Die Stadt Frankfurt am Main trauert um einen außergewöhnlichen Künstler, morgen findet die Beerdigung statt
Roman Herzig
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - So schade, daß er die Ehre der Verleihung der Goethe- nicht mehr erlebt, aber so gut, daß ihm der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann dies ihm am Mittwoch noch am Krankenbett, das am selben Tag sein Todesbett wurde, mitteilen konnte. Peter Feldmann wird auch bei der Beerdigung am morgigen Montag dabei sein. Wir hatten schon darüber berichtet, aber die Stadt, die ihn ehrt, soll auch erwähnt werden.
Im Januar hatte Max Weinberg seinen 90. Geburtstag gefeiert, nun ist der Maler, Grafiker und Bildhauer Max Weinberg für uns überraschend gestorben. Oberbürgermeister Peter Feldmann und Kulturdezernentin Ina Hartwig kondolieren den Angehörigen und drücken ihre tief empfundene Anteilnahme aus:
„Max Weinberg war trotz der Gräuel, die ihm während des Nationalsozialismus widerfuhren, auf einzigartige Weise mit Deutschland und der Stadt Frankfurt verbunden. Menschen wie er sind das kreative und intellektuelle Fundament, aus dem sich die Toleranz und Offenheit dieser Stadt speisen. Ohne Max Weinberg wäre Frankfurt nicht nur bedeutend grauer, sondern auch deutlich kälter. Er wird immer in Frankfurt und unseren Erinnerungen präsent sein.“
Noch am Vormittag des Mittwoch, 18. April, hatte Oberbürgermeister Peter Feldmann Max Weinbergs aktuelle Ausstellung „Monumente und Meilensteine eines Künstlerlebens“ in der Oberfinanzdirektion Frankfurt besichtigt und den Künstler anschließend im Krankenhaus besucht. „Das Wirken dieses außergewöhnlichen Künstlers belegt, dass Kreativität ein gutes Mittel ist, um Gewalt und Hass künstlerisch zu begegnen. Sein bewegtes Leben zeigt, welche Unbeugsamkeit ihn seit Jahrzehnten unermüdlich dazu antrieb, Kunst zu schaffen, Brücken zu bauen und Menschen zu faszinieren“, würdigt der Oberbürgermeister den Künstler, zu dessen Markenzeichen seine kajalumrandeten Augen sowie quietschbunte Gemälde, Collagen und Installationen zählten. Die Ausstellung in der Oberfinanzdirektion wird nun bis Donnerstag, 26. April, verlängert.
Die Biographie des seit vielen Jahren in Frankfurt lebenden Künstlers liest sich wie ein faszinierender – aber auch bedrückender – Roman über die Schrecken und politischen Verquickungen des 20. Jahrhunderts. 1933 floh Weinberg mit seinen Eltern aus Nazi-Deutschland und emigrierte 1935 nach Israel. Weinbergs Bruder Arno wurde in einer Gaskammer in Hadamar im Rahmen der „Aktion T4“ von den Nazis ermordet.
Bereits im Alter von 13 Jahren begann Weinberg, sich künstlerisch zu betätigen und verkaufte erste Bilder in Tel Aviv. Ein Studium an einer religiös orientierten Kunstschule gab er rasch auf und übte sich fortan autodidaktisch in einem selbst gezimmerten Atelier in der Malerei im Stile von Paul Cézanne und Raffael. 1948 wurde Weinberg während des Palästinakrieges in die Armee des neu gegründeten Staates Israel eingezogen. Während seiner Militärzeit widersetzte sich der Künstler des Befehls, einen palästinensischen Bauern zu erschießen. Hierfür wurde er hart bestraft und nach Arrest und Hungerstreik 1950 unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen.
„Max Weinberg war ein Mensch, dessen Empathie und Mitmenschlichkeit ihn immer wieder dazu veranlasst haben, unbequeme Pfade zu beschreiten. Er ist sich, und seinen Idealen immer treu geblieben. Vor dieser resoluten Geisteshaltung habe ich allergrößten Respekt“, sagt Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig. Nach einem Studium an der staatlichen Akademie für Kultur und Künste in Tel Aviv sah sich Weinberg daran gehindert, seine künstlerische Laufbahn in Israel fortzusetzen und zog 1959 nach Frankfurt. Dort arbeitete er seit mehreren Jahrzehnten in einem städtisch geförderten Atelier in der Ostparkstraße. Hier konnte ihn jeder besuchen. Vor allem während der städtischen Ateliertage oder den Künstlerfesten des Atelierhauses war er der uneingeschränkte Publikumsliebling. Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig kaufte ihm bei ihrem letzten Besuch spontan privat drei Seiten seiner typischen bunt bemalten Blätter ab.
Längst hatte Weinberg seinen markanten und unverkennbaren Stil gefunden: Er arbeitete bis spät in die Nacht an seinen teils abstrakten, teils figürlichen großformatigen Bildern und Collagen, schaffte mithilfe von Bauschaum Dreidimensionalität, trug pinke Farbe in dicken Schichten auf die Leinwand auf, zeichnete, protegierte hoffnungsvolle Nachwuchskünstler und mischt sich auch immer wieder in seiner liebenswürdig-direkten Weise in gesellschaftliche Debatten ein. Seine Gemälde entsprechen dem ästhetischen Empfinden einer durch Graffiti und Pop-Musik geprägten Kultur. Aufgrund seiner Biografie warf seine durch Überzeichnung und Verfremdung gekennzeichnete Kunst aber zugleich immer auch soziale und ethische Fragen auf. Sie wandte sich gegen Gewalt, Sexismus sowie Rassismus und Unterdrückung in der Gesellschaft. Anlässlich seines 80. Geburtstags richtete die Stadt Frankfurt Max Weinberg eine große Ausstellung in der AusstellungsHalle 1A mit begleitendem Katalog aus. Es folgten viele große Ausstellungen in der Rhein-Main-Region.
„Die Stadt Frankfurt hatte Max Weinberg in diesem Jahr für die Ehrung mit der Goethe-Plakette vorgesehen“, sagen Oberbürgermeister Peter Feldmann und Kulturdezernentin Ina Hartwig, die ihn für diese Auszeichnung vorgeschlagen hatten. „Max Weinberg wird sie nicht mehr in den Händen halten können, aber er wusste, dass ihn seine Heimatstadt ehrt. Diese Gewissheit mag uns, seine Angehörigen, Freunden und die Frankfurter Künstlerinnen und Künstler trösten“.
Max Weinberg ist am Mittwoch, dem 18. April, gestorben.
Foto:
Max Weinberg © Stadt Frankfurt