Serie: FILMKLASSIKER wiedergesehen, Teil 2

Claus Wecker

Wiesbaden (Weltexpresso) - Über die Komödien von Ernst Lubitsch und Billy Wilder lachen wir noch heute, zu Recht werden sie hochgeschätzt. Vielen dürfte auch bekannt sein, dass beide Filmemacher schon zu Stummfilmzeiten in Berlin aktiv waren. Lubitsch folgte bereits 1922 dem Ruf Hollywoods, und Wilder brachte sich in den Dreißigern, gerade noch rechtzeitig, vor den Nazis in Sicherheit.

Nun ist hin und wieder zu lesen, sie hätten als jüdische Emigranten den Humor nach Amerika mitgenommen, es habe im Dritten Reich keine guten Komödien gegeben. Das ist leider falsch.

Es gibt eine ganze Reihe von gelungenen deutschen (und österreichischen) Komödien aus dieser Zeit, die in Vergessenheit zu geraten drohen. Ablenkungsfilme nennen die Experten sie heute, weil sie von der NS-Politik und den dramatischem Kriegsereignissen ablenken sollten. Ein verdammt gut gelungener ist NAPOLEON IST AN ALLEM SCHULD von und mit Curt Goetz aus dem Jahr 1938. Zu dieser Zeit blickte der 1888 im Mainz geborene Goetz schon auf rund ein Dutzend selbst verfasster Theaterstücke zurück und auf doppelt so viele Filme, in denen er mitgespielt und/oder an deren Drehbuch er mitgearbeitet hatte. Der Theatermann Goetz übernahm nach dem Stummfilm FRIEDRICH SCHILLER – EINE DICHTERJUGEND erst zum zweiten Mal eine Filmregie und zum ersten Mal bei einem Tonfilm.


Anklänge ans Boulevardtheater waren also nur folgerichtig. Doch nicht zwangsläufig ist der Schwung, mit dem Goetz diese boulevardeske Komödie auf die Leinwand brachte. Sein Lord Arthur Cavershoot ist ein überspannter Engländer, mehr Napoleon-Bewunderer als seriöser Forscher, hält er sich doch bisweilen für eine Reinkarnation seines Idols. Englische Spleens und deutsches Expertentum nimmt Goetz als Lord und Regisseur gleichermaßen aufs Korn. Ihm zur Seite steht als hobbyloser Widerpart Lord Cunningham, gespielt von einem unterkühlten Paul Henckels, der sich mit Goetz amüsante Dialog-Gefechte liefert. Beide verehren Josephine (Valérie von Martens), die jedoch Arthur vorgezogen hatte und Lady Cavershoot geworden ist. Josephine hat auch ein Hobby, sie ist eine leidenschaftliche Anglerin. Das halten die Herren wiederum für einen ausgemachten Stumpfsinn, während Josephine den Napoleon-Tick ihres Gatten mit Humor hinnimmt.


Lord Cavershott reist nach Paris zu einem Napoleon-Kongress, wo die Frage geklärt werden soll, ob Napoleons Ausspruch „Voilà, un homme!“, der Goethe galt, mit „Voilà, ein Mann!“ oder „Voilà, ein Mensch!“ zu übersetzen sei. Das Abendprogramm, in dem die bezaubernde Kirsten Heiberg mit dem Lied „Warum hat der Napoleon“ in bester Musical-Manier auftritt, gerät außer Kontrolle. Das Ergebnis ist ein Zeitungsbericht, der den Titel trägt „Lord Cavershoot zeigt seiner reizenden Tochter das Pariser Nachtleben“. Josephine zitiert Ehemann und „Tochter“ nach England und verbündet sich sogleich mit der reizenden Madeleine, genannt Pünktchen (Else vom Möllendorff), um ihrem Mann wegen seiner „Affäre“, die natürlich keine war, ein hübsches kleines Waterloo zu bereiten. Merke: Ein schuldbewusster Mann ist Wachs in den Händen einer Frau, die ihm keine Vorwürfe macht.


Der Film spielt in einer Vorkriegswelt, die scheinbar noch in Ordnung ist. Seine spielerische Eleganz lässt an amerikanische Vorbilder denken und steht im krassen Gegensatz zu dem oft quälenden Realismus gegenwärtiger Dramen. Und doch sind die Verhaltensweisen, im „Kampf“ der Geschlechter vor allem, punktgenau getroffen und einige von ihnen noch immer aktuell. Man wünschte sich, dass manche heutige Ehekrise auf der Leinwand und in der Wirklichkeit auf ähnliche Weise gelöst würde.


Curt Goetz ging 1939 nach Hollywood, um zu studieren, wie man dort Filme machte. Dabei wurde er vom Zweiten Weltkrieg überrascht. Er wollte nicht mehr nach Deutschland. Einen Fünf-Jahres-Vertrag von MGM lehnte er ab, weil er mittlerweile die amerikanische Art, Filme zu produzieren, kennengelernt hatte. Er zog es vor, mit Gattin Valérie von Martens, eben jener Josephine, in Kalifornien Hühner zu züchten, die Eier mit zwei Dottern produzierten. Nach dem Krieg kehrte das Paar nach Europa zurück und wohnte in der Schweiz. Der Unentwegte schrieb weitere Stücke und drehte in Deutschland weitere Filme. An FRAUENARZT DR. PRÄTORIUS und DAS HAUS IN MONTEVIDEO hat sich zehn Jahre später Heinz Rühmann herangewagt.


Damals, als Goetz ausgewandert war, wurde NAPOLEON IST AN ALLEM SCHULD auf Veranlassung von Joseph Goebbels verboten. Über diese köstliche Komödie durfte im nationalsozialistischen Deutschland nicht mehr gelacht werden.