Ilona Zioks „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ heute Abend im SWR um 23.30 Uhr

Alexander Martin Pfleger

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es gehört zu den wenigen wirklich erfreulichen Erfahrungen in einem Menschenleben, daß sich Qualität bisweilen doch durchzusetzen vermag. Jede neuerliche Ausstrahlung des international mehrfach preisgekrönten, aber vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut konsequent boykottierten und bekämpften Dokumentarfilms „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ von Ilona Ziok aus dem Jahre 2010 bestätigt diesen Eindruck.


Anfang der Woche, am Montagabend, konnte man erneut eine gekürzte, aber die geistige Substanz des Films nicht beschneidende Fassung im polnischen Fernsehsender TVP1 sehen:
https://www.facebook.com/groups/1377226052597665/permalink/1766973483622918/


Heute, am Mittwoch, dem 25. 1. 2017, kommt im SWR von 23.30 Uhr bis 1.05 Uhr, im Rahmen eines Filmabends anläßlich des Auschwitz-Gedenktags am 27. 1. 2017, wieder die Originalversion zu ihrem Recht:
http://www.sr.de/sr/fernsehen/station108~week.html


Wir wiederholen gerne unsere bereits zu früheren Zeitpunkten geäußerte Wertung: Dieser Film stellt den politischen Fritz Bauer in den Mittelpunkt, ohne dabei den Menschen zu vernachlässigen – das aber ganz ohne zu „menscheln“! Auf diese Weise wird uns der Mensch Fritz Bauer hier auch wesentlich näher gebracht, als dies in den bisherigen fiktionalen Annäherungen an seine Biographie der Fall gewesen wäre.

Bisherige fiktionale Annäherungen? Auch darauf sollte noch einmal eingegangen werden! Andreas Platthaus bemängelte am 18. 2. 2010 in seiner insgesamt positiven Besprechung anläßlich der Uraufführung von „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ in der FAZ, Ilona Ziok habe aus Fritz Bauers Leben „nur das Gerüst ihres Films“ gemacht (vgl. http://www.faz.net/frankfurter-allgemeine-zeitung/feuilleton/wo-sind-fritz-bauers-feinde-geblieben-1939584.html).


Was auch immer man von dieser Wertung halten mag: Giulio Ricciarellis „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014) und Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (2015) – zwei Kinofilme! – und Stephan Wagners „Die Akte General“ (2016) – eine TV-Produktion – orientierten sich leider nicht einmal an diesem Gerüst, sondern rekurrierten auf gängige Historiendramenklischees, angereichert um Gerüchte bezüglich Fritz Bauers vermeintlicher Homosexualität und angeblichen Zwangsneurosen sowie anderweitige Versatzstücke: Das Ergebnis waren gewiß gut gemeinte, aber leider vorwiegend reißerische und historisch allzu häufig ungenaue, bisweilen offenkundig verfälschende „Biopics“, die weder aufklärend, noch unterhaltend wirkten – daran konnte auch ein Großaufgebot hervorragender Darstellerinnen und Darsteller nichts ändern.

Will man sich hingegen ernsthaft und fundiert mit Fritz Bauers Leben und Wirken befassen, dann schalte man also heute Abend den SWR ein – und greife hernach zu folgenden Büchern:

Irmtrud Wojak:
Fritz Bauer: 1903-1968. Eine Biographie
Broschierte Neuauflage
Verlag Buxus Edition, München 2016
615 Seiten, EUR 28.00 (DE), EUR 28.80 (AT)
ISBN: 978-3-9817614-0-5
EAN: 9783981761405

Dieses Buch wird übrigens auch vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut boykottiert und bekämpft – warum nur? Gute Frage…

Gemeinsam mit Joachim Perels besorgte die Autorin im Jahre 1998 eine Auswahl der Schriften Fritz Bauers:

Fritz Bauer: Die Humanität der Rechtsordnung. Ausgewählte Schriften.
Herausgegeben von Joachim Perels und Irmtrud Wojak
Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 1998
Wissenschaftliche Reihe des Fritz-Bauer-Instituts, Band 5
440 Seiten, DM 48.00, sfr 46.00, S 350.00
ISBN: 3-593-35841-7

Angesichts der derzeitigen Politik des Fritz-Bauer-Instituts dürfte das auch für lange Zeit die umfangreichste Edition dieser Art bleiben. Bei der Lektüre der hier versammelten Texte fragt man sich, weshalb Fritz Bauer nicht schon längst als ein Klassiker der Rechtsphilosophie des 20. Jahrhunderts seinen kanonischen Rang zu behaupten vermochte – vermutlich, weil diese Texte und die in ihnen abgehandelten Probleme uns noch nicht „fern genug“, uns immer noch „zu nahe“ sind und daher noch „zu wenig“ klassisch anmuten mögen?

