von „Die Hexe brennt“ im Steinauer Theatrium
Hanswerner Kruse
Steinau (Weltexpresso) - Während draußen auf dem Steinauer Kumpen der Weihnachtsmarkt begann, präsentierte Wolf-Dieter Gööck im nahen Theatrium sein neues Stück „Advent, Advent, die Hexe brennt.“ Als Erzähler trug der Theatermacher seinen eigenen Text vor. Darin interpretierte er das grimmsche Märchen „Hänsel und Gretel“ mit viel Wortwitz und launigen Bezügen zur Gegenwart. Diese Darbietung würzte er durch angedeutetes Puppenspiel mit rustikalen Bürstenfiguren sowie Gesangseinlagen zur Gitarre oder Ukulele. Gööck nannte dieses Werk ein „Märchen-Kabarett“, doch es lässt sich auch als eine, mit theatralischen Elementen angereicherte Slam-Poetry beschreiben.
Die Handlung seiner Aufführung verlegte Gööck in den Altkreis Schlüchtern im Mittelalter, „wir träumen uns in die graue Vorzeit“: In Niederzell lebten die Eltern Hänsel und Gretels als gediegene Handwerker und bestritten mit Besenbinden und Sockenstricken ihren Lebensunterhalt. „Durch seine pure Existenz verursachen Menschen Dreck“, wusste der Familienvater, „Bürsten und Besen brauchen sie immer.“ Doch mit den grellen, lustigen Billigwaren, der aus dem Osten über die Via Regia drängenden Händler, konnten die Eltern nicht mehr mithalten. Der von ihnen propagierte Werbeslogan, „Vorwärts und nicht vergessen / Die Re-gio-na-li-tät“ verfing nicht. Mit der Zeit verschleuderte die Mutter ihre Socken in Schlüchtern, der Vater versoff seine Reisigwaren in Steinau. Doch so wollten die pubertierenden Kids nicht enden: „Ich will keine vertrocknete Strickliesel werden“, grämte sich Gretel. Um ein anderes Leben zu beginnen, hauten die Beiden eines Tages von Zuhause ab, um den Duft der großen weiten Welt einzuatmen: „Wir sind dann mal weg.“
Angezogenen vom geradezu betäubendem Duft, der über dem Landkreis lag, gerieten Hänsel und Gretel nach Elm. Hier lebte die unsterbliche aber überaus hässliche Hexe Nora, die Menschen trotz ihrer eigenen Ausgrenzung liebte. Um Kindern später ein besseres Leben in einer neuen Zeit zu ermöglichen, hatte Nora eine Methode entwickelt, sie als Dauergebäck haltbar zu machen. Die Hexe lockte und sedierte viele vorbeikommende Kids mit Schokoladenpudding, den sie mit starken Drogen anreicherte. So hatte sie bereits zahllose Mädchen und Jungen in einem Metamorphose-Gerät, „einer neuen Arche Noah“, in Lebkuchen verwandelt. Die wollte sie eines Tages, in einer besseren Zukunft, in Kinder zurückverwandeln...
Diese magisch-realistische Geschichte ist vollgestopft mit zahllosen Wortspielen („Sprechblasenentzündung“), weiteren seltsamen Abschweifungen und überraschenden Wendungen, die hier ebenso wenig verraten werden, wie der Schluss. Traum- und märchenhafte Strukturen bestimmten die Handlung der Erzählung Gööcks, die er mit intensiver Körpersprache vortrug. Kleine komische Reisigfiguren, die mit verstellten Stimmen zum Leben erweckt wurden, nährten das Illusionstheater und verfremdeten es zugleich durch die Präsens des Spielers.
Gööck ist in erster Linie ein großartiger ironischer Erzähler, der mit performativen Mitteln seine Geschichten als Kabarett oder eben Slam-Poetry darbietet. Die brennende Hexe ist kein reines Weihnachtsstück, sondern wird sicher dem ständigen Repertoire des Theatriums hinzugefügt.
Foto: © Hanswerner Kruse
Info:
Weitere Aufführungen am 8., 10. und 17. Dezember
http://www.theatrium-steinau.de