Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. November 2016, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -  Gar nicht schlecht, diesen Film Anfang November zum Totengedenken anlaufen zu lassen, obwohl der Titel anderes verspricht. Am Schluß ist es eine Melange aus beiden existentiellen Momenten im Leben: Hier geht es zu Ende, als es gerade am schönsten ist.


Aber es bleibt nicht das Ende für den Überlebenden, sondern es kommt langsam, also nach und nach für ihn zu einem neuen Anfang. Zumindest im dritten Sommer. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Dem Film gelingt aber, dies uns zu zeigen, ohne Pathos, Moral oder Zwischenreichen. Das ist ein zarter Film, der nicht mit dem Holzhammer uns sagt, wo es im Leben lang geht, daß die Tage, die Stunden, die Minuten zu genießen sind, zumindest voll zu leben, weil man nie weiß, was morgen ist.

Wir sind noch ahnungslos am Anfang, als wir die junge Frau im Hochsommer, ärmellos, durch Berlin begleiten, die Sasha (Stephanie Déhel) heißt und mit Lawrence (Anders Danielsen Lie) verheiratet ist. Beide leben und arbeiten hier, sie kommt aus Frankreich, er aus New York. Sie zeichnet, arbeitet in einem Büro, schlägt sich finanziell durch, freut sich auf Lawrence, auf zu Hause, als sie mitten beim Heimweg in einem Park auf dem Rasen zusammenbricht. Und stirbt.

Nein, in der Situation möchte man nicht stecken. Weder tot, noch bei der Familie, die sofort aus Paris (Schwester Zoé– Judith Chemla) und Annecy (Eltern) anreist, aber wie paralysiert ist. Keiner kann das begreifen: tot. Diese junge Frau. Und wir werden Zeugen, wie das Leben für alle trotzdem weiter geht, in diesem einem Jahr von Sommer zu Sommer und einem weiteren Jahr und einem weiteren Sommer. Und wie leicht das inszeniert ist, weder gedankenschwer, noch mit Gefühlskitsch, aber auch ganz und gar nicht gefühllos, das ist schon Filmkunst. Es ist Mikhael Hers, der Regie führt und auch zusammen mit Mariette Désert das Drehbuch verfaßte.

Wir werden Zeugen. Zeugen beim familiären Weltende, als der der Tod der Tochter und Schwester zwangsläufig erscheinen muß, Zeuge, wie für den Ehemann die Welt zusammenbricht – und wie gleichzeitig draußen das Leben schwelgt, denn der Sommer, der ist, wenn die Sonne lacht, überall einzig. Die Irritation ergreift einen, weil beides, die Trauer, die man in den November verbannt und das Glücklichsein und sinnliches Lebensgefühl im Sommer verortet ist. Dabei sind Sommerglück oder Novemberdepression ja nur Metaphern für Gefühle, die zu jeder Zeit und an jedem anderen Ort dieselben sind, wenn wir Menschen verlieren, was immer dann noch katastrophaler ist, wenn der Mensch nicht krank schien und jung ist.

Lawrence findet Trost bei einer Freundin aus den USA, aber keinen billigen Trost, sondern einfach eine Unterstützung für das Weiterleben...dann schweigt der Film über den Winter und setzt im Jahr drauf wieder ein, wo Lawrence seine Schwägerin Zoé in Paris besucht. Ein Jahr später lebt er längst wieder in New York, wo Zoé ihn dann besucht.

Trauer und Verlust werden nie ausgesprochen, aber gelebt.

Foto: Die Familie kommt nach Berlin

Sie merken schon, hier geht es nicht unbedingt um Handlungsstränge, schon gar nicht dramatische. Dramatisch war der Beginn, mit dem Tod der jungen Frau. Alles andre verläuft in eine Richtung, die als Sprichwort sagt: „Zeit heilt Wunden“ oder andere Sprüche, die es ja nur deshalb gibt, weil sie mehr als ein Körnchen Wahrheit enthalten. Bemerkenswert, wie wenig der Film langweilt oder nervt, sondern wie ein Windhauch an uns vorüberweht, aber die Ahnung von mehr zurückläßt.