Zu dem Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“
Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Als „Der Staat gegen Fritz Bauer“ in die Kinos kam, habe ich mich gewundert über das schiefe Bild, das der Film von dem Mann zeichnet, der als politischer Mensch an der deutschen Geschichte mitgeschrieben und sie zum Guten hin beeinflusst hat. So jedenfalls äußerte sich der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, über den von den Nazis verfolgten großen Humanisten.
Von diesem Fritz Bauer bleibt in dem Film wenig übrig. Aber daran sollte er nicht gemessen werden.
„Der Staat gegen Fritz Bauer“ bringt viele Menschen erstmals in Berührung mit diesem einzigartigen Menschen und sie sind tief beeindruckt von dem Film. Die Freunde Fritz Bauers sollten es nicht darauf anlegen, ihnen diesen positiven Eindruck zu nehmen, sondern ihn als Möglichkeit nutzen, ihnen auch den anderen, den politischen Fritz Bauer nahe zu bringen. Von seinem Kampf gegen die Notstandsgesetze und von der politischen Hetzkampagne gegen ihn wissen die wenigsten. Dass er für Abertausende junger Menschen eine faszinierende Leitfigur war, hat ihnen in der Schule niemand erzählt.
Der preisgekrönte und international sehr erfolgreiche Dokumentarfilm „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ von Ilona Ziok wird in Deutschland zwar hier und da gezeigt und gut angenommen, aber er hat es schwer, gegen Spielfilme über Fritz Bauer, die auf Unterhaltung setzen, zu bestehen. Ich habe versucht, den Schauspieler Burghart Klaußner, der in dem Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ den hessischen Generalstaatsanwalt verkörpert, auf einige Aspekte anzusprechen. Hier mein leicht gekürzter, leider unbeantwortet gebliebener Brief an ihn vom 23. September 2015.
Sehr geehrter Herr Klaußner,
in einem Interview mit Almode Film sagen Sie: "Manche Autoren stellen alles infrage, was am Heldenmythos angeblich kratzen könnte, etwa Bauers vermutete Homosexualität oder die Erklärung, in der er sich vermeintlich den Nazis unterwarf." Als einer der angesprochenen Autoren möchte ich feststellen, dass ich Fritz Bauer niemals als Helden bezeichnet noch jemals von einem "Mythos Fritz Bauer" gesprochen habe. Sie selbst bezeichnen ihn in dem Interview als "wahren Helden". Vom "Mythos Fritz Bauer" spricht jener Mann ohne Vergangenheit, der seit Jahren vergeblich versucht, Bauers Intentionen bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Frage zu stellen: Der Erbsenzähler vom Dienst im Archiv des Fritz-Bauer-Instituts, der zwar genau sagen kann, wie viel SS-Leute in Auschwitz Dienst getan haben, dem es aber an Empathie für jene Menschen zu fehlen scheint, die Opfer des Naziterrors geworden sind.
Ich selbst habe, wie Fritz Bauer, politische Verfolgung durch die Nazis am eigenen Leibe erlebt. Nach dem unfreiwilligen Verlassen meiner böhmischen Heimat musste ich mich im Westen Deutschlands mit den sudetendeutschen Nazis auseinandersetzen, die wieder obenauf waren. Ich kann mich gut in Fritz Bauer hineinversetzen. Er hätte es sich verbeten, als Held bezeichnet zu werden. Keiner, der im Widerstand gegen Hitler war, hat diese Bezeichnung je für sich in Anspruch genommen. Die Gegner Hitlers hielten das, was sie getan haben, für ihre menschliche Pflicht. Sie waren der einzige moralische Aktivposten, den Deutschland aufzuweisen hatte, als sich die Welt voll Abscheu von den Deutschen abwandte. Und wie schändlich hat man die Widerstandskämpfer behandelt!
Anders als mancher andere gehen Sie sehr behutsam mit Worten um; Sie sprechen von Bauers vermuteter Homosexualität und seiner vermeintlichen Unterwerfung unter die Nazimachthaber. Das ehrt Sie. Weshalb wird dann in dem Film der gegenteilige Eindruck erweckt? Einer der Rezensenten schreibt, Fritz Bauer habe darunter gelitten, im KZ seinen sozialistischen Idealen in einem Brief öffentlich abgeschworen zu haben. Selbst wenn es so wäre, unkommentiert darf man so etwas nicht stehen lassen. Das war es ja auch, was mich zu meiner Kritik an der Bauer-Ausstellung in Frankfurt veranlasst hat. Zu Lebzeiten Fritz Bauers wäre niemand auf die Idee gekommen, den hessischen Generalstaatsanwalt auf diese Weise ins Zwielicht zu rücken.
Das gilt auch für den Umgang mit der sexuellen Orientierung Fritz Bauers. Selbst auf dem Höhepunkt der politischen Auseinandersetzungen um den hessischen Generalstaatsanwalt spielte sie keine Rolle. Wozu brauchte es im Film eines schwulen jungen Staatsanwalts, der Fritz Bauer zur Seite steht? Ist den Beteiligten niemals der Gedanke gekommen, dass damit die historische Wahrheit verbogen wird?
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Nelhiebel