Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Mai 2017, Teil 14
Filmheft
Berlin (Weltexpresso) – Terrence Malick steht häufig auf der Shortlist jener Regisseure, mit denen führende Schauspieler unbedingt zusammenarbeiten möchten. Für seine zwei Paare in SONG TO SONG spannte er vier der zurzeit besonders angesagten Stars zusammen: die Oscar-nominierte Rooney Mara, Ryan Gosling, Michael Fassbender sowie Oscar-Preisträgerin Natalie Portman. Furchtlos warfen sich die Schauspieler in diesen Film voller Gefühle und Rätsel.
„Terry ist ein feinfühliger Geschichtenerzähler, deswegen glaube ich, lieben die Schauspieler ihn”, weiß Sarah Green.
„Hier sehen wir außerordentliche Talente, die sich auf ganz neue Art versuchen”, fügt Gonda hinzu. „Terrys andere Art Regie zu führen, reizt die Schauspieler sich neu zu entdecken. Sie sind bereit Wege zu gehen, die sie in ihrer technischen Ausbildung nicht beschritten haben.”
Die Rolle der aspirierenden Songschreiberin Faye hat Rooney Mara übernommen, die sich durch ihre Parts in einigen der heiß diskutierten Filme der vergangenen Jahre einen Namen gemacht hat. Sie war Mark Zuckerbergs frühe Freundin in The Social Network (The Social Network, 2010), die Punk-Hackerin Lisbeth Sanders in The Girl with the Dragon Tattoo (Verblendung, 2011) und die angehende Fotografin in dem in den US-Fünfzigerjahren angesiedelten Melodram Carol (Carol, 2015).
An ihrer Rolle der Faye gefiel Mara die Möglichkeit, die Extreme der Liebe zu erforschen, während diese nach neuen Erfahrungen strebt und das authentische Leben sucht. Ist Faye wirklich eine Künstlerin, ist sie wie ihre Helden bereit, sich ins Unbekannte zu stürzen? Was wäre, wenn sie reüssieren würde? Wäre das alle Opfer Wert? Es hungert sie nach einem freien Leben. Aber was ist das genau? Und warum scheint es so schwer zu erreichen erreichbar zu sein? Und warum fühlt sie sich immer noch so allein, obwohl es ihr an Liebhabern und Freunden nicht mangelt?
Mara taucht tief in dieses Leben voller zahlreicher Zweifel ein, findet als Faye Trost in der Musik und zig Affären findet – nur um schließlich doch von diesem Abstand zu nehmen.
„Rooney versteht es, überaus expressiv zu agieren, man sieht bei ihr immer was unter der Oberfläche vor sich geht”, observiert Green. „Sie ist eine dieser schauspielerischen Ausnahmekönner, die auch wenn sie ganz ruhig ist, viele Emotionen zeigen kann. Sie arbeitet diese für Faye typischen Gegensätzlichkeiten hervorragend heraus, sie wirkt lieb und führt zugleich ein wildes Leben. Terry hat es genossen mit ihr zu arbeiten und mit ihrer Hilfe eine erstaunliche Figur geschaffen.”
Mara, die keinerlei musikalische Vorbildung besitzt, näherte sich ihrer Figur an, indem sie Gitarrenunterricht nahm, unter anderem bei Annie Clark, die man auch als vielseitige Musikerin St. Vincent kennt. „Annie, die inzwischen meine Freundin ist, gab mir, um Terry einen Gefallen zu tun, meine ersten Gitarrenstunden. Sie lehrte mir ein paar Griffe und erklärte, worum es beim Songschreiben geht”, erinnert sie sich.
