Zum Tod des Kunstmanns drückt der Präsident der Biennale di Venezia, Paolo Baratta, seine Trauer aus
Claudia Schulmerich
Venedig (Weltexpresso) - Anläßlich des Todes von Martin Roth erinnert sich der Präsident der Biennale di Venezia, Paolo Baratta, an ihn:
„Martin Roth war ein Mensch von außergewöhnlicher Kultur gestärkt durch die Lebenskraft großer Visionen. Die Zusammenarbeit der Biennale di Venezia mit dem Victoria and Albert Museum in London, das er bis Ende letzten Jahres geleitet hat, enstand in einer Atmosphäre der Großzügigkeit und Begeisterung. Wir erinnern seiner mit Achtung und in Freundschaft.“
Weiter gibt seine Presseerklärung zur Person bekannt: Martin Roth war 1955 in Stuttgart geboren. Er hat das Victoria and Albert Museum in London in den Jahren von 2011 bis 2016 geleitet und war vor kurzem zum Präsidenten des Institutes für Auslandsbeziehungen IfA ernannt worden.
Venedig, den 7. August 2017
Das nehmen wir von Weltexpresso als Krücke, denn in den letzten Jahren hatten wir Martin Roth aus den Augen verloren und sind von seinem Tod völlig verstört. Wir wunderten uns, daß er seinen großen Erfolg als Leiter des Victora und Albert Musuems in London von sich aus aufgab, den Brexit als Grund nahmen wir für diesen Kunstkämpfer nicht ernst, ahnten aber nicht, daß dies wohl schon aus Krankheitesgründen geschah. Denn jetzt hieß es nur, daß der 62jährige nach kurzer schwerer Krankheit verstarb. Und die Bilder der letzten Zeit zeigen auch einen sehr kranken Mann.
Wenn die Biennale als Ausweis der Wichtigkeit von Martin Roth im Kunstbetrieb nur London nennt, dann hat das damit zu tun, daß er in London der erste nicht britische und nicht english native speaker Museumsdirektor war und es sich so auch um eine internationale Angelegenheit handelt. Aber für Deutschland war er viele Jahre nicht weniger wichtig. Wenn wir ihn als Kunstmann bezeichneten, soll dies zusammenfassen, daß er Museumsdirektor war, aber auch Kulturwissenschaftler und weithin das, was man Kulturmanager nennt. Von 1995 bis 2003 war er zudem Präsident den Deutschen Museumsbundes.
Wir hatten ihn kennengelernt, als er in den 90er Jahren Direktor des so ungewöhnlichen und spannenden Hygienemuseums in Dresden wurde. Übrigens wie so viele in Sachsen als sprachlich leicht zu identifizierender Baden-Württemberger, wo er am 16. Januar 1955 in Stuttgart geboren wurde. Er hatte wie andere aus Baden-Württemberg die Aufbausituation in den sogenannten neuen Bundesländern als Chance gesehen, die sie für ihn auch war. Nachdem er von 1991 zehn Jahre lang Direktor des Deutschen Hygiene-Museums war, paßte es gut, daß er, nachdem der tollen Sybille Ebert-Schifferer die Intrigen in der Dresdner Museumslandschaft zu bunt wurden, ihr als Generaldirektor der damals elf staatlichen Dresdner Museen 2001 nachfolgte: die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die er zehn Jahre führte.
In dieser Funktion hatten wir immer wieder mit ihm zu tun und standen in durchaus heftiger Diskussion. So erinnere ich mich an eine als Cranach-Ausstellung angekündigten Großausstellung, in der dann aber kaum Originale zu sehen waren. Gleichwohl was das eine spannende Ausstellung und das Konzept des umtriebigen Museumsdirektors ging auf. Es gab einen Besucherrekord, obwohl alle 'echten' Kunstkritiken eher spöttisch oder abträglich berichtet hatten. Und von heute her muß ich neidlos anerkennen, daß Martin Roth absolut den Stil der Zeit schon sehr früh erkannt und befolgt hatte: Events zu schaffen, damit die Besucher sich als etwas Besonderes fühlen, zu diesen Ausstellungen zu gehen. Und wem das mit Cranach gelingt, dem gelingt das erst recht mit Bowie und anderen, womit Martin Roth in London das Victoria und Albert Museum so aufmischte, das es als Museum des Jahres ausgezeichnet wurde.
Wir wollen gar nicht drumherum reden. Wir sind über den Tod des Mannes, der mit jedem Amt und jeder neuen Ausstellung immer besser, immer politischer, immer aussagekräftiger wurde, total schockiert. Und traurig.