Elf Vorführungen vom 5. bis 7. Mai 2017 im Kino des Deutschen Filmmuseums und bei basis e.V., Frankfurt am Main
Siegrid Püschel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dass der renommierte Theaterregisseur Peter Zadek kontinuierlich für das Fernsehen tätig war, ist nur wenigen bekannt. Der gemeinnützige Kino-Verein Filmkollektiv Frankfurt will dem abhelfen und veranstaltet vom 5. bis 7. Mai in Frankfurt am Main die erste Retrospektive zum filmischen Werk des 2009 verstorbenen Theaterregisseurs.
Die Werkschau „Peter Zadek. Film und Fernsehen“ umfasst elf Vorstellungen im Kino des Deutschen Filmmuseums und bei basis e.V. und macht deutlich, dass sich Zadek auch mit der Kamera humorvoll-kritisch der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft näherte und formale Experimente wagte. Das Programm enthält Fernseh-Adaptionen von klassischen Theaterstücken wie KIRSCHGARTEN (1966) nach Anton Tschechow; satirische Fernsehspiele wie ROTMORD (1967) und DER POTT (1971), die mit bewusst gesetzten Ton- und Bildstörungen die Fernsehproduktion revolutionierten; sowie sozialkritische Spielfilme wie PIGGIES (1969), Zadeks bittersüße Abrechnung mit dem Kulturbetrieb. Die Retrospektive macht Zadeks verschwundenes Œuvre (im Kino) wieder zugänglich: Während etwa der Fernsehkrimi DIE DAME IN DER SCHWARZEN ROBE (1960) nie zuvor im analogen 35mm-Format im Kino zu sehen war, wurden Zadeks Fernsehfilme aus dem Jahr 1964 (Überraschungs-Vorstellung am Freitagabend) extra für die Retrospektive digitalisiert.
Programm „Peter Zadek. Film und Fernsehen“
5.05.2017 Freitag
bei basis e.V.
19:00 DIE KURVE
BRD 1961. D: Klaus Kinski, Gernot Duda, Helmut Qualtinger. 59 Min. digital.
Zwei Brüder leben an einer steilen Straßenkurve, die ständig für Unfälle sorgt und so ihren Unterhalt sichert: Rudolf repariert verunglückte Fahrzeuge, Anton schreibt Leichenreden. Eines Tages kommt jedoch ein Regierungsbeamter, der den Ausbau der gefährlichen Bergstraße anstrebt. Erstmals ausgestrahlt wurde das Fernsehspiel nach dem gleichnamigen Stück von Tankred Dorst im WDR-Abendprogramm „Das gefiel uns damals“.
20:30 VAN DER VALK UND DAS MÄDCHEN
BRD 1972. D: Jurai Kukura, Boy Gobert, Peter Kern, Nora Barner. 104 Min. digital.
Der niederländische Kriminalkommissar Piet Van der Valk ermittelt den gewaltsamen Tod eines Schmugglers. Dabei stößt er nicht nur auf unliebsame Spuren im eigenen Freundeskreis, sondern begegnet erneut einem Mädchen, das er ein Jahr zuvor kennenlernte und seitdem nicht vergaß. Der Film basiert auf Nicholas Freelings Roman „Guns for Butter“ aus der Kriminalromanreihe über den gleichnamigen Kommissar.
22:30 ÜBERRASCHUNGSFILM
06.05.2017 Samstag
Im Kino des Deutschen Filmmuseums
11:00 DIE DAME IN DER SCHWARZEN ROBE
BRD 1960. D: Margot Trooger, Harald Leipniz, Alice Treff. 90 Min. 35mm.
Der Fernsehkrimi nach dem gleichnamigen Roman von Edward Griersen ist der zweite Langfilm Zadeks und sein erstes Engagement für das deutsche Fernsehen. Eine Strafverteidigerin muss sich gleich zu Beginn ihrer Karriere in einer englischen Anwaltskanzlei vor ihren männlichen Kollegen bei einem Mordfall behaupten.
13:00 EISZEIT
BRD 1974/75. D: O. E. Hasse, Ulrich Wildgruber, Hannelore Hoger, Walter Schmidinger. 115 Min. 35mm.
Ein 90-jähriger Literaturnobelpreisträger und Kollaborateur der Nazi-Besatzung wartet in einem norwegischen Altersheim auf seinen Prozess. Der ehemalige Partisan Oswald plant ein Attentat auf ihn, doch stattdessen freunden sie sich an, was Oswald in eine Sinnkrise stürzt.
15:30 DIE WILDEN FÜNFZIGER
BRD 1982/83. D: Jurai Kukura, Boy Gobert, Peter Kern, Nora Barner. 126 Min. 35mm.
Für seinen letzten Spielfilm wurde Zadek dem Produzenten Günter Rohrbach von Rainer Werner Fassbinder vorgeschlagen. Die bunte satirische Komödie lose nach dem Roman „Hurra, wir leben noch“ von Johannes Mario Simmel erzählt vom rasanten Aufstieg und Fall eines Kriegsheimkehrers zu Zeiten des bundesrepublikanischen Wirtschaftswunders.
bei basis e.V.
