c luthnordenBegleitet durch Kataloge aus dem Imhof Verlag, Teil 1/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man kann einfach nicht alles sehen, weder Mann noch Frau. Alle Ausstellungen beispielsweise, die zu Luther und zur Reformation, die sich zum 500 Mal jährt, sich von Nord bis Süd und Ost bis West tummeln.

Nachdem wir allerdings an drei Ausstellungen beispielhaft gesehen haben, welche große Relevanz die entsprechenden Kataloge und Begleitbände – von denen spricht man, wenn die Aufsätze an die eigentlichen Katalogteile: das Zeigen und Benennen und Erklären der Ausstellungsobjekte – im Verlag Michael Imhof aus Petersberg besitzen, war es uns eine Genugtuung, ein wenig so zu tun als ob, und zumindest diese Begleitbände und Kataloge zu Luther und der Reformation uns vor Augen zu führen, sie zu studieren, so daß wir den Eindruck haben, wir hätten die Ausstellungen gesehen...

Das ist so dahin gesagt und überhaupt nicht ernst gemeint, denn wir sind die ersten, die von einer Wahrheit der Gegenstände, von einer Aura der Objekte in Ausstellungen sprechen. Wie oft waren wir nicht neugierig und sind neugierig geworden, durch die Zusammenstellung von Gegenständen, die das Denken in Gang setzen, aber auf die Gefühle, die ästhetischen oder unästethischen, nicht mindert einwirken, das wissenschaftliche Denken befeuern oder nur ein Ahnen, wie es einmal war, zurücklassen.

Aber immer ist das Schriftgut über eine Ausstellung besser, als diese Ausstellung gar nicht zur Kenntnis genommen zu haben.

LUTHERS NORDEN

Das ist eine Ausstellung, die seit 14. Mai 2017 im Pommerschen Landesmuseum Greifswald bis 3. September gezeigt wird, woran sich vom 8. Oktober bis 28. Januar 2018 die Schau in Schloß Gottdorf, Schleswig Holstein anschließt.

Stimmt, denkt man erst mal, denkt man regional. Im deutschen Bewußtsein ist der Süden katholisch, der Norden protestantisch. Sicher ist das auch heute noch prozentual eher so, aber schon lange nicht mehr so ausschließlich wie im Deutschen Reich. Aber auch damals stimmte es nicht für Baden -Württemberg und die Pfalz. Denn die Reformierten sind das Ergebnis eines Landesherren, der als einer der sieben Königsmacher noch dazu eine herausgehobene Rolle spielte, des...

Und durch katholische Kriegsflüchtlinge aus ehemaligen deutschen Ostgebieten wie Schlesien, die überproportional nach Schleswig-Holstein kamen, ist auch der Norden nicht mehr das protestantische Aushängeschild, das er mal war. Die Ausstellung, die wir also nur anhand des Katalogs begleiten, wurde von zwei Kuratoren erstellt, Kirsten Baumann für Gottdorf und Uwe Schröder für Greifswald. „Luther war nie selbst im Norden ...“, schreiben beide im Vorwort, „Doch gerade im Norden zeitigten Luthers Ideen die größte Durchschlagskraft: Dänemark, Schweden, Norwegen sowie Schleswig und Holstein, Mecklenburg, Pommern und Hamburg waren bis vor wenigen Jahrzehnten ungebrochen evangelisch-lutherisch – und sind es in weiten Teilen bis heute. Aber die Autoren greifen auch auf, daß das Wissen um die Religionen und die geschichtlichen Zusammenhänge für die meisten terra incognita sind, weshalb die Ausstellung mit Filmen und Erlebnisstationen arbeitet, um überhaupt die Wissensvoraussetzung zu schaffen, die als Hintergrund nötig sind, will man von der Ausstellung auch einen Erkenntnisgewinn mitnehmen.

