Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. Januar 2017,  Teil 13

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Erstaunlich, in einem Film eines Franzosen von Hilma af Klint zu hören, eine Künstlerin, die, wenn man wollte, man in Europa schon sehr lange kennen konnte.


Unten veröffentlichen wir aus dem Filmheft die Passagen über sie, weil es eben erstaunlich ist, daß diese sehr spezielle Künstlerin diese Öffentlichkeit erhält. Schon in anderem Zusammenhang haben wir darauf hingewiesen, daß es zu wenig ist, im Zusammenhang mit Okkultismus und Anthroposophie nur auf diese eine Person hinzuweisen, daß man die ganze Bewegung kennzeichnen müßte, die sich allerdings dadurch auszeichnet, daß verschiedene Persönlichkeiten völlig unabhängig voneinander um die Jahrhundertwende um 1900 mit den gleichen Anliegen auftauchen. Daß nämlich unsere Welt nicht nur die des Sichtbaren ist, sondern daß es andere Kräfte gibt, die uns leiten und die das Eigentliche sind. Der Litauer Ciurlionis gehört dazu, der wie so viele Künstler dieser Zeit eine Doppelbegabung ist: ein Maler der Zwischenwelten und ein wunderbarer Komponist.

Was Hilma af Klint angeht, so fehlt in der unteren Beschreibung aus dem Filmheft eine ganz wichtige Information. Sie gehört weithin zur anthroposophischen Bewegung, für die Rudolf Steiner eine wesentliche Ansprechperson und gewissermaßen das Zentrum und der Hort der Erkenntnis über Theosophie, Esoterik und die Verbindung mit Zwischenwelten war. Deshalb fuhr Hilma af Klint zu ihm, ach eigentlich er zu ihr und deshalb bringen wir dies doch ausführlicher, als das Presseheft und abspeist.

Die am 26. Oktober 1862 auf Schloß Karlberg geborene, niemals heiratende noch Kinder bekommene Hilma, die am21. Oktober 1944 starb, entstammte einer wohlhabenden Familie. Anders wäre auch nicht zu erklären, daß sie in einer Zeit, wo Frauen höchstens für die Ehe vorgesehen waren, aber nicht als Künstler gedacht waren, eine richtige Ausbildung an der Schwedischen Kunsthochschule erhielt, die sie 1887 als Malerin abschloß und danach ein eigenes Atelier unterhalten konnte, wo sie gemäß ihrer Ausbildung naturalistische Landschaften und Porträts malte. Schnell aber ging das, was sie im Innersten beschäftigte, die Einflüsse des Okkulten und die Suche nach der spirituellen Kraft in ihr Schaffen über. Sie malte derart abstrakte Gemälde, viele direkt auf Papier, daß eigentlich ihr die Entdeckung des Abstraken zukommt und nicht Kandinsky. Sie war auf der Suche nach der inneren Kraft und war auch Medium.



Anthroposophie/Theosophie

1908 traf sie erstmals Rudolf Steiner, der damals Generalsekretär der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft war, als dieser Schweden besuchte. Sie hatte ihre Malerei auf Papier und Leinwand gebracht in einer Weise, die die Surrealisten dann das automatische Schreiben/Malen nannten. Von Steiner erhoffte sich die Künsterlin, die längst auch an Ausstellungen in der Heimat teilnahm (von 1906-1914), von ihm erhoffte sie sich Analysen, schlechthin Deutungen ihrer Malereien. Steiner besuchte sie auch in ihrem Atelier, aber kam ihrem Verlangen nicht nach und wehrte ihre Versuche nach dem Ursprung ihrer Inspirationen im Okkulten ab.

Das war für sie so niederschmetternd, daß sie erst einmal vier Jahre überhaupt nicht mehr malte, bis auf ein Porträt im Jahr 1910. Doch dann explodierten ihre Leinwände geradezu und alle großen und großformatigen Bilder, für die sie heute berühmt ist und die als TEMPELSERIE ab 1912 mit 193 Gemälden in die Kunstgeschichte einging. Man kann die Unterschiede zur früheren Malerei auf den ersten Blick sehen. Ihre früheren Bilder sind organische Gebilde, die, oft runde Formen, zu Gruppen zusammenbinden. Doch die Bilder, mit denen sie berühmt wurde, sind von geometrischer Art, verschlossener und geschlosserner, eine Ordnung der Welt und der Natur voraussetzund und bildend.

