Die unspezifisch betrachtet etwas beschaulich daherkommenden Tage der Industriekultur Rhein-Main vom 28. Juli bis 5. August, die in engem Zusammenhang mit dem Europäischen Kulturerbe-Jahr genannt werden, sind in ein viel Größeres, ein Geographisches eingelagert.
Genau besehen – und vielfach verkannt - liegen wir mit der Rhein-Main-Donau-Schiffs-Verbindung im Knotenpunkt einer transkontinentalen Achse der Kommunikation und einer noch viel Potential bergenden Austauschmöglichkeit. Dieses riesenhafte Flussband, mit Flusslandschaft und Erlebniswelt Wasserstraße, verbindet die Nordsee mit dem Schwarzen Meer. Kernstück sind 56 SchifffahrtsSchleusenanlagen, die einer 24-Stunden-Berufsschifferei dienen.
Der Main verbindet
Der Main ist der längste innerdeutsche Fluss, an ihm finden sich vorbildliche Monumente der überlieferten Technik und Innovation, so auch das Wasserkraftwerk Griesheim, das mit dem Werk Eddersheim in einem Zug genannt wird. Damit wurden in der Vergangenheit mit Schleuse und Wasserkraftwerk in den 20er und 30er Jahren technisch außerordentlich fortschrittliche und architektonisch ungemein progressive Bauwerke errichtet, die noch heute ungebrochen ihren Dienst tun und mitnichten überholt sind. Ersatzteile müssen ohnedies einzelangefertigt werden.
Drei Francis-Turbinen von Kaplan mit 4 bzw. 3 Blättern, Welle und Generatoren sind noch immer dieselben, lediglich die Schränke wurden erneuert und die Elektronik digitalisiert. Das Walzenwehr arbeitet, die Schleusen-Anlage ist rund um die Uhr in Dienst und im Kontrollraum wird die Fernsteuerung von 15 Staustufen „im Bereich“ geleistet.
Manchmal will es scheinen als ob die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts von kühnerer Ideenhaftigkeit und sauberer handwerklich begründeter Praxis getragen worden wären als heutige Projekte und Baustellen des digitalen Zeitalters. Niemand sollte glauben, dass die Digitalisierung an und für sich selbst der Weisheit letzter Schluss ist, mit den kümmerlichen Algorithmen, die als Basis der menschlichen Intelligenz und Fingerfertigkeit propagiert werden.
Architektonisch ein Juwel im Bauhausstil
Das Wasserkraftwerk Griesheim ist in Skelettbauweise auf 55 Meter Länge, 14 Meter Breite und 20 Meter Höhe erstanden. Das Zentralgebäude stammt aus dem Jahr 1932, es überwältigt mit hochwertiger Bauhausästhetik. Das Walzenwehr kann 11 Meter hochgefahren werden, zuletzt geschah das 1950 und in den 2000er Jahren, sofern eine strömende Wassermenge überzuborden drohte. Eigentlich ist das Kraftwerk ein Nebenprodukt, es fügt sich neben jene zentrale Schleusenfunktion, erzeugt Strom für 17000 Haushalte, zwei Drittel in Griesheim, ein Drittel in Eddersheim. Es wird in 5250 Volt produziert, 32000 Volt sind abzuregeln. Die Welle, die die Kraft der Turbine nach oben zu den Generatoren überträgt, macht 75 Umdrehungen in der Minute.
Es findet sich also erstens: Wasserrad und Löffel, zweitens: die Francis-Turbine, fest und steif, nicht regelbar. Um nachzuregeln kann die Turbine kontrolliert zugemacht werden. Das geschieht durch das Verstellen der Flügel - aber alle auf einmal, wie uns der Instrukteur und Erklärer klarmachte. Aus dem Magneten muss die Energie etwas raus, dabei wird die Stromstärke verändert - nicht die Spannung.
Der Main wurde für das Schleusenwerk etwas abseits, gleichsam wie auf eine Wiese verlegt. So wirkt es horizontal betrachtet wie eine Aue, aber von oben gesehen ist es von mächtiger Dimension.
Hinweis auf die Tage der Industriekultur
Die gegebenen Schilderungen wollen auf das umfangreiche Programm der 16. Tage der Industriekultur Rhein-Main hinweisen und auf die Wahrnehmung von vielen Angeboten Geschmack machen.
Die verbreitete Ankündigung lieferte einen Vorgeschmack auf das bereitstehende Angebot: „Ob beim Rolls-Royce-Turbinenwerk in Oberursel, ESOC und EUMETSAT in Darmstadt oder dem markanten Klärwerk Frankfurt-Niederrad, der ersten mechanischen Großkläranlage des europäischen Kontinents“.
Sabine von Bebenburg, Geschäftsführerin der KulturRegion, kündigte an: „Viele industriekulturelle Orte in der Region öffnen zu den Tagen der Industriekultur ihre Tore“.
In Rathäusern, Bürgerbüros und Tourist-Informationsstellen liegt das Programmheft zu den Tagen der Industriekultur kostenfrei aus. Online ist es herunterzuladen unter www.krfrm.de (mit Suchfunktion).
Offiziell wird verlautet: „47 Städte der Rhein-Main Region, von Bingen am Rhein bis Miltenberg am Main, von Hirzenhain (Buderus) bis Darmstadt, und über 150 Veranstalter sind dieses Jahr am Programm beteiligt. An neun Tagen bietet es mit 185 verschiedenen Programmpunkten mehr als 400 Möglichkeiten, die Vielfalt der Industriekultur zu entdecken:
Foto © Heinz Markert
Info: www.krfrm.de