DIE DASSLERS - Pioniere, Brüder und Rivalen, heute  und morgen in der ARD , Teil 1/4

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso) - Wir treffen uns in einem großen Raum in einem Berliner Hotel. Christian Friedel und Alina Levshin müssen sich das kleine Mikrofon, das an Friedels Jacke angeklemmt ist, teilen. Und deshalb sitzen die Beiden auch eng beieinander.

"Das ist ja unser erstes gemeinsames Interview!" sagt der Darsteller des Adi Dassler zu seiner Film-Ehefrau Käthe. Gefunden hatte der eher spröde und wie Friedel sagt "nerdige" Dassler seine Frau während einer weiterführenden Ausbildung bei deren Vater, der als Schuhmacher in der Herstellung von Leisten der beste des Landes war.

Adi Dassler, ein ebenso enthusiastischer Schuhmacher wie Sportler war, hatte es sich zum Ziel gesetzt, die besten Sportschuhe zu entwickeln und war unermüdlich darin, dabei immer neue Wege zu finden. Dass das Unternehmen durch Verträge mit Sportverbänden der Leichtathletik und später des Fußballs groß wurde, war zu einem großen Teil auch seinem charismatischen Bruder Rudi Dassler zu verdanken, der ein Menschenfänger und brillanter Verkäufer war.


Auf der Lichtseite der Geschehnisse ergänzten sich die verschiedenen Brüder mit ihren jeweiligen Stärken zum Wohl des Unternehmens. Auf der Schattenseite entwickelte sich durch Andersartigkeit, Unverständnis und Traumatisierungen aus der Kinderheit und Jugend zunehmend Neid und Misstrauen, was durch die Animositäten zwischen den Ehefrauen von Adi und Rudi noch angefeuert wurde. Auch die schwerige Phase während des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkriegs sollten einschneidende Folgen für das Unternehmen, wie auch für die Beziehung der Brüder haben: Rudi wurde eingezogen und Adi führte das Unternehmen nicht gerade im Sinne des älteren Bruders weiter. Zu guter Letzt musste sich Rudi nach seiner
Desertierung lange Zeit noch hilflos im Keller des Unternehmens verstecken und konnte weiterhin nicht nach seiner Manier mitmischen.


Das Ergebnis vier Jahre nach Kriegsende: die Aufteilung der Firma und die Entstehung von zwei Firmenmarken am gleichen Wohn- und Produktionsort Herzogenaurach. Adidas und Puma wurden geboren.

 

Herr Friedel, Was war das Reizvolle für Sie, die Figur bzw. die Persönlichkeit des Adi Dassler zu spielen? Und was wussten Sie bereits im Vorfeld von dieser Geschichte?
Christian Friedel:
 Ich muss gestehen, dass ich die Geschichte von den Adidas- und Puma-Brüdern nicht kannte und nicht wusste, dass der Gründer von Adidas Adi Dassler hieß. So was wird ja auch nicht im Geschichtsunterricht durchgenommen. Als ich mich damit für das Casting beschäftigt habe, war ich gleich völlig fasziniert - auch davon, dass geplant war, die Figuren im Altersspektrum von 22 bis 74 zu spielen. So extrem in die Verwandlung zu gehen und einen Charakter über 50 Jahre lang begleiten zu dürfen, war für mich eine wahnsinnig spannende Herausforderung!



EE: Das klingt nach intensivem Einsatz und nach komplexen Vorbereitungen.
Christian Friedel:  Ich habe mich da rein gearbeitet und hatte das große Glück, mit der Tochter von Adi Dassler zu sprechen und exklusives Material, z.B.  Fotos und Familienvideos, zu sichten, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Darauf sieht man, wie er Sport treibt und auch, wie es mit der Fabrik angefangen hat. Soviel dazu, wie ich zu dieser Figur und zum Spielspaß kam.
Während der Jahrzehnte, durch die wir gegangen sind, ist ja auch geschichtlich wahnsinnig viel passiert. Die Dimensionen all dessen wurden mir tatsächlich durch die Arbeit an dem Film erst so richtig bewusst.


