hwk neujahr steinau 0918als Menschen- und Figurentheater in Steinau an der Straße

Hanswerner Kruse

Steinau an der Straße (Weltexpresso) - Das Theatrium präsentierte im Rahmen einer Silvestergala mit neuen Puppen die Steinauer Wiederaufführung des Figurenstücks „Amadeus.“

„War ich es oder war ich es nicht, der Mozart umgebracht hat?“ ruft mit Shakespeare’schem Zungenschlag der alt gewordene Komponist Antonio Salieri zu Beginn der Aufführung. Detlef Heinichen gibt als großartiger Schauspieler diesen, von Hass auf Wolfgang Amadeus Mozart zerfressenen Wiener Hofkapellmeister. Am Ende seines Lebens legt der bejahrte Salieri eine Beichte ab, in der er von den Begegnungen mit dem jungen Mozart berichtet und seine Intrigen gegen ihn bekennt. Heinichen führt als alter Salieri durch das Stück und lässt mit seinen großartigen Spielfiguren die Zeit am Ende des 18. Jahrhunderts in Wien aufscheinen.

hwk neujahr steinau 0882Changierend zwischen Erzähler und Puppenspieler nimmt er sein Publikum mit auf eine spannende Zeitreise. Die fasziniert offensichtlich auch diejenigen, die normalerweise mit klassischer Musik oder Opern wenig zu tun haben: Gerade verlässt Salieri Italien für eine bescheidene Karriere in Wien, da tingelt bereits der sechsjährige Mozart durch ganz Europa. Dieses „obszöne Kind“, wie der Hofkapellmeister es nennt, kommt später als frecher, exaltierter Erwachsener nach Wien und mischt die kaiserliche Musikszene auf. Salieri ist begeistert von Mozarts Musik, doch bereits in n ersten Oper, „Die Entführung aus dem Serail“, „...legten die Instrumente Netze aus Schmerz über mich.“ So stark spürt der Italiener seine eigene Mickerigkeit und Mozarts Größe.

Zwar werden viele Werke des jungen Komponisten erfolgreich aufgeführt, die seiner Meinung nach „das wirkliche Leben und keine langweiligen Legenden beschreiben“. Der begnadete, aber in ärmlichen Verhältnissen mit seiner Familie lebende Musiker, gewinnt sogar Kaiser Joseph II für sich; jedoch eine feste Anstellung bekommt er nicht. Das verhindern erfolgreich der hasserfüllte Salieri und andere einflussreiche höfische Musikschranzen: „Zu viele Noten, zu kompliziert“, suggerieren sie beispielsweise dem Kaiser.

Das Stück „Amadeus“ folgt dem gleichnamigen, vielfach preisgekrönten Film Milos Foremans von 1984, der wiederum auf einem Theaterstück basiert. Gerade wenn man diesen Streifen kennt, ist es erstaunlich, wie großartig Heinichen in seiner dichten One-Man-Show den an seiner Mittelmäßigkeit leidenden Salieri, den verwegenen Mozart oder dessen treue Frau Constanze seinem Publikum sehr, sehr nahebringt. Dabei agiert der Akteur humorvoll und mit enormer Spiellust. Einstiger Klatsch und damalige Ereignisse werden aus dem Off gesprochen, immer wieder wird die Handlung von Mozarts Musik untermalt.

Schon Foremans Film wurde vorgeworfen, nicht die „Wahrheit“ zu zeigen - etwa Salieris Stellung in Wien sei doch gar nicht durch Mozart gefährdet gewesen oder der junge Komponist habe sehr wohl hart arbeiten müssen. Aber es geht in der Film- oder Theaterkunst ja nicht um authentische „Wahrheiten“, sondern (allenfalls) darum, historische Hintergründe zu verdeutlichen. „Amadeus“ setzt die gefeierte aber musikalische Bedeutungslosigkeit Salieris gegen die geniale Leichtigkeit Mozarts, die Freiheit der Kunst gegen ihre jämmerlichen Verwalter. Das ist ein Thema, was auch heute von aktueller Bedeutung ist und das Publikum nachdenklich macht.

Ein halbes Jahr ist das Theatrium jetzt in Steinau - bei aller Bescheidenheit haben die neuen Theaterleute so frischen Wind in den alten Marstall gebracht, wie Mozart einst nach Wien.

Fotos: © Hanswerner Kruse

Info: 
Weitere Vorstellungen am 9. Februar, 17. März und 13. April 2018 jeweils um 20 Uhr
http://www.theatrium-steinau.de