
Sven Steinhauer
Berlin (Weltexpresso) - Eine Vorstellung mehrmals zu sehen, ist für einen Kritiker immer interessant. Am 13.12.2018 bereits im Hamburger Amerikazentrum; nun am 26.1.2019 im Berliner Schlosspark Theater. - Aber das erweckt den falschen Eindruck, als handle es sich um ein und die selbe Inszenierung, nur gesehen an zwei verschiedenen Tagen. - Es ist aber ganz anders, spannender: Der Titel ist geblieben: "I HAPPEN TO LIKE NEW YORK!", auch viele der Texte. Und doch handelt es sich um eine völlig andere, ganz neu weiterentwickelte Vorstellung.

Dazwischen dann die herrlichen Musik-Einlagen von Florent Mannant, der zwischen Tenor-Saxophon und Klarinette abwechselt.

Eine Überraschung aber ist schon der Anfang: Christian Brückner, von links, und Florent Mannant, von rechts, betreten die klar aufgeteilte, dunkel ausgekleidete und blau beleuchtete wohl proportionierte Bühne des Schlosspark Theaters und begeben sich auf ihre Positionen: Christian Brückner links an das für ihn bereit gestellte Stehpult, - auch das eine Leistung: Christian Brückner setzt sich nicht, vielleicht bequem, zum Lesen hin, sondern er arbeitet die ganze Zeit durchgehend von einem Sprechpult aus! Rechts der Ort des Saxophonisten, der auf einem Stuhl auch sein zweites Instrument, die Böhm-Klarinette, abgelegt hat.

Heute ist Christian Brückner in der Branche (und auch darüber hinaus) als "The Voice" bekannt. Manche nennen ihn auch "Den Frank Sinatra des Sprechens". - Von 1984 – 1986 lebte Brückner mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen am Rande von New York – und saugte die Atmosphäre intensiv ein. - Man könnte sich also keinen geeigneteren und auch besseren Sprecher für ein New York – Portrait denken als Christian Brückner! Und so ist es auch: Er liest grandios. Dabei völlig unaufdringlich, fast zurückgenommen. Manches unterstreicht er durch Gesten. Aber er drückt nicht auf die Tube. Er stellt die Texte vor, zeigt, welche Möglichkeiten in ihnen liegen, erzählt sie, präsentiert sie. Er rückt dem Publikum nicht auf die Pelle, sondern lässt es kommen, hören, teilhaben. Das Auditorium ist mucksmäuschen still. Es wird sehr intensiv zugehört. Und genossen. Irgendwo sah ich sogar einen jungen Mann mit geschlossenen Augen sitzen, der die Akustik des Abends in sich einfließen zu lassen schien.
Die Aufteilung und Abfolge der Texte entspricht im Schlosspark Theater der Hamburger Fassung: Ankunft; Sich-Einrichten im Hotel; die erste Entdeckung der Stadt; knappe Ratschläge, wie am besten zu verfahren sei; einiges über den logischen Aufbau der Stadt; der Sonntag in New York; heimisch Werden und Sonderlinge; schließlich einiges über die Benutzung der Subway, die sich in einigem, nicht nur den hier hörbaren Originaltönen, schon spürbar von unseren deutschen U-Bahnen unterscheidet. - Dann der großartige Text von William S. Burroughs (mit dem übrigens der Regisseur des Abends, Wolfgang Mielke, optische Ähnlichkeit zu haben scheint) über die Diebe in der Subway, die Betrunkene ausrauben. Dieser Text wurde diesmal als ein Zwiegespräch zwischen Christian Brückner und Florent Mannant dargeboten, wobei die Töne des Saxophons manchmal an das Quietschen, Schlingern und Jaulen der Subway gemahnten. ---
Der Teil nach der Pause setzt mit der heimlichen Hymne New Yorks, mit dem durch Frank Sinatra berühmten "New York – New York" ein. Im Hintergrund laufen einige markante Fotos durch, die noch einmal die Vielfalt und Verschiedenartigkeit dieser einzigartigen Stadt widerspiegeln. - Und gleich danach bleiben wir in einem Fahrstuhl stecken! Zumindest als Mit-Hörer! Eine in New York sicher hin und wieder statthabende Episode, in dieser Version aber besonders unterhaltsam und anschaulich erzählt.
Was hören wir noch? - Von einer Handtasche mit viel Geld und allen Papieren darin, die – auch das ist New York! – unversehrt im Fundbüro abgegeben wird. Vom Reichtum an der 5th Avenue. Von einer verwöhnten jungen Dame, deren größtes Problem es ist, in welcher Farbe sie ihre Fingernägel lackieren soll. - Dazwischen eine unvergessliche Saxophon-Improvisation von Florent Mannant über den "Harlem Nocturne" und "Autumn in New York", so dass ein unverfälschtes, fast schwebend-leichtes Jazz-Feeling entsteht. - Wir hören von Polizei-Sirenen und Nicht-Schlafen-Können. Von dem Überraschungs-Coup des Chrysler-Buildings, das auf diese Weise – wenigesten für 1 Jahr! - zum höchsten Gebäude der Welt wurde!
Und schließlich von einem zunächst tief unsympathischen Taxi-Fahrer, der sich am Ende der Fahrt als ein fast demütiger und äußerst hilfsbereiter Mensch erweist. (Mehr soll nicht verraten werden.) --- Auf diese Weise schließt sich glücklich der Abend in seinem funkelnden Bogen ab - wird rund. Vom "Taxi Driver" zum "Lukas Obanja", in dessen Taxi wir uns alle sitzen fühlen. ---- Ein schönes Erlebnis! -------- Nicht versäumen!!
Fotos:
Christian Brückner, Applaus © Redaktion