EE: Was macht den Adi Dassler für Sie nun im Kern aus?
Christian Friedel
Was mich fasziniert und wo wir uns vielleicht sehr ähnlich sind, ist, dass er eine Leidenschaft gefunden und auch zu seinem Beruf gemacht hat. In dieser Leidenschaft war er extrem präzise, begeistert und begeisternd - und auch erfinderisch. Die Mischung aus diesem sportlichen Mann, der den Sport vergöttert und liebt und gleichzeitig dafür etwas tut, dass man sportlich zu Hochleistungen kommt, fand ich unglaublich spannend.
Ich bin ja nicht unbedingt der Sportsmann, aber ich habe schon immer gerne gesungen und andere unterhalten, und das habe ich weitergeführt. Diese Haltung ist wohl auch, was uns beide verbindet und was ihn ausmacht. Ich finde auch, dass er ein sehr warmherziger Familienmensch war - und das im Alter wahrscheinlich noch stärker. In jüngeren Jahren waren wahrscheinlich andere Sachen, also seine Erfindungen, sein Handwerk und das Weiterkommen, wichtiger. Auch für Frauen hat er sich anfangs ja gar nicht interessiert. Bis er dann die wunderbare und hübsche Käthe getroffen hat. Und wahrscheinlich konnte er da gar nicht mehr anders! Zu Kollegin Alina Levshin (sie spielte die Rolle seiner Filmfrau), die neben ihm sitzt, mit einem Augenzwinkern und lachend: Wahrscheinlich hattest Du unglaublich schöne, wohlgeformte Schuhe an!

 

EE: So war es in der Inszenierung angelegt! - Alles drehte sich bei Adi erst mal um Schuhe! Wie auch in seiner Begegnung mit einer anderen Frau, mit der sein Bruder Rudi ihn verkuppeln wollte...

Christian Friedel: Bei der Frau und später bei Käthe hat er tatsächlich zuerst auf die Schuhe geguckt. Dann hat er gesehen, dass der Rest von den Schuhen aufwärts bei Käthe auch sehr attraktiv war. (lacht) Dieses leicht Nerdige von Adi Dassler und das Introvertierte sind mir auch sehr nah. Er ist ja nicht so wie Rudi, der mit seiner Empathie einfach so rausgehen und verkaufen kann. Wobei ich persönlich das mit eigenen Projekten durchaus auch mache... Jedenfalls kann ich mich mit der Figur des Adi Dassler sehr identifizieren. Ich fand spannend, zu merken, wie sich der Charakter entwickelt, gerade auch durch den Brüderzwist. Wie er darauf reagiert, und wie er auch in seiner eigenen Firma agiert; obwohl mir das dann nicht mehr so nah war.

 

EE: Wie würden Sie den Grundstock dieser Brüderbeziehung von Kindheit an beschreiben? Inwieweit haben Sie das fiktional entwickelt und was wissen Sie darum?

Christian Friedel: Hanno und ich haben uns natürlich oft gefragt, worin der Grundstock für diesen Zwist liegt und wo er beginnt. Wir beide sind ja sehr große Fans von der Psychologisierung der Figuren: Schon in der Kindheit ist der Weg einer Persönlichkeit sehr stark angelegt. Ich glaube schon, dass das Verhältnis Adis zum Vater eine große Rolle gespielt hat. Er tritt ja in dessen Fußstapfen und forscht dann sogar noch weiter, als das, was dem Vater genügt hätte. Adi hat den großen Respekt seines Vaters, während Rudi mehr zur Mutter hingezogen ist. Dabei wartet Rudi natürlich sehnsüchtig darauf, dass der Vater auch das respektiert, was er kann und was ihn ausmacht. Und unter seiner Bedürftigkeit leidet er natürlich auch.


