Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. September 2016, Teil 11
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) –
Snowdown.
snowdown in china, snowdown im iran
snowdown in russia, snowdown down in oman
nur nit da bei mir, nur nit da mitten vor meiner tür
Hören Sie sich an, was Hubert von Goisern auf der immer noch neuen CD FEDERN singt, mit der er übrigens auf Tournee geht, worüber wir noch berichten werden. Erst einmal drückt sein ins Hochdeutsche gebrachter Refrain: „Nur nicht da bei mir, nur nicht da mitten vor meiner Tür“ genau das aus, was die Welt mit Edward Snowden gemacht hat, der einerseits ein Freiheitsheld, andererseits lästig ist.
Und eh jetzt die Filmkritik kommt, kann man sich nur wundern, daß in den vielen, vorab abgedruckten Filmrezensionen kein einziges Mal der Appell an die deutsche Bundesregierung geht, endlich dem Asylanten Edward Snowden in der Bundesrepublik Deutschland Asyl zu gewähren. Wer, wenn nicht wir. Wer wäre gegenüber den Amerikanern außer Deutschland stark genug, die anschließenden diplomatischen Verstimmungen auszuhalten. Es ist ein Armutszeichen der westlichen Welt, daß kein Land dem in und von den Vereinigten Staaten bedrohten US-Bürger Edward Snowden Asyl anbietet.
Natürlich können die Deutschen, noch besser die EU, auch gleich die USA dringlich auffordern, dem von der Strafverfolgung Verfolgten und somit Verbannten eine Amnestie zu gewähren. Gewähren, wie das schon klingt. Welch besseren Abgang könnte sich der Friedensnobelpreisträger Barack Obama verschaffen, als diese Amnestie für Edward Snowden auszusprechen? Er wird es nicht tun. Wir fürchten, er wird diese Möglichkeit, als der erste schwarze Präsident der USA auch wegen einer patriotischen Tat in die Geschichte einzugehen, nicht nutzen. Dabei wäre es eine patriotische Tat, nicht der ganzen Welt jeden Tag zeigen zu müssen, daß ein Amerikaner, der den digitalen Imperialismus seines Landes gegen die eigenen Gesetze aufgespürt und angezeigt hat, ausgerechnet nur in Rußland Asyl findet. Ein Armutszeugnis für Amerika und für die gesamte westlichen Welt.
Wir also verbinden mit diesem Film erst einmal das Lied, das Hubert von Goisern hinreißend singt, ein absoluter Ohrwurm, dem man seit den vielen Sendungen über den österreichischen Sänger im bayerischen Dritten am Montag im eigenen Ohr eine Heimat bietet. Und gleichzeitig ein Appell an uns alle, wieder einmal die Weltgeschichte zu beeinflußen, auch wenn es nur um einen einzelnen Menschen geht. Aber es geht ja um viel mehr. Das zeigt der Film, auf den wir nun zu sprechen kommen und von dem man gleich sagen kann: Er hat ordentlich das wiedergegeben, was gewesen ist.
Für uns hätte eigentlich der mit dem Oscar ausgezeichnete Dokumentarfilm von Laura Poitras gereicht, in dem im Hotel in Hongkong der originale Snowden vor der Kamera den Journalisten, die darüber schreiben sollen, erzählt, wie er auf welche Machenschaften kam und was dann hintereinander passierte. Ein schlichter schnörkelloser, eindringlicher Film.
Aber wir haben auch diesen Spielfilm von Oliver Stone mit einem durch Joseph Gordon-Levitt beängstigend ähnlichen Edward Snowden sehr gerne gesehen, weil er der Filmfigur Snowden einen menschlich dichteren Hintergrund gibt, sowohl, was seine Herkunft, Erziehung und Ausbildung, vor allem den Militärdienst angeht, wie auch die Liebesbeziehung zu seiner Freundin Lindsay (Shailene Woodley), die zwangsläufig zurückstecken muß, wenn Snowden entdeckt, daß die Vernetzung der einzelnen Überwachungssysteme zur totalen Überwachung und damit Kontrolle des einzelnen führt. Es gibt aber kein Land, in dem ideologisch FREIHEIT einen derartigen avancierten Stellenwert hat wie in den Vereinigten Staaten, auch, wenn dies ins Perverse übergleitet, wie die Freiheit, Waffen zu kaufen und andere zu erschießen, wenn man sich bedroht fühlt.
Auch die Aufnahmen, die in den Institutionen, in denen Edward Snowden mal als feste Größe, dann als Freier arbeitete, die Geheimdienste CIA und NSA, bringen einem näher, welche Atmosphäre dort herrscht und welchen Mut es erfordert, sich mit solchen Systemen anzulegen. Von den technischen Voraussetzung und Netzkenntnissen ganz abgesehen, über die man verfügen muß, um die Ausforschung der Menschen zu entdecken und dann Mittel zu finden, wie man dies transportieren kann.
