hwk kontrabass 8199Im Fuldaer Kunstverein zu BILDER DER ERINNERUNG

Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - Die Literatur traf den Kontrabass: Im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Bilder der Erinnerung“ des Fuldaer Kunstvereins las Hartmut Krüpe-Silbersiepe aus seinem neuen Buch, dazu improvisierte Christian Diller auf dem Bass.

„Ich bin mir so nah und doch ein Fremder...“, zitierte Krüpe-Silbersiepe aus einem eigenen Gedicht, um sich vorzustellen. Der Autor, wir wollen ihn im Folgenden den Vorleser nennen, umriss damit auch seine Situation in der Lesung: Lange lebte er in Fulda, über ein Jahrzehnt lang war er Vorsitzender des Kunstvereins. Viele der zahlreichen Besucher kannten ihn noch, doch für manche war er ein Fremder.

Der jetzt in Wuppertal lebende Vorleser stellte aus „Der Cellist“, seiner soeben veröffentlichten Sammlung von Erzählungen, die Titelgeschichte mit eindrucksvoller Körpersprache vor: Ein kleiner Junge muss beim Hören von Bachs Cellosonaten weinen und wünscht sich solch ein Instrument. Ein Professor erkennt sein außerordentliches Talent und fördert ihn, doch bevor der Ich-Erzähler berühmt werden kann, wird bei einem Unfall seine Greifhand verstümmelt: „Meine Karriere war dahin...Alles was ich je gewollt hatte, hatte sich in einem Moment in Nichts aufgelöst. Es war hoffnungslos.“

Nach diesen Worten strich der Kontrabassist Diller schwere, düstere Klänge auf seinem (ähnlich wie ein Cello aufgebauten doch anders gestimmten) Instrument: der Schmerz des jungen verletzten Cellisten wurde intensiv spürbar. Die Klänge wurden von Diller elektronisch aufgezeichnet, dann unverändert abgespielt, dazu schlug er mit der Hand harte Rhythmen auf dem hölzernen Körper des Instruments, die er ebenfalls aufnahm. Schließlich zupfte er zu den abgespielten Sequenzen weitere Basstöne. So entstanden immer neue, vielschichtige - Loops oder Live Looping genannte - Improvisationen, die akustisch zwischen elektronischen und unmittelbaren Klängen changierten.

Später berichtete der Vorleser, wie der junge Cellist mühselig lernt, mit der rechten Hand sein Instrument zu greifen (wie Beatle Paul McCartney) und nach vielen harten Jahren doch noch erfolgreich wird. Kurz darauf wurden die Kontrabass-Klänge fröhlicher und optimistischer: Was der Autor erzählte, wurde vom Tonkünstler paraphrasiert, also in der Sprache der Musik umschrieben. Beide Künstler kannten sich vorher nicht, es war eine großartige Idee der Organisatoren, den Gießener Musiker zu dieser Vorlesung einzuladen.

Es stand dem Kunstverein gut, nicht irgendein beliebiges oder seichtes Unterhaltungsprogramm im Rahmen seiner Jubiläumsausstellung anzubieten, sondern unterschiedliche künstlerische Ausdrucksformen aufeinander treffen zu lassen: Der Vorleser und der Bassist arbeiteten gut gelaunt und professionell zusammen. Zwischen den Werken der Bildenden Kunst schufen sie ihre literarischen und musikalischen Bilder. In der konzentrierten und doch unterhaltsamen Arbeitsatmosphäre begeisterten sie ihr Publikum.

Foto:
Vor den Plakaten vergangener Ausstellungen Vorleser Hartmut Krüpe-Silbersiepe und Kontrabassist Christian Diller
© Hanswerner Kruse

Info:
Wir werden demnächst das Buch „Der Cellist“ ausführlicher besprechen