich aus? Komisch, absurd, satirisch.“ Insbesondere der vorauseilende Gehorsam hat es im angetan und die double bind Situation, in die die Filmprotagonisten geraten. Seiner Aufforderung „Den Film muß man mehrmals sehen...“ , kommen wir persönlich gerne nach, wenn sein Verleih Aries Images ihn in Pressevorführungen zeigt, denn der Film soll schon am 15. September anlaufen. Da wird es Zeit!

Später können wir seine Einschätzung zum eigenen Film auch noch nachlesen.
Da sagt er: „Das Geständnis“ war von vornherein so konzipiert, dass sich der Film ganz auf das Schauspiel konzentrieren sollte. Wir haben auf Beiwerk und Ablenkung verzichtet,  was - so glaube ich – sehr geholfen hat, die Spannung unter der Oberfläche sichtbar und spürbar zu machen.

Genau diese Atmosphäre ist für mich charakteristisch für die DDR in ihren letzten Tagen.
Insofern glaube ich, dass der Film trotz seiner fast schon klaustrophobischen
Kammerspielhaftigkeit – oder eben gerade deshalb – ein ganz besonderes Stück Authentizität transportiert, das über das gern gezeigte Tapetenmuster hinausgeht.
 
Der Film zeigt nicht, wie „DDR“ in meiner Erinnerung aussieht, sondern, wie sich „DDR“ in
meiner Erinnerung anfühlt.“

In diesem Sinne hat er sich auch den ganzen Abend über geäußert, der mit großem Beifall für den Schauspielerregisseur endete. Zuvor war ein kurzer Moment des Schweigens eingetreten, als Moderator Ulrich Sonnenschein zum Abschluß wissen wollte: „Gab es einen Moment der Erfahrung, den man nur in der DDR machen konnte?“ „Doch“, kam die Antwort von Lades dann sehr entschieden: „Trotz und der Zusammenhalt“. Das versteht auch ein Westler, ein Wessi, auf Anhieb, wenn er diesen Film gesehen hat.


Fotos: © Filmverleih


Info:

DAS GESTÄNDNIS

Ein Film von und mit Bernd Michael Lade
nach dem Buch von C. Curd
Welturaufführung Internationale Hofer Filmtage 2015
D 2015, 112 Minuten, Farbe, Dolby 5.1, DCP und BluRay,
Aries Images, Kinostart 15.09.16


DARSTELLER

Micha               Bernd Michael Lade
Klaus            Ralf Lindermann
Günther        Martin Neuhaus
Gerd            Thomas Schuch
Heinz             Jörg Simmat
Parteisekretär        Torsten Spohn
Dieter             Thomas Stecher
Lothar             Steffen Steglich
Prof. Brauner          Wilhelm Eilers
u.a.