Der Katalog führt nun speziell für den Norden die durchschlagende Wirkung der 95 Thesen von Wittenberg vom 31. Oktober 1517 an, die nur in Verbindung mit dem Buchdruck überhaupt eine solche öffentliche Resonanz finden konnte. Für uns Heutige ist der Zusammenhang mit dem Ablaßhandel, dessen Gewinn nach Rom fließen sollte, weil der Papst und die Kurie für den Ausbau von St. Peter besonders viel Kapital brauchten und auch der kunstsinnige Albrecht von Brandenburg in seiner Funktion als Kardinal und Erzbischof von Mainz hohe Schulden angesammelt hatte, einerseits und der Wut von Luther und anderen andererseits bekannt. Dabei stimmt diese Folgerung gar nicht. Wir Heutigen wissen das, aber „Diese Zusammenhänge wurden allerdings geheim gehalten und waren auch Martin Luther unbekannt: er dürfte nicht gewußt haben, daß er mit seinen 95 Thesen die finanziellen und politischen Interessen der höchsten geistigen Instanzen im Reich hinterfragte. So waren die Auswirkungen, welche die Veröffentlichung der 95 Thesen zeitigen sollten, 1517 weder für Luther noch für seine Gegner absehbar“. (Seite 15)

Wichtig, daß die Situation der Kirche im Norden vor der Reformation geschildert wird. Natürlich muß man da mit den Anfängen des Christentums beginnen, denn die Christianisierung verlief von Süd nach Nord, mit der Variante der schottisch-irischen Mönche aus dem Westen. So schön sieht schon die Abbildung der DIE FEUERPROBE DES HEILIGEN POPPO, eine Kupferplatte um 1200 aus, daß man Lust bekommt, das Stück original zu sehen; in die Hand zu nehmen, wollte ich schreiben, aber das ist ja leider in den Museen verboten, aber bei mir ein tiefer Drang, immer wieder, wenn mir Dinge hinter Glas gefallen.

Dann aber geht es insbesondere um die private Frömmigkeit in der Zeit vor der Reformation, ein Lieblingsthema mit der DEVOTIO MODERNA seit dem 14. Jahrhundert, die als Begriff dann auch erwähnt wird, und mit den Stundenbüchern ihren sichtbaren gedruckten Ausdruck fand. Die Ausstellung verweist auch darauf, daß Luthers Bibelübersetzung kommt, als schon 18 Vorläufer vorhanden sind. Das war eben Ausdruck, des Wunsches, die Zwiesprache mit Gott in der eigenen Sprache führen zu können. Wunderschöne Objekte zeigen das in der Ausstellung.

Zur Vorschau gehört auch eine Darstellung der politischen Welt. Für uns ist das sowohl Ineinandergreifen, wie auch Gegeneinanderstehen von Fürsten, Städten, Kaiser und Reich in seiner Komplexität ganz schön schwierig, da es je nach kurzfristiger Interessenlage entschieden wurde.

Mit diesen Kenntnisvoraussetzungen ist jetzt der Boden bereitet, daß WITTENBERG UND DIE FOLGEN, HERRSCHAFTLICHE REPRÄSENTATION UND GLAUBE sowie KÖPFE DER REFORMATION mit Bildern und Objekten abgehandelt werden, bevor dann das eigentliche Thema DIE REFORMATION IM NORDEN geschildert wird, wobei die Folgen mit der Aufhebung der Klöster die VERLIERER UND GEWINNER ausweist.

Natürlich geht es dann auch um die protestantischen Bildprogramme, auf Lucas Cranach u.a. eingegangen, die ohne den Druck des Wortes und des Bildes nie diese Bedeutung erhalten hätten.

Auch das Pfarrhaus, das ja jetzt eine andere Bedeutung erhält als bei katholischen Priestern, wird in seiner Bedeutung dargestellt, wobei einem sofort einfällt, daß ja sowohl die deutsche Bundeskanzlerin wie auch die britische Premierministerin Töchter von Pfarrern sind. Doch das ist ein anderes Thema, das gleichwohl dazugehört.

Foto: Katalogabbildung, imhof-verlag.de

Info:
Luthers Norden, hrsg. im Auftrag der Nordkirche...von Kirsten Baumann, Joachim Krüger und Uta Kuhl, Michael Imhof Verlag 2017