Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. April, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – DER GEIZKRAGEN wäre der zutreffenere Titel für diesen Film gewesen, bei dessen Anschauen einem in die Glieder fährt, ob und wann man selber mal auf Teufel komme raus hat sparen wollen – aber hoffentlich nicht so auf Kosten von anderen, wie es Francois Gautier (Danny Boon) tut.


Obwohl, ernsthaft betrachtet, ist auch der Begriff Geizkragen bei dem absolut neurotischen Sparzwang des richtig guten Violonisten, noch euphemistisch. Denn Geiz – neuerdings ja in den deutschen Werbungen in seiner Eigenschaft als 'geil' hochgehoben – wäre ja ein, sich selbst durch Verzicht auf Konsum etc. einschränkendes Verhalten. Dieser Francois aber schädigt insbesondere andere.

Von vorne. Man kann in diesem Film viel lachen, weil er auf Komödie angelegt ist, man könnte aber auch viel weinen, weil sich dahinter ja eine menschliche Tragödie versteckt. Was einem auf Dauer eher unangenehm auffällt, das ist die Nichtentscheidung des Regisseurs Frad Cavayé, was er denn nun filmisch erzählen möchte, die Komödie oder die Tragödie. Ob das der Vorlage „Original-Idee:Olivier Dazat“ geschuldet ist, nach der das Drehbuch von Laurent Turner und Nicolas Cuche entstand, wobei aber ausdrücklich vermerkt ist, daß der Regisseur selbst die Drehbuchbearbeitung & Dialoge vornahm, das wissen wir nicht. Wir vermuten aber, daß zu viele männliche Köche den Brei verdorben haben.

Um was es geht? Erst einmal um die Grundentscheidung, einen notorischen Spar- Zwangscharakter ausgerechnet einem Musiker zu verpassen. Einer, dessen Spiel man dann ansieht und anhört, daß der Geiger beim wunderbaren Strich und dem Jubilieren des Bogens in höhere Sphären gelangt, eben auch seelisch. Dazu paßt die Geschichte nicht. Eindeutig nicht. Und die Geschichte geht so: Da ist ein Violinist, der als Musiker sein Auskommen hat. Er hat eine Stelle am Konservatorium, gibt darüberhinaus auch meist unbegabten Schülern Geigenunterricht – und spielt in einem Orchester! Das bringt schon Penunzen.

Egal, was er gerade tut, er sieht immer gleich aus, denn er trägt seinen Anzug bis zur Neige. Es ist ein Tweedanzug, zu dem er einen Rolli trägt, alles irgendwie altmodisch.
Er lebt im Elternhaus, das er nach dem Tod der Eltern so ließ, wie es war und nun also auch die Einrichtung verwohnt. Das Elternhaus steht in einer überschaubaren Siedlung, wo die Nachbarn seine Macken kennen, denn er verweigert ständig, den auf ihn durch Arbeiten  in der Siedlung anfallenden Anteil zu bezahlen, macht stattdessen pausenlos Sparanträge, was man an Kehr- und Pflanzdienste sowie Licht einsparen könnte.

Noch stärker fällt sein menschliches und moralisches Defizit im Geldausgeben in der beruflichen Umgebung auf. So hat er immer zufällig kein Geld dabei, wenn es um das Sammeln für ein Kollegengeschenkt geht – ist aber bei Veranstaltungen oder Feiern immer der Erste am Büffett. Ein absolut widerlicher Typ, den Danny Boon lustvoll ausspielt.

Nur in einer Situation sieht man ihn entspannt, ja nachgerade glücklich: wenn er seinem Banker gegenübersitzt, der ihm die Vermehrung seines Guthaben kündet. Aber, sagt er sich, nach den kurzen heftigen Glücksgefühlen, er könnte doch eigentlich noch mehr sparen: also wird nur noch kalt geduscht, das Licht abgeschaltet, die Straßenlaternen von draußen tun es auch. Und sicher hätte er es auf diesem Weg noch weit gebracht, wenn nicht dieses, rein aufs Sparen gerichtete Leben durch zwei Frauen aufgemischt worden wäre.

Da ist einmal Valérie (Laurence Arné), eine Cellistin, die ihn spielen hört und sich erst in das Spiel und anschließend in den Spieler verliebt. Das glaubt man gerne, denn vom Typ her ist dieser Geiger so die Art verschüchtert, verklemmter Mann, um den sich Frauen gerne kümmern und den sie um so lieber zum Strahlen bringen, weil er das nicht selber kann. Da ist zum anderen Laura ( Noémie Schmidt ). Das ist die härtere Variante, denn die junge Dame steht einfach vor der Tür und behauptet, seine Tochter zu sein.

Und sie ist es auch. Allerdings hat ihr die Mutter erzählt, der Vater führe ein extrem bescheidenes Leben, weil er alles Geld in ein Waisenhaus-Projekt in Mexiko stecke. Das diente wohl als Begründung, weil er sein Kind nie sah und ihm nie etwas schenkte. Und da der Vater so edle Ziele verfolgt, ist Laura auch völlig einverstanden damit, daß sie im Kalten schlafen muß, auf dem Boden auf der Luftmatraze, ja in ihrem Enthusiasmus für seine Ziele geht sie soweit, die Nachbarn zu beschimpfen, daß sie den Vater für sein Sparen für die Waisenkinder auch noch als geizig brandmarken.

Das fordert natürlich Reaktionen, die Nachbaren versinken erst einmal in Schuldgefühle, entschuldigen sich und ...so geht das wie in einer richtigen Komödie weiter, daß sich die Sachlage ständig verändert und der Schuft zum Helden wird, wieder zum Schuft etc. Doch, die Szene, wo er sich in einem Restaurant doch eigentlich Valérie annähern möchte, sich aber wie der Holzhammer benimmt, die hat schon was. Aber es pätschern vor einem lustige Situationen vor sich hin, die eben auf dem Hintergrund einer wirklichen Krankheit nicht lustig bleiben.

Und daß er dann erneut auffliegt, wieder der Schuft wird, soll ihm dann so zusetzen, daß er sich ändert? ...wer's glaubt, wird selig.  

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