wm 3x ChaplinEIN GEWISSER CHARLES SPENCER CHAPLIN – SCHLOSSPARKTHEATER BERLIN, Teil 2/2

Wolfgang Mielke

Berlin (Weltexpresso) - Ich habe in London, in Harry Winstons Sammlung, ausgestellt im Victoria & Albert Museum, das Original-Kostüm von Charles Chaplin gesehen: Ein tief anrührendes Moment ... Wie herrlich, ebenso brutal wie simpel, ist die Geschichte, in der der kleine Junge Charly seine Mutter auf der Theaterbühne ablöst: Ihr versagt bei einem Lied die Stimme; er erzählt: Die Stimme ist ihr gebrochen. Seine Mutter wird nie mehr auf einer Bühne stehen. Das Publikum johlt, pfeift, lacht sie aus. Da schickt der Direktor geistesgegenwärtig den kleinen Charles auf die Bühne, der ganz kindlich ein Lied singt – und zwar das Lied seiner Mutter; und der naiv dann sogar imitiert, wie ihre Stimme bricht – und abbricht. Ein Geldregen wird auf die Bühne geworfen! Hier kann man wohl von Begeisterung sprechen, auch wenn sie von einer ganz undurchdachten, naiven Vorstellung ausging. Aber eine Idee des Genies Charles Chaplin muss spürbar geworden sein!

Hier wird diese Szene nur kurz als Erinnerungs-Gespräch zwischen Sohn und Mutter wiedergegeben; völlig ohne die Brutalität, aber auch Poesie des Lebens, sondern als Oijoijoi-Theater, wie Fritz Kortner gesagt haben würde, laut, ohne Schattierungen, grell, wie eben die ganze Aufführung ablief.

Das Stück selbst taugt schon nicht viel: Szene für Szene werden knapp die einzelnen Karriere-Stationen Chaplins hintereinander weggespielt. Dabei erscheint Charly Chaplin (Wolfgang Bahro) hier immer gleich: Immer als Schauspieler Chaplin, auch im ganz Privaten. Schattierungen der Darsteller – was ist das?! Immer der gleiche auf Fröhlichkeit und Stimmung zielende Ton! Er trifft in den seltensten Fällen.

Da wird der Darstellerin der Chaplin-Mutter Hannah (Brigitte Grothum) ein mit der Sache, also dem Stück, auch wenn es schwächlich ist, überhaupt nichts zu schaffen habender eitler erster Auftritt gewährt – mit altertümlichem Rollstuhl, aus dem sie dann aber umso geschickter gleich wieder aufsteht und eine flotte Tanzeinlage abliefert um zu zeigen: So jung bin ich noch! - Was hat man im Schloßparktheater früher, als es noch das kleinere Haus der Berliner Staatlichen Schauspiele, - des Schillertheaters -, war, für wunderbare, kluge und differenzierte Aufführungen gesehen! Und der Zusammenhalt mit dieser Zeit wird ja in den Gängen des Hauses durch mehrere Fotos aus dieser Zeit beschworen! - Doch dieser Auftritt alleine kennzeichnet schon die gesamte Chaplin-Aufführung im heutigen Schlossparktheater. - Schaurig! Nicht zum Aushalten. Und auch keine Besserung versprechend, - selbst trotz der Erfahrung, dass die zweite Hälfte einer Aufführung oft etwas besser sein kann als die enttäuschende oder missglückte erste. Selbst diese Hoffnung keimt hier nicht. Das ganze ist so grundfalsch angelegt, dass es hier für sie keinen Ansatz gibt.

Was hätte das für ein großartiger Abend werden können! Was für ein spannendes Thema! Nichts. Fast nur flinke Plattheiten. Die Übersetzung des Textes hat Hausherr Dieter Hallervorden besorgt. Auch sie unnötig deutlich, eben platt, ja aufdringlich. Beispiel: Es heißt dort in einer der ersten Szenen, - eine Gruppe von Akteuren steht beisammen -, sinngemäß: "Wir machen das ganz heimlich!" - Das hätte bereits genügt. Dieter Hallervorden setzt aber noch ein "Top secret" oben drauf! Und nimmt auch dieser kleinen Szene ihre poetische Entfaltung, ihren Lebens-Atem. Sie wird hier zur Klamauk-Nummer. Immer wieder, so könnte man mit leichter Polemik schreiben, ist die Wanne voll – und das heißt: zu voll.

Und so bemühen sich die Schauspieler alle zwar redlich, aber immer wieder vergeblich. Sie werden erniedrigt zu oberflächlich markierten Typen und Abziehbildern einer Zeit, die spielerisch – und vor allem inszenatorisch (Regie: Rüdiger Wandel) nicht einmal erreicht wird. --- "Lieber kein Theater als so ein Theater" schloss Benjamin Hendrichs, langjähriger Theaterkritiker der ZEIT, einst eine Kritik. --- Ganz im Gegensatz übrigens zum Beispiel zu der gelungenen Judy-Garland-Beschwörung "End of the Rainbow" im selben Theater, die sich anzusehen wirklich deutlich gelohnt hat!

Weiter also auf einem richtigen Weg! Und vor allem das Publikum nicht unterschätzen, indem man versucht, es mit billigsten Mitteln für sich zu gewinnen. Das gelingt nie. Also auch hier nicht. Zu denken, mit plattester Komik und dauerhaft überzogenem Heiterkeitston lässt sich Kasse machen, scheint mir eine Fehlspekulation zu sein, hinter der letztendlich eine verzweifelte Verachtung des Publikums steht. - "Form werden!" - (Aber gekonnte!) - "Und vollbringen!" - das ist es, was wir erwarten und was dann wirklich Brenndauer hat, auch und gerade immer noch im Schloßparktheater.

Foto: rogerebert.com