Die vielleicht hinreißendste Szene ist die, wie Snowden spielerisch die wiederum überwachende und scannende Kontrolle beim Ausgang aus dem Gebäude meistert. Oft hatten wir den Zauberwürfel, den der Ungar Ernö Rubik erfunden hatte, in Snowdens Händen gesehen, wie er ihn durchaus leicht nervös dreht und wendet und hatten auch die von Oliver Stone dramatisch ins Bild gebrachte kleine Speicherkarte verfolgt, die er im Würfel unterbringt. Wie er aber dann das Interesse seiner Durchleuchter am Würfel nutzt...das gehört zu den kleinen filmischen Feinheiten, die in Stones Film auch vorkommen. Er ist einfach ein routinierter Regisseur, der hier einen Film dreht, der nicht überdreht ist, weil dies auch nicht der Person des Edward Snowden entsprochen hätte, der eher als Amerikaner rüberkommt, der die Prinzipien des Landes verteidigt, eben auch gegenüber denen, die - derzeit an der Macht - sie mit Füßen treten.
Das ist also ein uramerikanisches Thema, das sonst immer erst 50-100 Jahre später verfilmt wird, wenn die gesellschaftliche Wirklichkeit die damals zu Verbrechern Erklärten zu Helden macht. Schon die Vorgänge um Nixon und die damalige filmische Wiedergabe zeigt, daß solche Geheimpolitik gegen die eigenen Gesetze in den USA eine immer kürzere Verfallszeit besitzt. Oliver Stone konnte den Film also schon jetzt drehen, sechs Jahre nach dem Knall. Aber er konnte nicht in Amerika drehen. Dort war kein Studio bereit, ihn drehen zu lassen. Aber in Deutschland und den Nachbarländern gab es nicht nur Platz, sondern auch finanzielle Förderung. Wenigstens das.
Was uns gut gefallen hat, ist das Andocken von SNOWDEN an den Film CITIZENFOUR von Laura Poitras. Denn auch bei Stone finden die dramaturgisch zugespitzten Szenen in dem Hotelzimmer in Hongkong statt wo Edward Snowden dem Journalisten Glenn Greenwald seine Kenntnisse und die Schlußfolgerungen daraus offenbart und ihm Material an die Hand gibt, was alles von Laura Poitras mit der Kamera verfolgt wird. Im Film von Stone können wir sie jetzt sehen, denn wir erleben sie, dargestellt von Melissa Leo, bei der Arbeit mit der Kamera. Das ist eine liebevolle Hommage an die Frau, die durch ihre Kameraarbeit dafür sorgte, daß die Nachwelt diesen Vorgang und mit ihm die Wahrheit über die Ausforschungen und Überwachungen im Bilde hat. Hier sieht man auch deutlich die Technik dieses Films, der eine Mischung aus dokumentarischen Szenen, nachgespieltem Leben und fiktionalen Ereignissen ist.
Stark auch am Schluß, als der echte Snowden kurz in Moskau ins Bild kommt. Verwirrend, aber im gewissen Sinn das i-Tüpfelchen des Films, der ja nicht als Selbstzweck Geschichte rückwärts als Erinnerung ins Bild bringt, sondern eine Handlungsaufforderung ist, diese Situation zu verändern. Der Film sei pathetisch, wurde gesagt. Nein. Das ist er nicht. Er hat Pathos, immer wieder Pathos. Aber das ist eine andere Kiste und darf staatstragende Szenen ruhig begleiten. Denn es geht ja schließlich im Kampf des David Edward Snowden gegen die Goliathe der Welt um etwas. Da ist Pathos nicht verkehrt.
Eine bittere Frage allerdings bleibt: Was hat sich nach den Enthüllungen von Edward Snowden in unser aller Umgang mit den Daten eigentlich geändert: was auf Seiten der Regierungen, was auf Seiten der normalen Nutzer?
Und hier, was Hubert von Goisern zu Snowden singt
Snowdown
snowdown in china, snowdown im iran
snowdown in russia, snowdown down in oman
nur nit da bei mir, nur nit da mitten vor meiner tür
de wahrheit de suacht um asyl
und se brauchat nit vü, von mir...
aufstand in kairo, aufstand in tripolis
aufstand in damaskus, aufstand in tel aviv
nur nit da bei mir, nur nit da mitten vor meiner tür
de wahrheit de suacht um asyl
aber kriag'n tuat si's nia
weil ma z'feig san dafür?
oder was oder wia...?
des lied is' für de chelsea und fian eddi
und alle anderen die si' a herz g'nommen hab'n
de si' draut hab'n z'sagn dass was nit stimmt
für alle die ihr freiheit auf's spiel setzen
und ihr leb'n riskieren...
snowdown in lhasa, snowdown in teheran
snowdown in jerusalem, snowdown im vatikan
snowdown in moskau, snowdown down in berlin
snowdown in the rockies, snowdown sogar in wien
de wahrheit de suacht um asyl...
es wird a wohl neamt glauben,
dass si' do nu irgendwem gibt der si' auskennt...
de wahrheit de suacht um asyl
hey si brauchat nit vü
aber kriag'n tuat si's nia
und des tuat ihr so schiah
weil ma z'feig san dafür?
lass ma's stehn vor da tür
oder was oder wia...?
Musik: HvG, Schartlmüller, Pohn, Trogbacher
Text: Hubert von Goisern
Aus der Platte FEDERN