Trotz der wenigen Unterrichtsstunden, stand Mara bald bei Musikfestivals auf der Bühne. „Bei diesen Festivals zu drehen, war überaus aufregend – ich hatte noch nie zuvor so ein Festival besucht“, gesteht sie. „Es war sehr herausfordernd. Ich fühlte mich wie in einem Aquarium – mit Kameras, die mich umkreisten, und Leuten, die mich anstarrten. Ich hatte das Glück, dass niemand mich erkannte oder dafür interessierte, wer ich war. Für Ryan war das viel härter, weil dauernd Leute zu ihm kamen und mit ihm fotografiert werden wollten. Es war recht furchteinflößend alle diese bekannten Musiker zu treffen – just in dem Moment, als die Kameras liefen und ich meinen Part spielen musste.”
Ihre Co-Stars waren für Mara ihr Rettungsanker. „Immer wenn ich mich verloren fühlte, kam Ryan zu mir und schlug mir einen Weg vor, es anders zu probieren”, erzählt sie. „Ich konnte mich diesbezüglich voll auf ihn verlassen. Ich fühlte mich immer sehr sicher, wenn er in meiner Nähe war. Und auch mit Michael war es fantastisch zu arbeiten, er ist sehr offen und probiert breitwillig jederzeit neue Sachen aus.”
Fayes Seelenverwandter ist BV, der kurz davorsteht, eine steile Karriere zu machen. Er versucht seinen Erfolg im Musikbusiness mit den Verpflichtungen, die er noch zu Hause in seiner kleinen Westtexanischen Heimatstadt hat, in Einklang zu bringen und muss obendrein noch zu sich selbst finden. BV wird von Ryan Gosling porträtiert, der 2017 für einen Oscar als bester Hauptdarsteller in La La Land (La La Land, 2016) nominiert war. Er spielt da eine andere Art von Musiker, einen Jazzliebhaber, der mit der Moderne ringt.
Terry ist ein Bewunderer von Ryan seitdem dieser mit der Schauspielerei angefangen hat – und umgekehrt kennt Ryan Terrys Arbeiten und hat schon lange mit ihm arbeiten wollen. „Er ist ein toller, großzügiger und authentischer Kerl mit ungeheuer viel Talent“, schwärmt Green.
Ken Kao merkt an, dass Gosling als BV eine starke Veränderung durchläuft, womit viele Menschen sich identifizieren können. „Ich glaube viele Leute können nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn man in eine neue Stadt kommt, sich dort zu einzuleben und beruflich Fuß zu fassen versucht – und obendrein auch noch wissen soll, wie treu man seinem Wurzeln bleiben muss.”
Kao war beeindruckt, wie schnell sich Gosling in die Musikerseele von BV einfand. „Ryan ist ein fantastischer Schauspieler und besitzt zudem das musikalische Verständnis, um BV zu begreifen. Er ist einer der freundlichsten Menschen, die ich kenne. Das ist kein Lippenbekenntnis“, sagt er. „Das zeigt sich auch in seiner Rollenwahl und dem Aufwand, den er für jeden seiner Parts betreibt. Er bemüht sich stets aufrichtig.”
Dieser Ansinnen sich voll in seine Rollen einzufühlen, erstreckte sich auch auf die Musik. Der Cutter Rehman Ali erinnert sich: „Weil Ryan selbst ein Musiker ist, brachte er viele seiner eigenen Songs mit. Er kam jeden Tag mit seinem kleinen Casio auf den Set und hörte sich seine Lieblingslieder an. Viel von der Musik, die BV hört, ist auch Ryans Musik.”
Das Verhältnis zwischen Faye und BV verkompliziert der Mann, der sowohl Fayes heimlicher Liebhaber als auch BVs Mentor ist: Cook, gespielt von Michael Fassbender. Fassbender hat in seiner langen Karriere schon die unterschiedlichsten Rollen gespielt, man erinnere sich nur an seine Parts in Steve McQueens Hunger (Hunger, 2008), Shame (Shame, 2011) und 12 Years a Slave (12 Years a Slave, 2013). Er war außerdem der legendäre Steve Jobs (Steve Jobs, 2015) und Erik Lehnsherr alias Magneto der X-Men-Serie. Fassbender ist in SONG TO SONG als Cook die erfolgreichste und auch skrupelloseste Figur. Er ist ein bestens vernetzter Musikproduzent, dem es weder an Macht noch an Reichtum fehlt – dafür aber an Zufriedenheit.
