Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. September 2016, Teil 5
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Michi (Luis Vorbach) ist 10 Jahre alt und lebt nach dem Unfalltod seiner alleinerziehenden Mutter seit 5 Jahren in einem Kinderheim, seinen Vater hat er nie kennengelernt. Er teilt sich im Heim ein Zimmer mit Justin (Marco Licht).
Als er eines Tages in einer Kiste mit den Hinterlassenschaften seiner Mutter kramt, findet er in der Hülle einer alten Schallplatte einen nicht abgeschickten Brief an einen Tom Lambrecht. Als der Junge den Brief liest, glaubt er, dass er an seinen Vater gerichtet sein muss. Da eine Adresse auf dem Umschlag steht, macht er sich auf, diesen Tom Lambrecht aufzusuchen. Die Adresse stimmt noch, aber Tom ist nicht zu Hause. Deshalb schreibt der Junge eine kurze Nachricht mit seiner Telefonnummer im Kinderheim und steckt sie unter der Tür durch. Von einer Nachbarin erfährt Michi, dass Tom vermutlich beim Rudertraining ist.
Michi geht zum Steg an der Ruhr - da trainiert wirklich ein Achter. Leider stellt sich schnell heraus, dass Tom (Jordan Prentice) nicht einer der großen Ruderer, sondern der Steuermann ist, und der ist kleinwüchsig. Sogar kleiner als Michi.
Als der Junge das sieht, schämt er sich und rennt zurück ins Heim. Dort hat allerdings Tom inzwischen angerufen, da ihm das Ganze doch etwas unheimlich ist, hatte er doch vor Jahren ein Verhältnis mit Michis Mutter. Der Anruf wird von anderen Jungen im Heim abgefangen. Als Tom dann auch noch im Heim auftaucht, hänseln die anderen Kinder Michi, so dass er eines Nachts einfach abhaut. Da er sich nicht wieder ins Heim traut, gibt er Toms Adresse an, als ihn die Polizei an einer Tankstelle aufgabelt.
Als Frau Gonsalves (Anica Dobra) vom Jugendamt ihn dort wieder abholen will, will Michi mit allen Mitteln bei Tom bleiben, aber eigentlich nur, weil er unter keinen Umständen mehr ins Heim zurück will. Tom lässt ihn erst mal bei sich wohnen, obwohl das Jugendamt auf einem Vaterschaftstest besteht. Er zeigt dem Jungen auch Bilder von seiner Mutter und ihm auf seinem Computer.
Michi lernt Katja (Ella Frey), ein gleichaltriges Mädchen aus der Nachbarschaft kennen, erzählt ihr aber nicht, dass der kleinwüchsige Mann sein Vater ist. Da Michi sich Tom gegenüber schlecht benimmt, hat der eines Tages genug und fordert den Jungen auf auszuziehen.
Da erst merkt Michi, dass er es doch gar nicht so schlecht getroffen hat und die beiden beginnen, sich näher zu kommen. Es macht ihm auch nichts mehr aus, dass Tom ihn in seine neue Schule begleitet, auch wenn die anderen Eltern die Beiden etwas seltsam anstarren. Er hat schließlich Katja als Freundin. Er darf Toms coole Lederjacke tragen und der zeigt ihm sogar, wie man mit seinem Auto, einer Spezialanfertigung für Kleinwüchsige, fahren kann.
Doch dann gibt es plötzlich ein Problem, mit dem Keiner gerechnet hatte....
Die Regisseure und Drehbuchautoren Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf haben mit "Auf Augenhöhe" einen Kinderfilm über Akzeptanz, Vorurteile, Freundschaft und übers Anderssein gedreht, der auch für Erwachsene sehenswert ist. Für die Geschichte wurde ganz sicher ein außergewöhnliches Thema gewählt, da vermutlich Jungen in dem Alter, gerne einen Vater als strahlenden, möglichst großen Helden hätten. Kleinwüchsigkeit ruft dann bei den Altersgenossen vermutlich nur Hohn und Spott hervor.
In dem Film wurde auch nicht vergessen zu zeigen, welche Probleme Kleinwüchsige haben, nicht nur am Beispiel von Toms Auto, sondern auch seine ganze Wohnung ist an seine Größe angepasst. Daneben sagt Tom ehrlich, dass er lieber so wie andere aussehen möchte, und es wird auch darüber gesprochen, wie groß die Chance von Kleinwüchsigen ist, normal große Kinder zu bekommen. Außerdem zeigt der Film, dass nicht nur Michi sich lange Zeit unangemessen verhält, sondern auch, dass Tom in manchen Situationen doch etwas überreagiert.
Tom wird von dem kanadischen Schauspieler Jordan Prentice gespielt, der die Regisseure in dem Arthaus-Film "An Insignificant Harvey" (2011) begeistert hatte. Der zur Drehzeit neunjährige Luis Vorbach spielt Michi hervorragend, er hat Präsenz, Nachdenklichkeit aber auch Witz. Auch die anderen Kinderdarsteller füllen ihre Rollen wundervoll aus, vor allem Ella Frey, die als Katja frech, selbstbewusst und auch ein bisschen vorlaut ist.
Das Drehbuch zeigt erfreulicherweise einige nicht erwartete Wendungen. Leider pädagogisiert der Film in manchen Szenen doch etwas und ist an der einen oder anderen Stelle auch etwas zu lang geraten. Ganz sicher braucht es für das Verständnis des Films nicht die unerwartete Wendung gegen Ende des Films, die die Bedeutung der Vater-Sohn-Beziehung grundlegend verändert.
Trotz dieser kleinen Mängel ist "Auf Augenhöhe" ein rundherum gelungener Kinderfilm, der es schafft das komplexe Thema altersgerecht darzustellen, ohne eine spannende Geschichte aus dem Auge zu verlieren, und der zu Recht das Prädikat "besonders wertvoll" erhalten hat.
Foto: Tom (Jordan Prentice) zeigt Michi (Luis Vorbach) wie man mit seinem Auto fährt © Tobis Film GmbH
Info:
Auf Augenhöhe (Deutschland 2016)
Genre: Tragikomödie, Kinderfilm
Filmlänge: 98 Minuten
Regie und Drehbuch: Evi Goldbrunner & Joachim Dollhopf
Darsteller: Jordan Prentice, Luis Vorbach, Ella Frey, Marco Licht, Mira Bartuschek, Anica Dobra u.a.
Verleih: Tobis Film GmbH
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 15.09.2016