Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. November 2016, Teil 10
 
Corinne Elsesser

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im Leben des österreichischen Malers Egon Schiele lagen Leidenschaft und Traurigkeit nahe beieinander. Als er 1918 mit 28 Jahren starb, hinterliess er ein grosses Konvolut an Zeichnungen und Gemälden, die seine Suche nach einer Darstellung des Menschen als erotisches Wesen spiegeln.

Dieter Berner spürt in seinem Spielfilm dieser Leidenschaft Schieles nach und bezieht dabei auch die Frauen mit ein, die ihm Modell standen. In seinen letzten Tagen wird der vom Fieber ans Bett gefesselte Künstler in seinem Wiener Atelier von seiner Schwester Gerti gepflegt. In Rückblenden und Erinnerungsblitzen verdichtet sich das Leben des Todkranken allmählich zu einer biografischen Erzählung, die am Ende wieder zurückführt zum Krankenbett im Atelier.

Gerti (Maresi Riegner) war schon mit 15 Jahren Schieles erstes Modell. Später kamen andere hinzu, die sie argwöhnisch und verhalten eifersüchtig beobachtete. Die geheimnisumwehte Moa (Larissa Aimee Breidbach) lernte der Künstler als Tänzerin und Pantomimin in „Lebenden Bildern“ auf den Varietés kennen. Sie blieb nicht lange. Sein Freund Gustav Klimt empfahl ihm schließlich das Modell Wally Neuzil (Valerie Pachner). Sie wurde Schieles Muse und lebte mit ihm einige Jahre in einer lockeren Beziehung zuerst in Wien, dann im böhmischen Krumau und eine zeitlang zurückgezogen in Neulengbach.


Dann kam die Sehnsucht nach einem bürgerlichen Leben. Schiele heiratete 1915 die Nachbarstochter Edith Harms (Marie Jung). Da war er bereits beim Militär gemeldet, auch dies ein Beitrag zu einer bürgerlicheren Existenz. Der künstlerischen Leidenschaft wurden dadurch die Flügel gestutzt und Wally, seine Muse, wird diese Wendung nicht überleben. Enttäuscht meldete sie sich zum Krankendienst in Sinj bei Split an der dalmatinischen Küste. Als das Gemälde, für das Wally zum letzten Mal Modell gestanden hatte, in einer grossen Ausstellung der Wiener Secession präsentiert wird, erreicht den Maler die Nachricht von ihrem Tod und er korrigiert den Titel des Bildes: „Tod und Mädchen“.

Als Vorlage diente das gleichnamige Buch von Hilde Berger. Mit ihr zusammen entwickelte Berner das Drehbuch, das nahe an den biografischen Fakten bleibt und nur wenig dramatisiert. Berner ist ein Film über junge Menschen und deren Begeisterung für die Kunst gelungen. Für seine Malerei stellte Schiele alles zurück, selbst die Liebe oder eine innige Umarmung, holte sein Skizzenbuch hervor und hielt fest, was er - meist über Spiegelungen - sah. Der Körper war für ihn das reinste Ausdrucksmittel. Hier entwickelte er expressive neue Posen, die er sehr genau komponierte. „Seine Bilder, so ist Dieter Berner überzeugt, „sind immer durchdachte Konstruktionen und keineswegs so hingeworfen.“

Der Schauspieler Noah Saavedra ist selbst noch jung und verkörpert den Künstler wie man ihn sich gerne vorstellen möchte: zart und androgyn, doch stark in seiner Haltung und in seinem künstlerischen Wollen. Der aus Oberpullendorf im Burgenland stammende Saavedra hatte noch wenig schauspielerische Erfahrung. Im Verlauf der Vorarbeiten mit dem Regisseur begeisterte er sich immer mehr für das Projekt und nahm sogar Zeichenunterricht, um die Zeichnungen im Film selbst anfertigen zu können.


Maresi Riegner ist als Gerti gleichwohl eine Entdeckung. Sie studierte noch am Wiener Konservatorium, als man ihr die Rolle anbot. Wenn sie im Film dem Bruder Modell steht, wirkt sie wie ein 15-jähriges Mädchen. Dann wieder erscheint sie in ihrer Fürsorglichkeit als engagierte Frau, die ganz im Nachklang des Wiener Bürgertums und jener Welt der Monarchie steht, die mit dem 1. Weltkrieg zuendeging.

Die Jugend in diesen Zeiten des Umbruchs hat Dieter Berner interessiert. „Für mich ist die Jugend der dramatischste Teil des Lebens,“ sagt der Regisseur. Für deren Aufbruch am Beginn des letzten Jahrhunderts steht Schieles Werk exemplarisch.

Info:
Egon Schiele - Tod und Mädchen, Österreich, Luxemburg, 2016
Drama nach dem Roman „Tod und Mädchen: Egon Schiele und die Frauen“ von Hilde Berger
Regie: Dieter Berner
Drehbuch: Hilde Berger, Dieter Berner
Darsteller: Noah Saavedra, Maresi Riegner, Valerie Pachner, Larissa Aimee Breidbach, Marie Jung u.a.
Bildgestaltung: Carsten Thiele
Szenenbild: Götz Weidner
Musik: André Dziezuk
Produktion: Novotny & Novotny Filmproduktion, Wien; Amour Fou, Luxemburg
Länge: 110 Minuten