Malick hatte Fassbender in Hunger gesehen, wo er den sich im Hungerstreik befindlichen IRA-Häftling Bobby Sands verkörpert, und daraufhin sein Interesse bekundet, mit ihm zu arbeiten. Wegen ihrer vollen Terminkalender dauerte es jedoch einige Jahre, ehe sie für SONG TO SONG zusammenfanden.
Fassbender schätzt Malicks Art zu arbeiten und fand in Cook eine Rolle, deren dunkle Seiten er gerne auslotete. „Cook ist jemand, der denkt, dass er über dem Gesetz steht und sich alles herausnehmen darf. Aber er ist innerlich leer, wenn man so will ein Geist“, führt Nicolas Gonda aus. „Michaels Spiel ist verführerisch, man sieht jemanden, der ein Leben führt, von dem viele träumen. Aber dann merkt er, welchen Preis er dafür zahlen muss, dass er immer nur um sich selbst kreist.”
In einer frühen Notiz skizzierte Malick Fassbender, wie er sich dessen Part vorstellte. „Er schrieb, dass er die Figur wie die des Satan aus John Miltons ‚Das verlorene Paradies’ sah. Daran orientierte ich mich”, sagt Fassbender. „In meinem Part sorge ich stets für Aufregung und provoziere ständig meine Mitmenschen.”
Er fährt fort: „Cook ist ein extrem reicher Musikproduzent, der jeden Kick genießen will, den er sich kaufen kann. Er liebt es, die Leute in seiner Umgebung in seine materielle Welt zu locken. Es ist fast so, als wünsche er sich, dass sie ihm in seiner Verderbtheit Gesellschaft leisten. Aber er ist auch auf einer Reise zu sich selbst – und die ist hoch interessant.”
Fassbender sah Cook als Mann, für den die Macht gleichermaßen ein Aphrodisiakum als auch eine Last ist. „Ich sagte mir, dass meine Figur einen Feldzug gegen Gott führt, weil er denkt, er sollte eigentlich selbst Gott sein. Er nimmt jede Menge Drogen und ist Willens alles auszuprobieren, weil er meint, dass er in höhere Sphären gehört. Er ist manipulativ und je höher er aufsteigt, umso finsterer wird es um ihn herum. Dennoch besitzt er gute Seiten. Er ist überaus aufgeschlossen und man sieht wie sehr er leidet.”
Während seiner Liaison mit Faye trifft Cook eine ausgebrannte, am Boden zerstörte Kellnerin in schweren Geldnöten, die von seinem Reichtum überwältigt ist. Cook ist wie vor den Kopf geschlagen als er herausfindet, dass seine Obsession für Rhonda, den starken Gefühlen entspringt, die er für sie hegt.
Green erläutert: „Cook empfindet die Beziehung zwischen BV und Faye als echt und tief, das macht ihn eifersüchtig und kränkt ihn. Er will, was sie haben. Also wendet er sich jemandem zu, der ihn braucht. In diesem Fall Rhonda, in die er sich verliebt. Aber Cook ist ein Mann, der nicht sieht was für Folgen sein Tun für seine Mitmenschen hat. Und so verletzt er die einzige Person, die er wirklich liebt. Das ist der Wendepunkt des Films – wie er mit seinem herzlosen Vorgehen konfrontiert wird.”
Gonda über Cooks Wirkung auf Rhonda: „Es ist das erste Mal im Leben dieses Mannes im Porzellanladen, dass er erkennt, was er kaputtmacht.”
