Von Lida Bach
Jeder hat eine Begabung. Diesen Satz stellt Lena Koppel an den Anfang ihrer gutwilligen Komödie und erachtet ihn als so wichtig, dass sie ihn später von einem der Protagonisten wiederholen lässt. „Jeder hat eine Begabung.“ Die Wiederholung des Spruchs zeigt den Unterschied zwischen Redundanz und Strategie. Redundant ist ein weiteres der Affäre des europäischen Kinos mit den vom Überraschungshit „Ziemlich beste Freunde“ angestoßenen und „Hasta La Vista“ fortgesetzten Trend von Behindertenkomödien entsprungenes Problemkind wie das der schwedischen Regisseurin und Co-Drehbuchautorin.
Strategie ist, durch einen Vortext zu suggerieren, dass der anschließende Film genau diesen Vortext belege und ihn dann, wenn selbst den Wohlmeinendsten im Publikum Zweifel daran aufkommen, ihn erneut vorzubeten. Verbirgt sich in dem Ausspruch vielleicht eine Botschaft? Und der Trost aus dem Mund aller Kindergärtnerinnen so kompliziert, dass es dem Zuschauern doppelt und dreifach, schriftlich, verbal und darstellerisch, ohne Pause rezitiert werden muss? Vermutlich schlägt die Handlung nur deshalb unbarmherzig mit dem moralisch menschelnden Holzhammer zu, um damit benommen zu machen gegenüber den eklatanten Mängel in Inszenierung, Schauspiel und Struktur der Story. Deren dünnes Drama beginnt inmitten eines solchen bei den Proben eines Laientheaters. Zuerst überschreitet Alex (Sverrin Gudnason) dort mit seiner Kombination aus Selbstgenügsamkeit und Unfähigkeit die Toleranzgrenze, dann daheim bei seiner Freundin Lisa (Cecilia Forss). Beides hat einen Rausschmiss zu Folge.
Ohne Unter- und Einkommen quartiert der notorische Verlierer sich bei seinem Bruder im Städtchen Hudiksvall ein. „Nein, es gibt keine Jobs.“, ernüchtert ihn ein Arbeitsbeamter: „Nicht, wenn man unqualifiziert ist.“ Stimmt nicht! Erstens ist Hauptdarsteller Gudnason mimisch augenscheinlich so unqualifiziert wie Koppel inszenatorisch und beide hatten trotzdem Jobs in Koppels beflissenem Kinovortrag, zweitens kriegt auch der stets leicht überfordert in die Kamera blickende Alex prompt eine Stelle als Sozialarbeiter einer Behindertengruppe. Die üblichen Vorurteile, die an solcher Stelle in Film und all zu oft in der Realität gegenüber geistig Behinderten aufkommen, kennt Alex nicht. Aber der baldige Lieblingsbetreuer von Leif (David Gustafsson), Kristina (Maja Karlsson), Ebbe (Bosse Östlin), Katarina (Ellinore Holmer), Kjell-Ake (Mats Melin) und Filippa (Theresia Widarsson) lernt sie noch kennen: bei seiner Kollegin Hanna (Vanna Rosenberg) und den Familien.
Sie sehen mit besorgter Skepsis , dass ein Neuanfänger ohne sozialpädagogische Kenntnisse und Berufserfahrung die Truppe bei einer TV-Talent-Show anmeldet. Anders Alex Gruppenmitglieder, die in der musikalischen Darstellung willkommene Abwechslung zu Hannas drögem Schuhbindekurs sehen. „Die Kunst sich die Schuhe zu binden“ ist keine Unterhaltung, sondern ein Lehrstück und als solches denkbar humorlos. Auf die lobenswerte Toleranzlektion legt die Erfolgsgeschichte nach der des Behindertentheaters „Glada Huik“ solchen Wert, dass sie andere cineastischen Aspekte vergisst. Schwunglos, lückenhaft und anbiedernd, wirken die filmischen Floskeln über Talent, Engagement und Motivation so ermüdend banal wie der Hauptcharakter, der permanent verkündet: „Das wird super.“ Weit gefehlt, spürt Hanna, die ihn bittet, mit damit aufzuhören. Darauf erwidert Alex entrüstet: „Das wird bescheuert? Okay, es wird bescheuert.“ Traurig, aber wahr.
Oneline: Die Dialoge benennen das Filmfiasko: „Kultur und Drama? Das haben wir hier nicht.“