Ein einzigartiger Zeitzeugenbericht liegt mit den gesammelten Artikeln Conrad Talers (Kurt Nelhiebels) über den Auschwitzprozeß vor:

Conrad Taler: Asche auf vereisten Wegen. Berichte vom Auschwitz-Prozeß.
Mit einem Beitrag von Irmtrud Wojak.
2., aktualisierte und erweiterte Auflage
PapyRossa Verlag, Köln 2015
Neue kleine Bibliothek Band 87
171 Seiten, 13.90 EUR
ISBN: 978-3-89438-263-6

Die 2003 erschienene Erstauflage dieses Buchs, das insbesondere als Lektüre im Deutsch- und Geschichtsunterricht ideal dazu geeignet wäre, jungen Menschen die Schrecken unserer Geschichte vor Augen zu führen und Wege zu deren adäquater Aufarbeitung aufzuzeigen, zierte noch ein Essay eines ranghohen Mitarbeiters des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts und wurde vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut lange Zeit beworben – später stellte man dort aber überraschend fest, daß das Buch einige Mängel aufwiese, die man zuvor übersehen haben mußte. Die Neuauflage enthält nun statt des Essays des ranghohen Mitarbeiters des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts einen wissenschaftlich wesentlich qualitätvolleren Beitrag von Irmtrud Wojak und wird nun vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut nicht länger beworben, dafür aber – boykottiert und bekämpft; was sonst?

Schließlich sei noch einmal an die Dezemberausgabe 2015 des im Lucius Verlag erscheinenden Forschungsjournals „Soziale Bewegungen“ erinnert, die einen umfangreichen Fritz-Bauer-Schwerpunkt mit zahlreichen wissenschaftlich hochstehenden und gewichtigen Beiträgen namhafter Autorinnen und Autoren beinhaltet und eine reichhaltige Materialiensammlung darstellt.

Fritz Bauers geistiges Vermächtnis ist nicht tot, und es ist gewiß auch nicht „totzukriegen“ – es ist aber noch lange kein geistiges Allgemeingut geworden: Die ungeheuerlichen Maßnahmen gegen die Gebrüder Bender und die feigen Morddrohungen gegen sie und unseren weltexpresso-Kollegen Klaus Philipp Mertens legen davon ein trauriges Zeugnis ab und dürften zudem lediglich die Spitze des Eisbergs darstellen.

Am 5. 2. 1964 hielt Fritz Bauer in den Räumlichkeiten der Frankfurter Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität einen Vortrag zum Thema „Kriegsverbrecherprozesse und politisches Bewußtsein – dienen KZ-Prozesse der politischen Aufklärung?“, welcher am 7. 3. 1964 in Auszügen von der in Frankfurt am Main erscheinenden antifaschistischen Wochenzeitung DIE TAT veröffentlicht wurde. Fritz Bauer sagt darin: „Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“ (zitiert nach: Conrad Taler: Asche auf vereisten Wegen. Berichte vom Auschwitz-Prozeß. Mit einem Beitrag von Irmtrud Wojak. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage, PapyRossa Verlag, Köln 2015, S. 160).

Dies zu verhindern und den „Kampf für des Menschen Rechte“ unbeirrbar fortzusetzen, „ist des Schweißes aller Edlen wert“ – aller Edlen, möchten wir hinzufügen, welcher politischen Couleur auch immer, wofern sie nur bereit sind, gemeinsam für Humanität und Toleranz zu streiten: Es bleibe eine Mahnung – nein, eine Ermunterung für uns alle!

 

Foto:

Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie sofort die Übereinstimmung der Person in der oberen Kopfleiste des Weltexpresso und der Titelabbildung erkennen. Aus gutem Grund hatten wir den zutiefst der Aufklärung verpflichteten Fritz Bauer zu den 'Säulenheiligen' von Weltexpresso erklärt. Übrigens in guter Nachbarschaft. Neben ihm ist Karl Marx zu sehen, unter ihm links Hannah Arendt, rechts Hegel.