iuFOIWOKKTAbgehörte Passage: Norbert Blüm, in der abendlichen Runde bei Markus Lanz‘: Im Angesicht mit Pinochet, 11.01.2018

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Worte, von Markus Lanz an Norbert Blüm: Mut und Tapferkeit: ist ein gutes Stichwort. Es gibt in ihrem Leben eine Episode, über die wir nie gesprochen haben, eine Geschichte ihres Treffs mit Pinochet. Blüm: Ja!

Lanz: Sie haben in dem Zusammenhang mal gesagt: wenn du einen Diktator triffst, dann kannst du nicht von einer langen Reise kommen und sagen: Guten Tag! - Wie war der Flug? - Alles angenehm! - Hätten Sie gerne eine Tasse Kaffee? - sondern du musst reingehen und ihm was? sagen?

Blüm: Wenn du weißt, es geht nicht ohne Streit, du musst grob sein, dann kann das – Pinochet war so ein Fall, später dann nochmal bei Botha – dann kannst du nicht reingehen - der fängt dann an: Na, wie war die Reise? Du sagst dann: sehr schön. Wie geht's? Ihre Familie.., - ja, auch sehr gut; und: Ist bei ihnen das Wetter gut? – ja; und dann beim vierten Satz sagst du: Sie sind ein Schwein - das geht nicht; und wenn Du es sagen willst, muss du es gleich beim ersten Satz – Echo Lanz: erster Satz - ja, Schwein, das musst du nicht sagen, aber: Du bist ein Folterknecht! – Lanz: ein Folterknecht – Ja, und der Botschafter war kurz vorm Herzinfarkt (Lachen im Publikum).

Lanz: Wie hat er reagiert? – Ja, zu meinem Staunen, relativ, ich glaube, er hat's erst gar nicht richtig kapiert, er hat, glaube ich..., nein, er hat glaub ich, gemeint, er hat sich verhört (Lachen). Jedenfalls haben wir lange ausgetauscht, ich war sehr gut vorbereitet, ich kannte das Schicksal von sechzehn zum Tode Verurteilten. Ich habe ihre Angehörigen, bevor ich zu Pinochet bin, von allen mir erzählen lassen, wie die Urteile zustande kamen.

Ein Urteil kam zustande, weil der Ehefrau des Verurteilten ihr neugeborenes Kind auf den Leib gelegt wurde, nackt, und der Verhöroffizier ihr eine brennende Zigarre auf dem Leib des Kindes ausgedrückt hat.

Die Frau hat alles gesagt, was der Folterknecht – hören wollte (Einschub Lanz) – was der Folterknecht hören wollte. Blüm: Und ich habe ihm gesagt, dass man auf solche Verhörmethoden kein Urteil gründen kann und dass es eine Schande ist. Und wir haben z.T. geschrien. Irgendwann war es ihm vielleicht auch – stellenweise habe ich gedacht, es amüsiert ihn, - dann kam eine Stelle, da hat er auf ein Kreuz (Blüm richtet den rechten Daumen über die Schulter nach hinten) gewiesen, das da hinter ihm stand und gesagt: zu dem bete ich jeden Tag – und mich angeblickt: – also, was sag'ste jetzt - - und da habe ich gesagt, das wird ihnen auch nicht helfen, Herr Präsident; der, vor dem sie beten, der kennt jeden, den sie umbringen ließen, mit Adresse und Uhrzeit und er wird jeden, er wird sie nach jedem fragen und kein Präsidentenamt wird ihnen die Antwort abnehmen.

Ich hab´ noch nie 'nen Menschen gesehen, der so verändert war. Ich dachte, es wäre ein Schatten von Angst über seinen Augen...wie ein Taschenmesser, das zuschnappt. Er stand auf, mit Schreien war nichts mehr, ging mit mir zur Tür, sagte an der Tür ausgerechnet: Ihr Deutschen - Auschwitz.

Da habe ich gesagt: gerade deshalb, Herr Präsident, und bin gegangen.

Blüm weiter: Was an der Geschichte nachdenkenswert ist: die Idee, dass man über sein Leben Rechenschaft abgeben muss, egal ob´ste reich bist, arm, intelligent, dass du Rechenschaft geben musst, das ist aus meiner Sicht einer der stärksten Stützen für Menschenwürde.

Du kannst...

Lanz: Sehr beeindruckend, Herr Blüm.

Nachbemerkung: Es darf nicht vergessen werden, dass die CDU 1973 den Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende in Teilen und qua Bekundungen einzelner Parteigänger, so auch Lehrern, gutgeheißen hat.

(Das Gespräch Lanz – Blüm vom 11.02.2018 kann über Youtube aufgerufen werden; der Abschnitt zu Pinochet beginnt ab ca. Minute 28 der Sendung)

Foto: commons.wikimedia.org

Info:
Passagen zu: Norbert Blüm, in der nächtlichen Runde bei ‚Markus Lanz‘:
Face to face mit Pinochet, am 11.01.2018