Erinnerungen an Günter Eich (1907 - 1972) in Frankfurt
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Günter Eichs Hörspiele haben die Zuhörer in den 50er und frühen 60er Jahren geradezu ans Radio gefesselt.
Seine Gedichtsammlungen „Abgelegene Gehöfte“, „Untergrundbahn“ und „Botschaften des Regens“ waren typische Bestandteile jener „Kahlschlagsliteratur“ nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Sprachglossensammlungen „Maulwürfe“ und „Ein Tibeter in meinem Büro - 49 Maulwürfe“ rundeten 1968 und 1970 Eichs zwar nicht sehr umfangreiches, aber sowohl sprachlich als auch inhaltlich bemerkenswertes Werk ab. Noch kurz vor seinem Tod 1972 stellte der Autor selbst eine Auswahl seiner Gedichte und Prosastücke unter dem Titel „Inventur“ zusammen.
Günter Eich galt in den ersten Jahren von Hans Werner Richters „Gruppe 47“ als deren profiliertestes Mitglied. Doch 45 Jahre nach seinem Tod scheint der Schriftsteller in Vergessenheit geraten zu sein. Das möchte die im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen aktive Literaturinitiative PRO LESEN ändern und stellt ihn am 29. Juni im Bibliothekszentrum Sachsenhausen dem Publikum neu vor.
Im Mittelpunkt der Abendveranstaltung stehen eine szenische Lesung aus zwei Teilen des Hörspiels „Träume“ sowie exemplarische Texte aus den „Maulwürfen“. Im anschließenden Publikumsgespräch wird Günter Eichs Tätigkeit im NS-Staat nicht unerwähnt bleiben. Er selbst gab unumwunden zu, kein Widerständler gewesen zu sein. Allerdings lassen sich weder eine Mitgliedschaft in der NSDAP noch in der SS nachweisen. Seine etwa 150 Radiobeiträge für ein populäres Unterhaltungsprogramm bieten keine Hinweise auf eine faschistische Gesinnung. Es hat den Anschein, dass Eich aber die richtigen Konsequenzen aus dem Leben als aktiver Mitläufer gezogen hat. Die Nachbemerkung zum Hörspielzyklus „Träume“ deutet darauf hin:
„Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind!
Seid misstrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben für euch erwerben zu müssen“
Wacht darüber, dass eure Herzen nicht leer sind, wenn mit der Leere eurer Herzen gerechnet wird!
Tut das Unnütze, singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!“
Foto: © Suhrkamp Verlag
Info:
Die 63. PRO LESEN-Themenwoche „Maulwürfe, die ins Ohr gehen - Erinnerungen an Günter Eich“ findet als Buchausstellung im städtischen Bibliothekszentrum Frankfurt-Sachsenhausen statt. Höhepunkt ist die Donnerstagabend-Lesung rund um den Büchertisch am 29. Juni, Beginn 19:00 Uhr, der Eintritt ist frei. Das kostenlose digitale Programmheft kann per E-Mail angefordert werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!