EE: Die beiden Brüder entwickeln sich dann auch entsprechend anders.

Christian Friedel: Auf ihren unterschiedlichen Wegen werden sie von andern Dingen angetrieben. Dass Rudi im jugendlichen Alter weggeht, flügge wird und sein Ding macht, kann Adi überhaupt nicht verstehen. Sie sind halt zwei sehr verschiedene Charaktere. Wenn sie anfangen, zusammen die Fabrik aufzubauen, ist aber spürbar, dass ja gerade ihre Verschiedenheit ein Erfolgsgeheimnis ist. Sie können unterschiedliche Dinge, die natürlich gerade in der Verbindung zum Erfolg führen. Aber das führt eben nicht nur zum Erfolg, sondern irgendwann dazu, dass sie sich noch mehr voneinander entfernen: Wenn es um ihre unterschiedlichen Vorstellungen davon geht, wie die Fabrik zu führen ist. Wenn dann noch die Frauen dazu kommen, die natürlich auch noch ein Wörtchen mitreden wollen. Wenn der Vater stirbt und später die Mutter sich entscheiden muss, wo sie leben wird. Es ist ein langer Prozess und ein langer Weg, wie sich die beiden Brüder entzweien und wie das auseinanderdriftet.

 

EE: Vom Grundkonflikt her hat die Geschichte durchaus etwas Archaisches. Was hätte passieren müssen, um diese destruktive Entwicklung zu vermeiden - mit Aufteilung des Unternehmens am gleichen Standort und zwei Firmen, die schließlich bis aufs Messer miteinander konkurrieren?
Oder war letztlich diese Konkurrenz zwischen den zerstrittenen Brüdern überhaupt DER entscheidende Antrieb, dass Adidas und Puma weltweit derart erfolgreich wurden?
Christian Friedel: Ich glaube, die Konkurrenz war ein Antrieb dafür, dass es in diese Dimensionen des Erfolgs ging. Auch wenn es teilweise natürlich negativ behaftet war und in einer negativen Energie auseinanderging, bekam die Entwicklung der Firmen wohl durch diese Konkurrenz und durch die unmittelbare Nähe eine Dynamik, die sich verselbständigt hat.

Man hat sich oft fragt, ob es da doch noch mal einen Austausch gab zwischen den Beiden. Wir haben ja in unserem Film mit Absicht zum Schluss ein versöhnliches Bild einer Begegnung zwischen den Brüdern gefunden, die so nicht nachweislich ist.



EE: Die Brüder haben sich also in der Realität nicht mehr getroffen?
Christian Friedel: Man geht nicht davon aus, aber man weiß es nicht. Auch Adi Dasslers Tochter kann nicht mit Gewissheit ausschließen, dass die Brüder sich gegen Ende ihres Lebens doch noch mal getroffen haben. Dafür war sie damals zu klein und darüber wurde später auch nicht gesprochen.
Man denkt sich das so kitschig, aber wenn man die Figuren und die Situation spielt, merkt man, dass der Graben sehr tief ist und - je mehr Zeit vergeht - immer tiefer wird. Und dann Ist es eigentlich auch nicht mehr möglich, wieder zueinander finden - so sehr man sich das als Zuschauer oder als Betrachter von außen wünschen würde.


EE: Ich verstehe genau, was Sie meinen: Als Zuschauer ist man nahezu unerträglich angespannt und befürchtet, dass Rudi Dassler im Film die Klinke zum Hotelraum, in den sein Bruder ihn bestellt hat, nicht runter drückt und wieder geht. Das Öffnen der Tür bringt dann eine große Erleichterung. – Sind Sie selbst eigentlich ein Geschwister, also ein Bruder?
Christian Friedel: Ich bin der Bruder meiner (älteren) Schwester.