19:30 ROTMORD
BRD 1967. D: Gerd Baltus, Helmuth Hinzelmann, Werner Dahms, Siegfried Wischnewski. 86 Min. digital.
Basierend auf dem Theaterstück „Toller“ von Tankred Dorst aktualisiert Zadek die Geschichte der Münchner Räterepublik mit Ernst Toller in deren Zentrum – einem Dichter, der, in die Politik gedrängt, zwangsläufig scheitern muss. Der Film ist eine experimentelle Collage aus inszenierten und verfremdeten Szenen, Fotos, Interviews mit Personen, die Toller kannten, Zwischentiteln und comichaften Texteinblendungen.
21:30 DER POTT
BRD 1971. D: Curt Bois, Hans Mahnke, Rosel Zech, Günter Lamprecht. 90 Min. digital.
Eine irische Fußballmannschaft zieht nach dem Pokalgewinn in den ersten Weltkrieg. Der bunten Fernsehfassung der Antikriegssatire in der Bearbeitung von Tankred Dorst nach Seán O’Caseys „The Silver Tassie“ ging Zadeks umstrittene Inszenierung am Wuppertaler Theater voraus. Zusammen mit dem Comic-Zeichner Gay Peellaert verlieh Zadek dem Film die an die Pop-Art angelehnte schrille Optik.
07.05.2017 Sonntag
bei basis e.V.
14:00 KIRSCHGARTEN
BRD 1966. D: Marlen Diekhoff, Klaus Höhne, Illona Grübel. 111 Min. digital.
Im Fernsehen widmet sich Zadek erstmals einem Stoff von Anton Tschechow. Unzufrieden mit den vorliegenden deutschsprachigen Übersetzungen, welche das Werk in ernsthaft-tragischem Licht erscheinen lassen und die komische Note nicht transportieren, lässt er für seine Bearbeitung eine neue Übersetzung anfertigen. Hier beginnt Zadek mit seinen Experimenten mit der TV-Ästhetik.
16:30 PIGGIES
BRD 1969/70. D: Dany Mann, Michael König, Dinah Hinz. 104 Min. digital.
Zadek und Tankred Dorst entwickelten gemeinsam das Drehbuch, welches auf ihren Beobachtungen der linken deutschen Kulturszene basierte. Ihre Darstellung verweben sie mit einem Gerücht über den Regisseur Bernhard Wicki, der angeblich aufgrund einer Krebserkrankung nicht mehr versichert werde und so keine Filme mehr drehen dürfe. Einige der vorgeführten Prominenten spielen sich selbst – so Dorst oder die Standfotografin Roswitha Hecke, andere werden von Schauspielern verkörpert – Robert Muller spielt den Regisseur Wolfgang Ebert, andere treten als Schauspieler auf, darunter der Lyriker Erich Fried und der „Theater heute“-Redakteur Henning Rischbieter.
19:00 DIE GEISEL
BRD 1977. D: Heinrich Giskes, Karl-Heinz Vosgerau, Rosel Zech, Hannelore Hoger. 202 Min. digital.
In der Fernsehinszenierung kulminiert die seit 1961 andauernde Beschäftigung Zadeks mit dem gleichnamigen Stück von Brendan Behan, das er bereits viermal auf der Bühne umsetzte. In Dublin der 1950er Jahre betreiben eine Prostituierte und ein Ex-Revolutionär ein Bordell. Die Kämpfer der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) bringen dort einen jungen englischen Soldaten unter, der gegen einen zum Tode verurteilten IRA-Kämpfer eingetauscht werden soll. Gezeigt wird die ungekürzte Fassung.
Foto: (c) kiwi-verlag.de
Info:
Eintritt:
Einzelkarte: 5 € (basis e.V.) / 7 € (Kino im Deutschen Filmmuseum)
Dauerkarte (Fr-So): 30 € (gilt nur für basis e.V.)
Orte:
basis e.V. (Gutleutstraße 8-12, 60329 Frankfurt am Main)
Kino im Deutschen Filmmuseum (Schaumainkai 41, 60596 Frankfurt am Main
Die Retrospektive „Peter Zadek. Film und Fernsehen“ ist eine Veranstaltung des Filmkollektiv Frankfurt – Projektionsraum für unterrepräsentierte Filmkultur e.V., kuratiert von Svetlana Svyatskaya, in Kooperation mit dem Deutschen Filminstitut – DIF e.V. und Produktions- und Ausstellungsplattform basis e.V. Förderer ist die HessenFilm und Medien GmbH.
Der gemeinnützige Verein Filmkollektiv Frankfurt – Projektionsraum für unterrepräsentierte Filmkultur e.V. präsentiert seit September 2013 unabhängig kuratierte Kinoprogramme in Frankfurt am Main.
Nähere Informationen unter www.filmkollektiv-frankfurt.de
Erste Retrospektive zum filmischen Werk des Theaterregisseurs Peter Zadek
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- Kategorie: Film & Fernsehen