67. BERLINALE vom 9. bis 19. Februar 2017, WETTBEWERB, Teil 18

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) –  Man muß einfach seine Erinnerungen an das damalige Lesen von Frischs MONTAUK vergessen. Denn diese Erinnerung - und auch nicht das neuerliche Lesen - sind nicht der Gradmesser, an dem die Verfilmung gemessen werden darf. Volker Schlöndorff hat sein eigenes Leben in das Gewand von Frischs Werk gewickelt.


Am Schluß widmet er ihm auch noch den Film, denn er hatte bei der ersten, der richtigen Frischverfilmung von HOMO FABER den Schweizer Schriftsteller und Frauenliebhaber gut  kennengelernt und den kleinen Ort Montauk, ein amerikanisches Küstenstädtchen am Ende von Long Island, darf man ohne eine Erwähnung von Max Frisch auch nicht in den Mund nehmen. Das Thema ist sozusagen von der Literatur besetzt mit einer kurzfristigen Affäre, mit der die gescheiterten Liebesbeziehungen in dieser Erzählung angesprochen, aber nicht ‚erledigt‘ werden konnten.


New York. Im Gegensatz zu 1975,  als die Erzählung MONTAUK  von Max Frisch erschien, sehen wir heute dauernd Szenen, die in New York spielen. Im Film kommt der in Berlin lebende ‚skandinavische‘ Schriftsteller Max Zorn (Stellan Skarsgård) zur Vorstellung seines neuesten Romans nach New York, wo er vor Jahren in der National Libery gearbeitet hatte. Das Buch – das bekommen wir bald mit – handelt von seiner unglücklich endenden Liebesgeschichte in New York. Er hofft bei seinen Lesungen Rebecca – die alte Liebe – auftauchen zu sehen. Als dies nicht geschieht und er nur einen alten Freund von damals trifft, preßt er diesem ihre Telefonnummer sowie Büroadresse und dann auch noch die ihrer privaten Wohnung ab. Er taucht noch in der gleichen Nacht unangemeldet bei ihr auf. Erst war Rebecca (Nina Hoss) noch sehr reserviert und um nicht zu seiner Lesung zu gehen, besuchte sie mit ihrer Freundin ein Konzert, die sie nach Hause begleitete. Gerade dann meldet er sich über den Portier in ihrer Luxuswohnung mit den schönen Katzen – sie ist Anwältin in einer angesagten Kanzlei und richtig reich – und sie läßt ihn gegen ihr Gefühl herein.

Die Freundin ist von ihm begeistert, Rebecca weniger, die ihn ziemlich schnell höflich hinauskomplimentiert. Doch am nächsten Tag ruft sie ihn an und schlägt ihm für Samstag eine gemeinsame Fahrt nach Montauk vor. Dieser kleine Ort – zwei Stunden von New York entfernt – war auch damals der Ort, wo die beiden glücklich waren, das Unglück kam später. Wie dieser Film-Max in der Geschichte seine Frau Clara vergißt, so haben auch wir Clara (Susanne Wolff) noch gar nicht vorgestellt, die ihn am Flughafen abgeholt hatte, weil sie ein Praktikum in New York ableistet und dazu, wie er sehr viel später feststellt,  auch einen männlichen Unterstützer an der Hand hat. Und im Bett.

Auf jeden Fall fährt Max mit großen Hoffnungen am Samstag mit Rebecca los und diese Hoffnungen erfüllen sich auch. Denn beide tauchen in die Vergangenheit ein, empfinden eine Nähe und Leidenschaft, die beide glücklich macht. Er sagt sofort, er will mit ihr leben, aber dann wird sie es sein, die ihm dann bei aller Verbundenheit zeigt, daß sie eine andere Frau geworden ist. Sie hatte, nachdem er sie verlassen hatte, so empfand sie es und so war es auch, noch einmal eine große Liebe getroffen. Doch dieser Mann starb mitten auf der Straße. Herztod. Darüber kommt sie nicht hinweg und er ist der falsche Mann, um einer Frau aus einer solchen Situation zu helfen.

Der Film läßt im Betrachter unterschiedliche Gefühle aufleben. Die Szenen zwischen Max und Rebecca sind teilweise wunderschön inszeniert, gespielt und in das spezifische Licht von Montauk an der Atlantikküste getaucht. Nina Hoss ist immer eine wunderbare Schauspielerin, die einen in jeder Regung interessiert. Es gibt den ganzen Film über herrliche Bilder. Auch der Anfang ist rasant und konfrontiert mit sehr eigenen Zeitgenossen. Aber dennoch liegt auch etwas Unlebendiges über der Szenerie, etwas, was eigentlich erst am Schluß erfahren werden soll, wenn der Schriftsteller sagt, er sei einem Geist begegnet und damit Rebecca meint. Die Zwiespältigkeit des eigenen Gefühls irritiert, weil man den Film gerne viel emotionaler gutheißen möchte.

Zur Pressekonferenz

Fragen nach Autobiographischem im Film. Die Frage gilt nicht nur dem Buch und Drehbuch,  sondern wohl auch dem Regisseur.  Und der sagt ganz offen, daß der Film eine Mischung von Dichtung (seine Anteile) und Wahrheit (der Roman) sei.
Er hat kein Casting gemacht, sondern die Besetzung sich selber ausgedacht und war froh, daß alle zusagten.
Länger spricht er darüber, was wir als versäumtes Leben, verpfuschtes Leben empfinden. Dann spricht Schlöndorff von seinen Erfahrungen mit Frisch, mit dem er auch bei Homo Faber 1990 zusammenarbeitete.

Foto: © berlinale.de

Info:

Volker Schlöndorff
Deutschland / Frankreich / Irland 2017
Englisch
106 Min · Far
mit Stellan Skarsgård, Nina Hoss, Susanne Wolff, Niels Arestrup, Isi Laborde