Fassbender genoss es, gegen die unterschiedlichen Figuren von Mara und Portman anzuspielen. „Rooney besitzt diese ganz spezielle Energie”, weiß er, „selbst wenn sie die einfachsten Dinge tut, kann man die Augen nicht von ihr abwenden. Das ist wirklich beneidenswert. Und mit Natalie war es ebenso einfach zu arbeiten. Es kann frustrierend sein, wenn man mit jemandem improvisieren muss, aber mit Natalie war das überhaupt kein Problem. Es klappte vom ersten Moment an.”
Portman, die in den Part der Rhonda geschlüpft ist, war jüngst als Titelheldin in Pablo Larraíns vielfach ausgezeichnetem Leinwandporträt Jackie (Jackie: Die First Lady, 2016) zu sehen. Davor hat die vielseitige Schauspielerin schon in zahlreichen Rollen überzeugt, darunter – Oscar-gekürt – als Ballerina, die den Verstand verliert, in Black Swan (Black Swan, 2010) oder als Arbeiterheldin in der Comicadaption V for Vendetta (V wie Vendetta, 20045). Bei SONG TO SONG kooperiert sie zum zweiten Mal mit Malick.
Green erzählt: „Natalie ist ein überaus großherziger Mensch und hier porträtiert sie eine Figur, die an das Gute in der Welt glaubt und auch davon überzeugt ist, dass sich alle Schwierigkeiten aus der Welt schaffen lassen. Die Tragödie ihrer Figur besteht darin, dass ausgerechnet Cook sich in sie verliebt. Anstatt ihr ihren Idealismus auszutreiben, versucht er ihn zu übernehmen. Wie alle anderen Schauspieler auch, stürzte sich Natalie furchtlos in ihren Part.”
Portman beschreibt Rhonda als „jemanden, die in arger finanzieller Not steckt und deren Mutter – die sie über alle Maßen liebt – gerade eine schwere Zeit durchmacht. Genau in diesem Moment taucht Cook auf. Er erscheint ihr wie ein Retter, führt sie jedoch auch auf Abwege.”
Sie versteht, warum Cook sich zu Rhonda hingezogen fühlt. „Man kann sehen, wie es Rhondas Leben verändert, als er dieses betritt. Plötzlich ist da ein Mann, der ihrer Mutter ein Haus und ihr wunderbare Dinge kaufen kann”, erläutert Portman. „Mit einem Mal ist es so, dass jemand auf sie aufpasst, wie noch nie jemand zuvor. Hinzu kommt, dass sie sich endlich um die Menschen kümmern kann, die sie liebt.”
Das alles verändert für Rhonda das Leben, gleichzeitig ist sie nun aber auch Cooks Kontrollwahn ausgesetzt. „Terry sah Cook immer als Art Teufel oder Schlange, die alle Menschen, die er trifft in Versuchung führt”, erläutert Portman. Trotz ihrer turbulenten Filmbeziehung genoss Portman die Möglichkeit, so eng mit Michael Fassbender zusammenzuarbeiten. „Ich bin zuvor nie mit Michael vor der Kamera gestanden und es war für mich eine große Überraschung wie lebendig, intensiv und einfallsreich er zu jeder Zeit ist”, fasst sie zusammen.
Nicht minder prominent besetzt sind die Nebenrollen, die neben dem Hauptdarstellerquartett Fassbender, Gosling, Mara und Portman in Erscheinung treten. Das „Bond-Girl“ Berenice Marlohe aus Skyfall (James Bond 007 – Skyfall, 2012) spielt eine einsame Französin, die eine aufschlussreiche Affäre mit Faye hat, die Oscar-Gewinnerin Holly Hunter besticht als Rhondas verarmte Mutter und Val Kilmer gibt einen selbstzerstörerischen Rockstar. Komplettiert wird der Cast durch eine Vielzahl verschiedenster Musiker, die genau jene künstlerische Welt schaffen, in der sich die Liebenden treffen und verirren.
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