EE: Also kein Bruder-Bruder!
Christian Friedel: Nein, ich bin kein Bruder-Bruder. Das Geschwisterverhältnis mit meiner Schwester ist sehr schön und sehr intensiv. Deshalb finde ich es auch umso trauriger, wenn Familienmitglieder nicht mehr miteinander können oder wenn schwarze Schafe ausbrechen.
Familie ist mir sehr wichtig, und ich bin froh, dass ich so eine tolle Schwester habe. Wer weiß, wie es mit einem Bruder gewesen wäre. Ich kenne Freunde, die haben Brüder und die reden gar nicht mehr miteinander. Vielleicht ist das Verhältnis unter Brüdern mitunter einfach auch krasser.

Alina Levshin: Der Altersabstand spielt ja auch eine Rolle. Adi und Rudi Dassler waren altersmäßig ja sehr nah beieinander.

 

EE: Das spielt sicher eine Rolle. Meine ältesten Söhne, die auch sehr unterschiedlich sind, liegen 17 Monate auseinander, und deren Verhältnis ist ebenso nah wie konkurrenzträchtig.
EE: Sie sagten vorhin, Sie und Ihr Kollege Hanno Koffler psychologisieren gerne. Wie erklären Sie sich diese Verratsvision, die Rudi verstärkt entwickelte, als er sich als Deserteur im Keller vor den Nazis verstecken musste? War die fundiert, oder entstand sie eher aus der Bitterkeit heraus?
Christian Friedel: Diese Verratsvision ist fundiert. Wahrscheinlich lief das in der Realität sogar noch aggressiver ab, als wir es dargestellt haben.

 

EE: Was genau ist denn damals passiert, dass Rudi sich ausgebotet, bzw. verraten fühlte?
Christian Friedel: Ich glaube, Rudi war grundsätzlich ein etwas misstrauischer Mensch. Wenn man dann da im Versteck hockt und nichts mehr mit dem Geschäft zu tun hat, hat man die Wahl zwischen Misstrauen und Vertrauen. Wenn Rudi dann als Kontrollmensch in seinem Versteck merkt, dass er die Dinge nicht mehr in der Hand hat, kommen natürlich ganz schnell destruktive Gedanken hoch. Bei Rudi ist das wahrscheinlich so ein urmenschliches Misstrauen.
Vielleicht ist das jetzt
Jeanstaschen-Psychologie, aber: Rudi hatte auch nie das Gefühl, dass man ihm vertraut oder dass man ihn braucht, um das Geschäft wirklich weiter zu führen, und ihm das auch sagt. Das Geschäft des Vaters ist ja mit Adi zusammen super gelaufen, und man brauchte ja nicht unbedingt Rudi noch dazu. Mag sein, dass genau das dazu geführt hat, dass er, als er wie ein Gefangener in seinem Versteck saß, plötzlich dachte: „Die arbeiten jetzt gegen mich!“



EE: Die Firma brauchte aber schon den Rudi und sein Verkaufstalent, um groß zu werden. Es kann aber natürlich sein, dass in dem Moment, als der Erfolg des Familienunternehmens eine Eigendynamik entwickelte, die Sorge bei ihm aufkam, er könnte seine Schuldigkeit getan haben.
Alina Levshin: Es gibt es ja mehrere Stellen im Film, wo von außen die Frage aufkommt, welcher der Beiden denn wichtiger für das Unternehmen ist und wer in den Krieg eingezogen werden kann. Das war natürlich für Rudi auch eine Falle. Durch dieses Eimischen von außen sieht man nochmal den Konflikt durch die Augen der anderen.

EE: Nun ja, Adi war definitiv als Schuhmacher und Erfinder mit besonderen Knowhow, wie die Schuhe zu optimieren sind, besonders wichtig. Und ein „Verkäufer-Bruder“ scheint per se eher austauschbar. Was Rudis Misstrauen betrifft: Kann es sein, dass er als charismatischer Manipulator einfach davon ausgehen musste, dass andere auch manipulieren und tricksen, so wie er?
Christian Friedel: Genau. Man schließt von sich auf andere.
Fortsetzung folgt

Foto: (c) ARD