b friedesnpreisDer Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2019, Teil 1

Susanne Sonntag

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - 70 Jahre, das ist schon was. Es ist auch etwas , was sich bewährt hat. Denn, wenn man einen Preis ins Leben ruft, dann weiß man nicht von vorneherein, welches Leben dieser Preis nehmen wird. Manche Preise gehen aufwärts, andere abwärts, manche haben ihre Krisen, wie im letzten Jahr der Nobelpreis für Literatur, der nicht vergeben wurde, dafür mit neuer Besetzung des Kommitees in diesem Jahr zweimal. Traditionell übrigens immer rund um die Buchmesse. Aber, was den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels angeht, so ist er die Jahre über zu einem bedeutungsvollen Preis herangereift, den zu erhalten, die Augezeichneten genauso stolz machen kann, wie den Deutschen Buchhandel,

b Friedenspreis ffm 2009 magris 005Wie der Nobelpreis ist der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ein internationaler Preis, einer für den Frieden. Die Kombination Frieden und Buchhandel legt schon nahe, daß die Preisträger immer wieder - aber eben nicht als Voraussetzung - aus dem Bereich der Literatur kommen. Die Statuten legen die Auswahl fest: der Friedenspreis wird an eine Persönlichkeit verliehen, „die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat.“ Das sind die Bereiche, die wir als Kultur zusammenfassen. Der Preisträger wird jeweils ein halbes Jahr vor der Preisvergabe bekanntgegeben.  In diesem Jahr wird als siebzigster Preisträger der 75jährige Sebastião Salgado ausgezeichnet. Das ist in unseren Augen eine wunderbare Wahl, denn der Fotograf Salgado hat sein ganzes Leben über Menschen in besonderen Situationen fotografiert, Und dies in unnachahmlicher Weise, der die Härte des Lebens uns vor Augen führt, denn vielfach sind es Menschen in ihrem harten körperlichen Arbeitsprozeß. WELTEXPRESSO hatte über seine Arbeiten, die der Verlag TASCHEN in beeindruckender Weise seit Jahren in je eigenen Bänden veröffentlicht hat, immer wieder berichtet, auch eine Rezension veröffentlicht zu dem Dokumentarfilm, der über ihn, seine Fotografien und das Zustandekommen der Bildwerke entstand. Seinen neuesten, im Juli erschienenen Band, werden wir vorstellen, wie auch an die bisherigen erinnern. 

Der deutsche Buchhandel hat sich im Börsenverein zusammengeschlossen, der deshalb Träger des  Friedenspreises ist. Er bestimmt die Jury , die den jeweiligen Preisträger wählt und auf deren derzeitige Besetzung wir noch eingehen.   Liest man die Namen der nunmehr siebzig Preisträgern - leider davon nur elf Frauen! - dann hat man auf einmal den Eindruck, daß auf wunderliche Weise die richtigen Menschen für die jeweilige Zeit ausgezeichnet wurden. So war der erste Preisträger - damals in Hamburg - 1950 Max Tau. Nein, man kann nicht davon ausgehen, daß heute noch jeder weiß, wer Max Tau war. Er war schon in der Weimarer Republik als Cheflektor des renommierten Verlags Bruno Cassirer bekannt, Und machte auch im Dritten Reich aus seiner sozialdemokratischen Grundhaltung keinen Hehl, zudem war er Jude, was die Nazis 1935 durch Rausschmiß aus der Reichsschrifttumskammer beantworteten. Tau konnte sich nach Norwegen retten, wo er als Schriftsteller, Verleger und Lekto  dann später, nach dem Krieg ,die norwegische Literatur nach Deutschland brachte. Er ist zusammen mit seinem Genossen Willy Brandt der einzige Deutsche, denen vom norwegischen Staat die norwegische Staatsbürgerschaft angebotet wurde. Befreundet war er u.a. mit Albert Schweitzer, der übrigens 1952 zweiter Friedenspreisträger wurde. Die erste Preisvergabe bleibt auch deshalb historisch interessant, weil die Laudatio Adolf Grimme hielt,  der heutige Namensgeber des bedeutendsten Preises im Fernsehen, dem Grimme Preis.  Dieser war erster niedersächsicher Kulturminister und später Generaldirektor des Norwestdeutschen Rundfunks, der größten Sendeanstalt.

