K ephraimauchEine jüdische Stiftung kehrt vierundachtzig Jahre nach ihrer Arisierung nach Berlin in das Stammhaus des Stifters zurück, Teil 2/2

Karl E. Grözinger

Berlin (Welterxpresso) - Nach dem Krieg haben die Aliierten und die Berliner Stiftungsaufsicht angeordnet, dass alle während der NS-Zeit in den Vorstand eingetretenen Personen ausscheiden müssen und die Satzung der Stiftung wieder auf die Zeit vor der NS-Herrschaft zurückgeführt werden muss. "Unser" SA-Mann Lohan - vor und nach dem Krieg im Auswärtigen Amt tätig, zuletzt als Legationsrat 1. Klasse -, hat dies alles verhindert. Er hat »seine Stiftung« wie er sie einmal nannte, als Raub-Institution, dann nach Bonn verlegt, wohl um die lästige Berliner Stiftungsaufsicht loszuwerden. So blieb die Stiftung »rein arisch«.

Noch im Jahr 1988 hat der Dauervorsitzende einen externen Versuch, wenigstens den Stifternamen wieder in die Benennung der Stiftung aufzunehmen, verhindert. Erst nach seinem Tod im Jahr 2000 konnte dem arisierten Namen wieder der Stiftername beigestellt werden: »Ephraim Veitel Stiftung von 1803« - ein »arisch«-jüdischer Zwitter.

Das weitere nun bessere Geschick haben der Bonner Ministerialdirektor Kreuser, die Rechtsanwältin Juliane Doose und der Diplomphysiker Gabriel Berger bestimmt. Im Jahre 2007 konstituierte sich ein neuer Vorstand, Prof. Dr. Karl E. Grözinger (Vorsitz), Juliane Doose (Geschäftsführung) und die Journalistin Gabriela Fenyes aus Hamburg. Anstelle der beiden genannten Damen stehen nun die ehemalige Vorsitzende der Berliner jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind und die Fachfrau für Stiftungen und Stiftungsrecht Beatrice Magnus-Wiebel.

Die im Laufe der letzten Jahre unternommenen Forschungsarbeiten zur Geschichte der Stiftung haben bisher all das hier Skizzierte ans Licht gebracht. Sie haben auch die Entscheidung reifen lassen, dass die Stiftung wieder an Ihren Heimatort und in das Haus der Familie Ephraim, das Ephraim Palais zurückgebracht werden muss. Dass dies auf dem Wege einer Kooperationsvereinbarung gelungen ist, ist dem Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin, Paul Spies, und der Leiterin des dortigen Forschungskollegs, Frau Dr. Nele Güntheroth, zu verdanken.


Zukunftspläne

Die Pläne für die Zukunft der Stiftung in ihrer neuen, alten, Umgebung können derzeit etwas so umschrieben werden. Das oberste Ziel muss es sein, die Stiftung selbst, dieses Juwel der Berliner jüdischen Geschichte, das wie ein Wunder, wenn auch in abscheulichen Umständen überlebt hat, zu erhalten. Die Stiftung des Ephraim Veitel, der mitsamt seinem Vater, eine so bedeutende Rolle nicht nur für das Berliner und preußische Judentum spielte, sondern für die wirtschaftliche und auch politische Entwicklung des preußischen Staates, diese Stiftung muss in das Bewusstsein der Stadt Berlin zurückkehren, als dynamisches kulturelles und institutionelles Denkmal. Die Stiftung ist eine Raub-Institution, an der das Unrecht, das sie erlitten hat, durch aktives Wiederbeleben, wieder gut gemacht werden muss.