Sie schloß sich wieder eng an Steiner an, besuchte ihn in der Schweiz im Goetheanum in Dornach und wurde eine Theosophin, ohne sich weiter über ihre okkulten Fähigkeiten und Interessen auszutauschen. Als sie 1944 starb erließ sie das Verbot, in den nächsten 20 Jahren ihre Werke überhaupt zu zeigen, was also 1964 zu Ende war. Aber erst in den 1980er Jahren war durch einen schwedischen Kunstkritiker Hilma af Klint auf einmal in der Diskussion. Wir haben kurz darauf, noch im 80er Jahrzehnt kleine Ausstellungen gesehen. Wahrnehmbar für Europa war die große Ausstellung in Wien 1992 in der Albertin,  OKKULTISMUS UND ABSTRAKTION genannt, nachdem die Malereien der Hilma af Klint
schon zuvor in Los Angeles in Form ihrer abstrakten Gemälde gezeigt worden waren. Auch eine Austellung im Kunstmuseum Bochum 2007 zeigt, daß die so abstrakte wie mystische Kunst der Schwedin längst ein Begriff war, und sie auch auf den Flügeln des Feminismus herumgereicht wurde,  bis diejenige Ausstellung 2013 in Stockholm auch den Regisseur Oliver Assayas erreichte und so beeindruckte, daß sie als Thema in den Film PERSONAL SHOPPER einzog, was wir natürlich gut finden.


Text über Hilma af Klint im Presseheft

Hilma af Klint (1862-1944) zählt zu den größten Künstlern des 20. Jahrhunderts und war eine Pionierin der Abstrakten Kunst – einige Jahre vor Kandinsky, Mondrian und Malewitsch. Sie war eine der wenigen weiblichen Künstler ihrer Generation, die einen radikalen Ansatz vertraten.

Spiritistischen und theosophischen Einflüssen zugetan, löste sich Hilma af Klint 1906 von der figürlichen Darstellung. Sie versuchte, über ihre Kunst neue Dimensionen jenseits der greifbaren Realität zu erfassen. Mit anderen Pionieren der Abstrakten Malerei teilt sie die Faszination für das Okkulte und die spirituellen Dimensionen von Kunst .

Dies zeigt sich in ihren großen, ebenso kraftvollen wie rätselhaften Kompositionen. Sie fühlte sich als Medium und war überzeugt, dass ihre Werke durch Eingebungen aus dem Jenseits kamen. „ Die Bilder wurden durch mich gemalt, ohne Vorzeichnungen und mit viel Kraft . Ich wusste nicht, was die Bilder bestimmt waren, darzustellen. Dennoch war ich
schnell und sicher in der Ausführung, ohne von vorn anzufangen, ohne einen einzigen Pinselstrich zu ändern.“

Das Werk von Hilma af Klint umfasst mehr als tausend Bilder und Skizzen, doch es war
lange Zeit verborgen. Ihre abstrakten Bilder wurden nicht zu ihren Lebzeiten ausgestellt, da Hilma af Klint sie für zu gewagt hielt . In ihrem Testament bestimmte sie, dass nach ihrem Tod erst 20 Jahre vergehen sollten, bevor sie gezeigt werden. Sie war überzeugt, dass sie vorher nicht verstanden werden könnten. Deshalb kam die Anerkennung ihrer
Arbeit, durch welche die gesamte Geschichte der Abstrakten Malerei umgedacht werden musste, so verspätet. Ihr Werk , das der Öffentlichkeit erstmals 1986 zugänglich gemacht wurde, wurde erst 2013 durch eine große Retrospektive des Moderna Museet in Stockholm, welche auch durch viele weitere Museen tourte, vollständig entdeckt . Ihre ungebrochene Modernität scheint der Kunst des 21. Jahrhunderts anzugehören.


Foto: Hilma af Klint
Abbildung Altarbild Nr. Gruppe x
1915, Tempera auf Papier, 185 x 151 Zentimeter, Moderna Museet Stockholm


Info:
Katalog der Stockholmer Ausstellung von 2013
Hilma af Klint
Eine Pionierin der Abstraktion
Hrsg. Iris Müller-Westermann, Moderna Museet,
Stockholm, Jo Widoff
Texte von David Lomas, Iris Müller-Westermann, Pascal
Rousseau, Helmut Zander, Gestaltung von Patric Leo
Deutsch
2013. 296 Seiten, 272 farbige Abb.
21,90 x 28,20 cm
Broschur
ISBN 978-3-7757-3488-2
www.hatjecantz.de