Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Dezember 2016, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main(Weltexpresso) - Es ist noch das Zeitalter der Helden. Heute glaubt man, solche Männer gibt es gar nicht mehr, Und in der Tat sehen heute erwachsene Männer sehr viel eher wie große Buben aus – und verhalten sich auch so. Jacques Cousteau war noch ein richtiger Mann, im Guten wie im Bösen. Also nicht nur selbstbewußt, sondern auch durchaus tyrannisch.Seinem Ziele mußte sich die ganze Familie unterordnen. Was sie lange willig tut.


Der Film, der also eine wirkliche Geschichte erzählt fängt im Frankreich von 1949 an. Da lebt die Familie: Jacques Cousteau (Lambert Wilson) mit seiner Frau Simone (Audrey Tautou) und den beiden Söhnen in herrlichen Verhältnissen am Mittelmeer. Er ist Korvettenkapitän zur See oder wie man das bei der Marine nennt. Der Sinn jedoch geht in die Ferne, er verläßt seinen sicheren Posten und macht sich mit Zustimmung seiner Frau und mit ihr an Bord der Calypso auf, um die Ozeane zu erforschen Die Kinder? Ach, die bleiben im Internat. Wir sehen aber auch die Szenen wie in den Ferien der Familienzusammenhalt groß ist, aber auch der Wissensdrang des Vaters alles Leben bestimmt. Und wir erleben die persönliche Tragödie, auch mit.

Heute kann man nachlesen, welche Bedeutung Jacques Cousteau. für die Erforschung der Weltmeere  wirklich hatte, Er hat nämlich die sogenannte „Aqualunge“mitentwickelt, mit deren Hilfe Taucher in die finsteren tiefen Teile der Weltmeere vorstoßen konnten, die Kamera und Licht im Gepäck, so daß über das Kino alle Menschen an den sagenhaften Aufnahmen, die zu Filmen konzipiert wurden,  partizipieren konnten.Das waren große Investitionen, aber auch große Erfolge. Sowohl finanziell wie auch vom Ruhm her.  Auch wenn die gesamte Mannschaft, einschließlich seiner Frau an den Erfolgen beteiligt ist, schneidet doch er und die Welt alles auf ihn, den Helden und Macher zu. Er ist alles in einem, Pionier, Entdecker, Filmemacher, Fotograf, Buchautor, Geschäftsmann und Wissenschaftler. Sein Markenzeichen ist die rote Mütze.

Während der Vater nach und nach berühmt wird, verändert sich auch sein Wesen. Er wird eitel, stolz auf seine Erfolge – auch auf die bei Frauen, was er reichlich nutzt. Seine Frau Simone vertrocknet an seiner Seite. Das erzählt der Film nun ebenfalls sehr trocken. Wir erleben, wie aus der unternehmungslustigen vielseitigen Ehefrau eine gelangweilte, verbitterte ältere Frau wird, die keinen eigenen Lebensraum auf dem Schiff mehr empfindet.

Tief erschrocken sieht der erwachsene Philippe den Verfall der Mutter und den äußeren Aufstieg des Vaters mitsamt seiner Amouren Er verachtet ihn, weil der Vater ihm einst ein Vorbild für die Reinheit der See war. Die Rollen haben sich nun umgekehrt. Philippe ist der, der alles über die Weltmeere weiß und sich um ihren Erhalt Sorgen macht, während der Vater, der einst ökologisch auf Vordermann war, dies heute nicht wichtig nimmt. Nicht wichtig genug, denn er braucht für seine Filme und Fernsehauftritte das Geld der großen Konzerne, die er nicht mit so was wie Umweltschutz anpinkeln will.

Der bekannte Pionier hatte auch in Wirklichkeit seine Schattenseiten, die man heute als zeittypisch einschätzen kann. Wir erleben im Film, wie die Finanzierung der aufwendigen Aufnahmen immer teurer wird und Cousteau sich gezwungen sieht, seine Expeditionen durch Kooperationen mit Ölkonzernen, die sich davon Forschungsergebnsse für Ölvorkommen versprechen.  So paßt ins Bild, daß rücksichtslos ganze Kliffe gesprengt werden und Haie massakriert werden, weil die Bilder davon ein gewaltiges, publikumsfindendes Spektakel ist. So was, denkt man, wäre heute wirklich nicht mehr möglich. Aber vielleicht auch deshalb nicht, weil die Seewelt dank solche Pioniere wie Cousteau den Menschen wichtiger geworden sind.  Für damals jedenfall, noch ohne  Umweltschutzbewegung, galt das als normal., so Regisseur Jérôme Salle: „Damals fühlte sich der Mensch allmächtig, die Natur musste gezähmt, ihre Ressourcen mussten ausgebeutet werden. Bedenken hatte man nicht. Man dachte, der Planet wäre niemals gefährdet.“

Zurück zum Film. Nicht nur der Held, auch das  Schiff ist sehr  gealtert.  Dennoch wollen Vater und Sohn es gemeinsam noch einmal wissen und unternehmen eine Expedition zur Antarktis. Sie kommen sich wieder näher. Aber das Unternehmen ist todgefährlich. Für die ganze Familie und vor allem für Philippe.

Es heißt, JACQUES sei mit Produktionskosten von rund 35 Millionen Euro eine der teuersten französischen Filmproduktionen. Das spiegelt sich insbesondere in den aufwendig realisierten Aufnahmen unter wie über Wasser wider, die an vielen Originalschauplätzen entstanden sind. Gedreht wurde unter anderem in Argentinien, Kroatien, Südafrika, den Bahamas und auf der Antarktis. JACQUES ist der erste Spielfilm, der dort gedreht wurde. Die Originaltreue war Regisseur Jérôme Salle nicht nur aus ästhetischen Gründen wichtig, schließlich nimmt die Antarktis eine Schlüsselrolle im Film wie in Cousteaus Leben ein: „Es war der letzte Kampf von Cousteau, dem es 1998 gelang, die mächtigsten Männer der Welt dazu zu bringen, ein Moratorium zu unterzeichnen, das die industrielle Ausbeutung der Ressourcen dieser Weltgegend bis 2048 einfriert.“


Gedreht wurde also an Originalschauplätzen und wenn nicht diese herrlichen Aufnahmen wären, die ob Unterwasser oder Land eine Bildgewalt entwickeln, die einen unaufhörlich von neuem fesselt, dann würden wir an den auch familiären Irrungen und Wirrungen des übermütig gewordenen Helden noch mehr herumkriteln. So aber finden wir die Bilder herrlich und die Geschichte erträglich. Wie gesagt, solche Männer gibt es nicht mehr. Heute können Einzelleistungen so etwas nicht mehr in Gang setzen.  Der Gedanke des Teams bestimmt solche großen Projekte.  Das ist gut so, aber der Held von einst geht dadurch auch verloren.

Auch wenn mir die Familienszenen zu ausgewalzt sind, sind die Aufnahmen von solcher Schönheit und einer unbekannten Welt, daß man sich den Film auf großer Leinwand unbedingt deshalb ansehen sollte.