Der Verwandlungskünstler Ennio in Ost-Hessen zu Gast
Hanswerner Kruse
Schlüchtern (Weltexpresso) - Selten hat man ein Publikum im Bergwinkel derartig begeistert, ja geradezu enthemmt erlebt, wie beim Auftritt des Verwandlungskünstlers Ennio im Kuki-Zelt: Aus einer Hiphopperin wird die Disco-Sängerin Gloria Gaynor, aus Udo Lindenberg die Biene Maya.
Dazwischen tauchen Diana Ross oder Opernfiguren wie Carmen auf, die britische Queen wandelt sich zu Freddie Mercury, den Sänger von „Queen“. Die bekanntesten Stücke der jeweiligen Entertainer werden fast immer nur kurz angespielt. Ennios Playback dazu ist so perfekt, dass man oft meint, er singt selbst und macht Karaoke. Jeweils nach zwei, drei Metamorphosen huscht er kurz hinter die Bühne und wechselt hurtig seine Papierkostüme, die er dann jeweils mehrfach öffentlich verändert. Mit perfekter Körpersprache und Tanz, kräftiger Mimik und Gestik, später auch mit allerlei Slapsticks, verwandelt sich der Künstler seinen Figuren an.
Der Mann ist ein Zauberer - nach zehn Minuten liegt ihm das Publikum zu Füßen, klatscht und singt mit. Wie will er das noch steigern? Ständig packt man die Kamera für die Pressefotos weg, genug sind gelungen, doch andauernd muss man sie erneut zur Hand nehmen. Denn unaufhörlich übertrifft Ennio seine lebenden Bilder mit noch besseren Kostümen bei farbigem Licht und etwas Theaternebel - vor allem aber mit sich selbst!
Fast unmerklich verändert er auch seine Mittel, manchmal hakt die Platte und Ennio wiederholt endlos einen Refrain. Aus seinen Papierverkleidungen kommen ab und zu weitere Gesichter und so erleben wir die Supremes mit drei Köpfen und sechs Armen. Aus den vier Performern von Kraftwerk wird Dieter Bohlen von Modern Talking. Gelegentlich singen die Stars auch länger, etwa Michael Jackson sein „I’m Bad“ oder Helene Fischer ihr „Atemlos durch die Nacht“, zum Schluss übrigens mit einem papiernen Sauerstoffgerät. Adele probiert mit ihrem Song „Hello“ diverse Papiertelefone: „Can you hear me...?“ Insgesamt brennt der Camoufleur ein brillantes Feuerwerk mit gewiss 60 Auftritten und 200 Figuren ab.
Ennios Schau ist zwar nichts weiter als ein nicht enden wollendes Defilee bekannter Stars, doch derartig perfekt und abwechslungsreich inszeniert, dass niemals Langeweile aufkommt. Die Verwandlungen sind oft extrem aber logisch, etwa von Rammstein zu Heino. Der Italiener hat eine geradezu erotische Lust an der Travestie als Whitney Houston, Tina Turner oder Madonna, deren Intensität das Publikum ganz offensichtlich berührt. Ennio ist ein Illusionist, obwohl man seine Verwandlungen gerade im kleinen KuKi-Zelt hautnah miterlebt. Er zieht die Leute unaufhörlich in seine lebenden Bilder hinein - und zerstört deren Zauber doch ständig durch die sichtbaren Veränderungen. Einerseits ist das ein kritischer Verfremdungseffekt, aber dessen Perfektion gebiert ständig neue Überraschungen. Niemals ist dabei auch nur der Hauch eines moralischen Zeigefingers spürbar.
Ennio hat ein in dieser Form nahezu einzigartiges Genre geschaffen. Im Gespräch mit den KuKi-Leuten sagte er dazu: „Es macht mich glücklich zu zeigen, was ich mit meiner Vorstellungskraft schaffen und umsetzen kann. Deshalb bin ich auch nach 30 Jahren noch glücklich mit der Show.“ Ein großer Dank an die Veranstalter, die mit diesem weltberühmten Künstler bestimmt keinen Gewinn gemacht haben.
Foto: © Hanswerner Kruse: The Supremes