„Ich will Sex! Ich will poppen!“ Diese tiefsinnige Erkenntnis liefert die Ausgangssituation von Geoffrey Enthovens forscher Komödie. Gekommen ist sie seinem Hauptfiguren-Trio schon lange, nur spricht Philip (Robreccht Vanden Thoren) sie eines bedeutsamen Tages vor Lars (Gilles de Schryver) und Jozef (Torn Audenaert) erstmals aus. Lässt sich ein edleres Motiv denken? Eine originellere Problematik? Für den belgischen Regisseur nicht. Er folgt den männlichen Jungfrauen auf der Fahrt in einen erotischen Himmel, der so heißt: Das im spanischen Punta Del Mar gelegene El Cielo, ein Bordell für Herren mit Handicaps.
Letzte einen die drei Männer, die in Alter, Temperament und Lebensausrichtung so unterschiedlich sind wie die Art ihrer körperlichen Behinderung. Philip ist vom Hals abwärts gelähmt, Lars fesselt ein fortschreitender Tumor an den Rollstuhl, Jozef ist extrem kurzsichtig. In übertragenem Sinne gilt das auch für Pierre de Clercqs Drehbuch, dessen Handlung dezent allen existentiellen Konflikten ausweicht. „Letztendlich handelt sie von drei Männern, die im Urlaub Frauen aufreißen wollen.“, bekundet Enthoven in einem Atemzug mit dem maßgeblichen Vorteil jener banale Grundkonstellation: „Darin kann sich jeder wiederfinden.“ In dieser Perspektive liegt der Makel der Inszenierung, deren explizite Problematik ins Profane verallgemeinert wird. Die Annäherung an das andere Geschlecht stellt sich den Charakteren als rein organisatorische Frage. Das El Cielo und sexuelle Erfüllung können sie nur im fernen Punta Del Mar finden, wobei die geografische Distanz unterschwellig zur reellen wird.
Die Skepsis ihrer Verwandten gegenüber der als Weinurlaub getarnten Lustreise lässt das Trio mit dem nötigen Kleingeld und etwas Draufgängertum mit dem nasskalten Klima Belgiens hinter sich. Das vorstädtische Grau ersetzen Sternenhimmel und Goldlicht der Mittelmeerküste. Weil Geld für die wohlhabenden Figuren keine Rolle spielt, frönen sie sich schon vor der Ankunft Wein, Weib und Gesang. Letzter ist dabei meist direkte Folge von erstem, die Qualität von zweitem ebenso eine Frage des Budgets. Frauen bewerten Lars und Jozef untereinander mit ihrem Weinvokabular, das entweder in grobe Beleidigungen oder sexistische Anzüglichkeiten mündet. Saure Trauben? Die materielle Arroganz und Unverfrorenheit, die Philip von dem unsympathischen Dreiergespann am stärksten aufweist, werfen die Frage nach einen möglichen Zusammenhang von physischer Einschränkung und emotionaler Frustration auf.
Sie zu ergründen vermeidet die reibungslose Road-Comedy so geflissentlich wie eine alltagsbezogene Auflösung der Lustfrage. Während er die sexuelle Gleichberechtigung der Figuren zu betonen vorgibt, negiert der Plot sie. Den drei Sextouristen sinnlichen Kontakt zu gewöhnlichen Frauen verwehrt. Lars zaghaften Flirt mit einer Spanierin unterbindet seine krankheitsbedingte Übelkeit. Eine Metapher für Enthovens innere Haltung zu Liebesbeziehungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung? Jozefs Liaison mit der durch ihre Adipositas und das soziale Handicap einer Haftstrafe gezeichneten Fahrerin Claude (Isabelle de Hertogh) belegt es augenscheinlich. Sind die Figuren mit einem schalen Kompromiss befriedigt, sollen es auch die Zuschauer sein. Anders als der überlegene thematisch verwandte und dramaturgisch überlegene „Me, too“ von Alvaro Pastor und Antonio Naharro vermeidet die harmlose Freudenhaustour einen moralkritischen Diskussionskurs.
„Filme zu machen ist wie wenn du sehr lange Kaugummi kaust.“, sagt Enthoven im Presseheft. „Du hast Angst, dass es dir nach einiger Zeit nicht mehr schmeckt.“ Im Fall seines jüngsten Werks ist sie berechtigt.
Oneline: Tempoloses Roadmovie um körperliches Begehren trotz körperlicher Gebrechen.