Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Februar, Teil 5
Filmheft und James Schamus
New York (Weltexpresso) - Zwar stellten die umfangreichen Lookbooks und Recherche-Dossiers eine wichtige Richtlinie dar, um den richtigen Look für den Film zu finden, aber die Filmemacher gingen noch einen Schritt weiter und versuchten, auch die Psyche dieser Ära zu verstehen.
„Es gab ein Gefühl der Unsicherheit bei der jüngeren Generation, die weder konkrete Möglichkeiten hatte, sich von der vorherigen Generation abzugrenzen, noch wusste, wie es weiter gehen wird“, erklärt Schamus. „Auf den Zweiten Weltkrieg folgte eine ungewisse Zeit. Die sexuelle Revolution ließ noch auf sich warten, Antikommunismus und die Schwarze Liste bestimmten die Nachrichten, und die Jugendkultur, so wie wir sie kennen, steckte noch in den Kinderschuhen. Und währenddessen tobte auf der anderen Seite des Ozeans wieder ein grausamer Krieg. Unsere Figuren haben wirklich schwer damit zu kämpfen, sich in diesem Umfeld selbst zu finden.“
Um das Seelenleben ihrer Figuren besser zu verstehen, mussten die Schauspieler auch in das intellektuelle Leben der Studenten eintauchen. Um das Studentenleben im Jahr 1951 besser begreifen zu können, stellten die Filmemacher Kursbeschreibungen und Lehrpläne der Bucknell Universität (Roths Alma Mater) und der Mount Holyoke (Huttons früherer Schule) zusammen.
„Marcus ist so viel klüger, als ich es bin“, scherzt Lerman. „Um wirklich zu begreifen, was er sagt, habe ich sehr viel recherchieren müssen.“ Einen Monat vor Drehbeginn traf sich Lerman mit Schamus in New York, um in Marcus’ körperliche und geistige Welt einzutauchen. Neben Bertrand Russells „Warum ich kein Christ bin“ las Lerman viele Texte aus verschiedenen Gebieten, von der Politikwissenschaft über die Philosophie bis hin zur Poesie. Er hatte sogar die Möglichkeit, in den damals verwendeten Lehrbüchern zu blättern. „Es war wirklich eine tolle Erfahrung mit James zu arbeiten“, erzählt Lerman. „Er gab mir großartiges Material, und wir hatten viele Gespräche – das alles hat mir sehr geholfen, mich in das Innenleben meiner Figur hineinzudenken.“
Um die Seele von Olivia Hutton auszuloten, musste Gadon eine Auswahl französischer Literatur lesen und das damalige Kursangebot vom Mount Holyoke Institut für französische Sprache und Literatur studieren, in dem alle erforderlichen Anforderungen aufgelistet waren. Schauspieler Ben Rosenfield, dessen Figur Bertram Flusser sich im Film auf eine College-Produktion von Shakespears „Was Ihr wollt“ vorbereitet, musste sogar die Rolle des Malvolio auswendig lernen. „James hatte mir diesbezüglich bereits ganz zu Anfang einen sehr hilfreichen Ratschlag gegeben: Ich sollte sowohl auf die Dynamik meiner Figur achten, aber auch auf die Dynamik der Figur, die meine Figur spielt“, erinnert sich Rosenfield. „Ich wählte „Was Ihr wollt“, weil der Text es Flusser erlaubt, seine Liebe offen zu verkünden und sie zugleich geheim zu halten. Wie Malvolio ist Flusser ein Außenseiter in einer Welt, die versucht, das Begehren ihrer Figuren zu regulieren und zu „normalisieren“ – und außerdem ist es fast unheimlich, dass Malvolios Objekt der Begierde in Shakespeares Stück ebenfalls Olivia heißt!“
Anstatt das zusätzliche Lernen als Belastung anzusehen, begrüßten Cast und Crew die tiefgehenden Recherchen als besondere Form der Zusammenarbeit. „Es war toll, mit James Schamus zu arbeiten. Er hat im Laufe seiner Karriere so viele verschiedene Dinge getan“, erinnert sich Gadon. „Aber die Eigenschaft, die ich am meisten an ihm schätze, ist seine Art der Zusammenarbeit. Da kommt der Professor in ihm durch. Zu Beginn des Films gab er uns viele Hausaufgaben auf und sagte: „Lies dies. Schau das.“ Dadurch fühlt sich der Film auch wie ein Teil von uns an, und ich glaube, dass gute Regisseure das Selbstvertrauen haben, dies zu tun. Sie sind bereit, offen zu sein.“
Foto:
Studentinnen am Nordeingang von Skinner Hall, Mt. Holyoke, 1950er Jahre. (Quelle: http://mtholyoke.cdmhost.com/cdm/compoundobject/collection/p1030coll8/id/14210/rec/19) (c) Filmheft
Info:
DIE BESETZUNG
Marcus Messner LOGAN LERMAN
Olivia Hutton SARAH GADON
Dean Caudwell TRACY LETTS
Esther Messner LINDA EMOND
Max Messner DANNY BURSTEIN
Bertram Flusser BEN ROSENFIELD
Sonny Cottler PICO ALEXANDER
Ron Foxman PHILIP ETTINGER
Marty Ziegler NOAH ROBBINS