Wie soll das geschehen? Dies kann und soll in erster Linie dadurch geschehen, dass die vom Stifter und der Stiftung geförderte Verbindung von jüdischen und allgemeinen Kenntnissen den Umständen gemäß wieder aufgenommen wird. Und dazu gehört natürlich an zentraler Stelle das Wissen um das Judentum in Berlin und Preußen wie in ganz Deutschlands, insbesondere aber auch die Rolle der Familie Ephraim in dieser Geschichte. Das heißt, die Stiftung wird durch Fördermaßnahmen, insbesondere unter Jugendlichen wie durch eigene Bildungsangebote die Kenntnisse um das Berliner, das preußische und deutsche Judentum unterstützen. Dafür ist die Rückkehr in dieses Haus besonders geeignet. Als erstes soll gemeinsam mit dem Ephraim-Palais ein oder zwei Mal im Jahr eine Ephraim Veitel Veranstaltung einrichten, die sich den genannten Themen widmet. Dazu gehört auch die Nachgeschichte dieser bedeutenden Familie, aus der sich bei der Berliner Feier eine große Zahl von Nachkommen im Palais versammelt hat. Diese Nachkommen haben, wiewohl sie schon in der zweiten oder dritten Generation nach der Stiftergeneration durch die Taufe in die Mehrheitskultur wechselten, diese ihre Wurzeln nicht verleugnet, sondern in den Familien weitergepflegt. Darüber mehr zu erfahren und wie diese Mittelstellung fruchtbar gemacht werden kann, soll ein wichtiges Anliegen der künftigen Arbeit sein.

Ein weitere Möglichkeit, die insbesondere an die Jugend ausgerichtet ist, sehen wir in Seminaren mit Schulklassen im Ephraim Palais, ein Glied der Stiftung Stadtmuseum Berlin, bei denen dem neuen, auch muslimischen Antisemitismus, ein besseres Wissen und Begegnungen entgegengesetzt werden soll.

Und natürlich will die Stiftung ihre Politik der letzten Jahre fortführen und Projekte von außen fördern. Dabei hat sich, angesichts der derzeit noch sehr geringen Vergabemittel, gezeigt, dass vor allem kleinere Projekte von und für Jugendliche im jüdischen oder deutsch-jüdischen Themenbereich unterstützt werden konnten. Projekte, für welche die großen Stiftungen kaum zur Verfügung stehen. Dazu gehörten Schulprojekte, Vorhaben von jüdischen oder auch am Judentum interessierten nichtjüdischen Gruppen, die der Bewusstseinsbildung und dem Wissen um das Judentum in diesem Land dienen. Außerdem konnten auch Buch- und Film- sowie Musikprojekte gefördert werden, denen die kleinen zur Verfügung stehenden Förderbeträge die entscheidende Realisierungsbasis verschafften.

Natürlich stellt sich die Frage, wie dies angesichts der durch die Geschichte, die Enteignung und Verweigerung der Rejudaisierung sehr reduzierten Mittel der Stiftung geleistet werden soll. Ein Traum wäre natürlich eine Kapitalerhöhung durch Zustiftungen, zu der angesichts dieser Geschichte, auch die öffentlichen Hände einen Beitrag leisten könnten oder sollten. Eine weitere Möglichkeit ist die Einwerbung von Spenden, durch welche die vorgeschlagenen Aktivitäten finanziert werden könnten, oder regelmäßige Unterstützung durch die schon genannten öffentlichen Hände oder andere Helfer.

Der Vorstand der Stiftung hofft, dass die Feier anlässlich der Rückkehr der Stiftung in ihr »Stammhaus« die an diesem ja fast typisch deutsch-jüdischem Geschehen Interessierte anregt, darüber nachzudenken, von wo und in welcher Weise dieses Ziel erreicht werden kann. Unsere Hoffnung ist es, dass die Berliner Veranstaltung der Anfang für ein allgemeines Wiedererinnern und ein Wiederaufblühen dieser alten Berliner jüdischen Stiftung sein möge.

Foto:
Ephraim Palais (c) nicolaiviertel.de www.stadtmuseum.de

Lohan

Unser Autor, Prof. Dr. Karl E. Grözinger, ist Vorsitzender der Ephraim Veitel Stiftung. Es handelt sich eine gekürzte Version seiner Rede - im Beisein des Kultursenators, des neuen Antisemitismusbeauftragten der Regierung, der Generaldirektors der Stadtmuseen Berlin und des Generalsekretärs der Juden in DE.
Weitere Informationen: http://www.ephraim-veitel-stiftung.de/

Zur weiteren Lektüre: K.E. Grözinger, Die Stiftungen der preußisch-jüdischen Hofjuweliersfamilie Ephraim und ihre Spuren in der Gegenwart, Wiesbaden 2009