Festival des mittel-und osteuropäischen Films vom 26. April bis 2. Mai in Wiesbaden, Teil 2
Thomas Adamczak
Wiesbaden (Weltexpresso) - Vom 26.4. bis 2.5.2017 findet zum nunmehr 17. Mal das Filmfestival goEast statt, welches selbstbewusst auf erhebliche nationale und internationale Ausstrahlung verweisen kann. Dieses Festival will nach eigenem Verständnis den kulturellen Austausch befördern. Eine Plattform für einen vielfältigen Diskurs soll geboten werden, um analytische Blicke auf hierzulande weniger bekannte Wirklichkeiten zu ermöglichen.
In einer Zeit, in der gängige Welterklärungsmodelle immer weniger funktionieren, präsentieren die Filme unterschiedlicher (post-) sozialistischer Epochen und Regionen Ausschnitte von Lebenswirklichkeiten, die es erlauben, im Fremden das Eigene in neuem Licht zu sehen und beides, im günstigen Fall, besser zu verstehen.
Mehr als 200 Filmschaffende und weitere Gäste aus dem In- und Ausland werden auf dem Festival erwartet, darunter die polnische Regisseurin und diesjährige Silberne-Bären-Gewinnerin Agnieszka Holland, die serbische Filmikone Mirjana Karanović, die Grande Dame des ungarischen AutorInnenfilms Márta Mészáros, der deutsche Schauspieler Ulrich Matthes und der Produzent Artur Atze Brauner.
Was bietet das Festival?
In aller Kürze einige imponierende Zahlen: Gezeigt werden 111 Filme aus 29 Ländern, darunter 29 Premieren und sechs Weltpremieren. Insgesamt gibt es 129 Veranstaltungen: u.a. mehrere Vorträge, Podiumsgespräche und Diskussionen.
Im Hauptprogramm werden 10 Spielfilme geboten und sechs Dokumentarfilme. Gezeigt werden sie auf acht Leinwänden an verschiedenen Orten, hauptsächlich in Wiesbaden (Caligari, Apollo, Festival Center, Murnau), aber auch in Frankfurt (Deutsches Filmmuseum), Mainz (Palatin), Darmstadt (Rex) und erstmals Gießen (Kinocenter).
Als Eröffnungsfilm wird am Mittwoch, den 26. April, »Meine glückliche Familie« des georgisch-deutschen Regie-Duos Nana & Simon (Nana Ekvtimishvili und Simon Gross) gezeigt, welcher Familienstrukturen und Rollenmuster aus der Perspektive der zweiundfünfzigjährigen Manana betrachtet.
goEast steht dieses Jahr im Zeichen von Filmemacherinnen aus Mittel- und Osteuropa und starken Frauenfiguren im Kino. Festivalleiterin Gaby Babić erklärte auf der Pressekonferenz in der Caligari FilmBühne:
„Auch innerhalb der Festivalszene wird die eklatante Ungleichbehandlung von Frauen in der Branche diskutiert. Festivals zeigen im Durchschnitt viel zu wenig Filme von Frauen. Bei der Recherche unserer historischen Programme fiel auf, dass wir zu bestimmten Phasen der Filmgeschichte so gut wie keine Filme von Regisseurinnen finden konnten. Es gab und gibt offensichtlich Kontexte und Zeiten, in denen es für Frauen besonders schwer war, als Regisseurinnen zu arbeiten. Trotzdem hat es immer Frauen gegeben, die in den mittel- und osteuropäischen Staaten Filme gemacht haben. Und heute gibt es in der europäischen AutorInnenfilmszene einige Frauen aus dem östlichen Europa, die ganz vorne mitmischen. Nun widmen wir uns der Arbeit von Filmemacherinnen aus Mittel- und Osteuropa im Symposium und nicht von ungefähr haben wir in diesem Jahr gleich mehrere Debüts von jungen Regisseurinnen im Wettbewerb.“
Claudia Dillmann, Direktorin des Deutschen Filminstituts, betont: “Mit dem Schwerpunkt auf weibliches Filmemachen zeigt goEast einmal mehr, dass es gesellschaftlich relevante Themen aufgreift und neu zur Debatte stellt. Ausgehend von der Gründungsidee vor 17 Jahren, beim heimischen Publikum ein tieferes Verständnis für die Kultur und Politik der östlichen Nachbarn zu schaffen, hat sich das Festival längst als zentrale Plattform für die Filmszene Mittel- und Osteuropas etabliert, dabei aber stets weiterentwickelt. Dass goEast auch politisch seine Stimme erhebt, zeigt sich etwa in der neuen projektbegleitenden Festivalsektion OPPOSE OTHERING, die sich gegen Ausgrenzung wendet.“
OPPOSE OTHERING ist eines von drei Projekten, mit denen der filmische Nachwuchs gefördert werden soll. Die beiden anderen nennen sich East-West-Lab und Young Filmmakers for Peace. In diesem letzten Projekt geht es um das Thema gewaltsame Konflikte und Kriege und wie das Medium Film zur Überwindung solcher Konflikte und damit zu Frieden und Demokratisierung beitragen kann. Das Projekt wurde 2014 unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine ins Leben gerufen. East-West Talent Lab ermöglicht die Kooperation von dreißig jungen Filmschaffenden in Workshops zu Themen wie Finanzierung und Realisierung von Filmideen in sogenannten Pitchings.
OPPOSE OTHERING ist das jüngste der drei Projekte. Es geht um »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit«. Internationale Regietandems wurden unterstützt bei der Realisierung von Kurzfilmen zu diesem Themenkomplex. In diesem Jahr werden die fertigen Filme zu sehen sein. »Es geht in den Filmen um Themen wie Antiziganismus, um den Kampf von Transgender-Personen um Anerkennung, um inklusiven Schulunterricht«. In diesem Jahr werden weitere 5 der 10 nominierten Tandems mit Produktionspreisgeldern bedacht.
Einen Schwerpunkt des Festivals stellt das Symposium »Feministisch wider Willen« dar. Es geht um Regie-Frauen aus Mittel-und Osteuropa, die mit ihren Filmen für Gleichberechtigung eintreten, sich aber mit der Einordnung in die Kategorien des Feminismus nicht abfinden.
Einen weiteren Schwerpunkt bietet die Sektion „Czech Cinema Now“ mit Tschechien als Fokus.
Zu den Specials dieses Jahr zählen unter anderem die Sonntagsmatinee in Anwesenheit der Regisseurin Agnieszka Holland, die ihren neuen Film FÄHRTE (POKOT, Polen, Deutschland, Tschechische Republik, Schweden, Slowakische Republik 2017) vorstellt und die Welturaufführung von MARINA, MABUSE UND MORITURI - 70 JAHRE DEUTSCHER NACHKRIEGSFILM IM SPIEGEL DER CCC (Deutschland 2017) in Anwesenheit des Produzenten Artur Atze Brauner und seiner Familie.
Foto: (c) goEast
Info: Die unterschiedlichsten Kritiken auf der Berlinale bekam der Film von Agnieszka Holland, der am Sonntag, 30. April im Caligari vorgeführt wird, worauf wir noch gesondert hinweisen wollen, denn er hat aus guten Gründen einen der Berliner Bären erhalten. Unsere damalige Rezension unter
https://weltexpresso.de/index.php/kino/9088-pokot-spoor
Info: http://www.filmfestival-goeast.de/de/