K Loewenherz PlantagenetAusschnittSerie: RICHARD LÖWENHERZ, König-Ritter-Gefangener im Historischen Museum der Pfalz Speyer und Burg Trifels, Teil 2/

Claudia Schulmerich

Speyer (Weltexpresso) – Historisch faßbar ist RICHARD I. Löwenherz ganz einfach. Er lebte von 1157 bis 1199, ist aus dem Geschlecht der Anjou-Plantagenet, das sind die , die mit WILHELM I., dem herzoglichen Plantagenetseroberer aus der Normandie, seit 1066 als Könige von England herrschen, gleichzeitig aber ihre französischen Besitzungen behielten, was heute Angevinisches Reich genannt wird und was jahrhundertelang zu Spannungen und Kriegen zwischen angelsächsischen und französischen Landen führte.

K loew5 angevinisches reichWilhelm hatte als englischer König allerdings nur die Normandie „mitgebracht“, erst seine Nachfolger heirateten die Anjou mit ein, diese französische Grafschaft, der sich der heutige Begriff Angivinisches Reich (1150-1250) verdankt, der schön klingt, aber auch desorientierend ist. Denn natürlich gab es nie dieses Reich, denn es gab weder einen Reichsgedanken, noch ein gemeinsames Gebiet, noch eine gemeinsame Verwaltung. Das war dem Heiligen Römischen Reich vorbehalten, während dieses „Angevinische Reich“ seine Widersprüche schon in sich trug, gehörten zwar die französischen Landesteile, unter Richard Löwenherz die größte Ausdehnung und halb Frankreich umfassend, dazu, aber das Königtum selbst war nur auf England beschränkt, während die gesamten Küstenregionen Frankreichs und im Südosten sogar die Auvergne in Graf- und Herzogschaften aufgeteilt, zwar sehr viel mehr Landflächen besaßen als die französische Krone, aber dennoch dem französischen König als Vasallen galten und er in überhöhtem, typisch mittelalterlichem Sinn Lehnsherr blieb.

Unmöglich das alles aufzuzählen, aber auch unmöglich, diese konfliktreichen englisch-französischen Verhältnisse des damaligen englischen Königshauses zu verschweigen, denn ihre Verschachtelungen sind die Ursachen für das gefährliche Leben des Richard Löwenherz. Richards Beiwort Löwenherz bezieht sich nur auf seinen Charakter, seinen Mut und hat nichts mit Heinrich dem Löwen zu tun, oder anderen Welfen, wobei es in Wirklichkeit noch komplizierter ist, denn Richards Schwester Mathilde hatte diesen Heinrich den Löwen, der Herzog von Sachsen und Bayern war, geheiratet, so daß unser Löwenherz sogar mit dem Löwen verschwägert war, was noch eine Rolle spielen wird.

Das muß uns nicht verwirren, weil man, wenn Mittelalter angesagt ist, wir uns von unseren engen Vorstellungen von Nationen, die samt und sonders Produkte des 19. Jahrhunderts und ihrer Nationalstaaten sind, lösen müssen. Die mittelalterliche europäische Welt war eine durchlässige, die von Geschlechtern bestimmt war und in der von Gott und der Vorsehung ausgezeichnete Einzelpersonen eine überhöhte Bedeutung erhielten, derer in Liedern und Gedichten gedacht wurde und bei denen bald zwischen Wahrheit und Wahn, zwischen Wirklichkeit und Fiktion nicht mehr zu unterscheiden war, die demnach zum Mythos wurden, wie Richard Löwenherz eben.

FORTSETZUNG FOLGT

Fotos: 
Matthew Paris: Abbreviatio Chronicorum, entstanden 1250–1259, The British Library © The British Library Board, Cotton MS Claudius D VI, fol. 9v
Der Ausschnitt zeigt Richard I. Löwenherz.

Angevinisches Reich: Das Angevinische Reich erstreckte sich von den Pyrenäen bis nach Schottland.
Karte: ©Peter Palm für das Historische Museum der Pfalz Speyer


Info:
K loewkatalogAusstellung bis zum 15. April 2018

Katalog:
Hrsg. Alexander Schubert, Richard Löwenherz. König-Ritter-Gefangener, Verlag Schnell + Steiner 2017

Warum wir uns entschlossen haben, eine längere Serie über RICHARD LÖWENHERZ zu gestalten, hat auch mit diesem Katalog zu tun, der so umfassend, in Tiefe und Breite eine Zeit ausleuchtet, die den meisten nicht sehr gut bekannt ist. An der Person des englischen Königs lassen sich die damaligen königlichen wie politischen Querverbindungen in Europa, insbesondere die besondere Situation der heutigen Länder England und Frankreich genauso studieren, wie das Geschehen im Heiligen Land, bzw. die Kreuzzüge. Natürlich stehen die Gefangenennahme Löwenherz' bei Wien, seine anschließende Verwahrung in Gefängnissen des Reiches, die Lösegeldforderungen, der Prozeß und der Ausgang desselben im Mittelpunkt.

In einer sinnvollen Gliederung sind die über 400 Seiten in acht Kapitel unterteilt, die je unterschiedlich viele - zwischen drei und neun - Beiträge enthalten. Das können Quellentexte sein, Interpretationen, die neuesten Forschungen etc. Die Texte halten sich die Waage zwischen gut zu lesenden Texten und wissenschaftlichem Anspruch. Wenn Sie jeden Tag nur einen Artikel lesen, brauchen Sie über 50 Tage. Aber die Texte sind nur das eine. Zu jedem Kapitel wird  abschließend die Darstellung der Objekte präsentiert, die in diesen Kontext gehören, zusammen mit einer ausführlichen Objektbesprechung, so daß Bild und Text mindestens eine DIN A 4 Seite ergeben.

Das sind nur dürre  Worte gegenüber der Fülle der Erkenntnis und der Freude an den prächtigen bunten Fotos der Objekte.Das soll heißen, natürlich wäre es schön, wenn Sie Speyer erreichen. Aber wenn nicht, dann kann dieser Katalog mehr als ein Trostpflaster sein.