Immer wieder wurde aus ehemaligen Laudatoren dann spätere Preisträger, speziell in den Fünfziger Jahren geht das hin und her: Theodor Heuss, der Bundespräsident, war zweimal Redner, 1951 bei Schweitzer und 1954 bei Carl Jacob Burckhardt ; 1959 war er dann selbst Preisträger. Während Hannah Arendt 1958 die Rede auf Karl Jaspers hielt, aber nie den Friedenspreis erhielt ! Das kann man von heute aus nicht verstehen. Die Preisträger kamen auch immer wieder aus Ländern, die entweder noch unter der Besatzung anderer standen oder die in ihren Ländern den Demokratisierungsprozeß entscheidend vorangetrieben hatten, wie Václav Havel 1989, György Konrád 1991, Amos Oz 1992 oder 1994 Jorge Semprun. So ist das gemeint, wenn man sagt, daß in jedem Jahrzehnt die Personen Preisträger waren, deren Thematiken gesellschaftlich gerade angesagt waren. Daß auf die Preisträger des letzten Jahres, die Kulturwissenschaftler Jan und Alaida Assmann, in diesem Jahr nun ein Fotograf folgt, der das, was insbesondere Jan Assmann in alten Kulturen aufspürt, heute in verschiedenen Gesellschaften entdeckt, oder: auch sehr überzeugend: die Erde als Lebensraum und die Gefahren, die ihr drohen, faszinierend abbildet, zeigt, daß die Jury sensibel auf unsere Zeit reagiert. 

Die Ehrung und Übergabe des Friedenspreises erfolgt  im Rahmen der Frankfurter Buchmesse, der größten Buchmesse der Welt, und findet seit langem immer am Abschlußtag, dem Sonntag, um 11 Uhr in der Paulskirche statt . Dies ist in diesem Jahr der 20. Oktober. Der Friedenspreis ist durch sein Renommee schon lange mit internationaler Publizität verbunden, bringt aber dem Preisträger auch ein Preisgeld von 25.000 Euro.

Eine Erfolgsgeschichte des Preises haben sich die Initiatoren sicher zwar erhofft, aber ihn kaum für so durchschlagend halten können, wie er sich entwickelt hat. Übrigens kann jeder einen Friedenspreisträger vorschlagen. Die Jury, die Stiftungsrat heißt, bestimmt dann den Preisträger, wobei wichtig ist, daß die eingereichten Nominierungen inhaltlich begründet und belegt werden. Auch im Stiftungsrat sind übrigens immer zu wenig Frauen, was der Börsenverein durch die turnusmäßigen Neuwahlen nach und nach ändert, zudem wird die nach der Buchmesse installierte neue Vorsteherin des Börsenvereins eine Frau sein, so daß in kurzer Zeit sich die Verhältnisse positiv geändert haben.


Mitglieder des Stiftungsrats (Stand 13. Juni 2018):

Philipp Blom (Wien)
Stephan Detjen (Deutschlandradio, Berlin)
Stefan Könemann (Barsortiment Könemann, Hagen)
Karl-Josef Kuschel (Eberhard-Karls-Universität, Tübingen)
Ethel Matala de Mazza (Humboldt-Universität zu Berlin)
Bascha Mika (Frankfurter Rundschau)
Janne Teller (New York)
Matthias Ulmer (Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart)
Heinrich Riethmüller (Osiandersche Buchhandlung, Tübingen) als Vorsteher des Börsenvereins zugleich Vorsitzender des Stiftungsrates.


Mitglieder des Stiftungsrats (Stand heute):

Der Journalist Klaus Brinkbäumer folgt auf Stephan Detjen, der nach sechs Jahren Mitgliedschaft turnusgemäß aus dem Stiftungsrat ausscheidet. Verlegerin und Vorsitzende des Verleger-Ausschusses Nadja Kneissler übernimmt den Sitz ihres Vorgängers Matthias Ulmer. Verlegerin und Vorstandsmitglied des Börsenvereins Felicitas von Lovenberg folgt auf Stefan Könemann, der zuvor den Börsenvereinsvorstand im Stiftungsrat des Friedenspreises vertreten hat.

Klaus Brinkbäumer, geboren 1967 in Münster, ist vielfach ausgezeichneter Journalist und Buchautor. Von 2015 bis 2018 war er Chefredakteur, zuvor seit 2011 stellvertretender Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Bevor er 2007 als Auslandskorrespondent in New York zum Spiegel kam, arbeitete er u.a. für die Westfälischen Nachrichten. 2016 gründete er das europaweite Investigativ-Netzwerk European Investigative Collaborations. Für seine journalistische Arbeit erhielt Klaus Brinkbäumer den Egon-Erwin-Kisch-Preis, den Henri-Nannen-Preis und den Deutschen Reporterpreis. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher u.a. „Nachruf auf Amerika“, „Unter dem Sand“ oder „Die letzte Reise – Der Fall Christoph Columbus“.

Nadja Kneissler, geboren 1959 in Stuttgart, ist seit 2008 Verlagsleiterin Buch des Hamburger Verlags Delius Klasing. Von 1991 bis 2007 war sie unter anderem als Programmleiterin sowie als Verlagsleiterin für den Buchbereich des Ulmer Verlags tätig. Seit 2009 ist sie ehrenamtlich im Börsenverein tätig. Im vergangenen Jahr wurde sie zur Vorsitzenden des Verleger-Ausschusses gewählt.

Felicitas von Lovenberg, geboren 1974 in Münster, ist seit 2016 verlegerische Geschäftsführerin des Piper Verlags. Sie arbeitete von 1998 bis 2008 zunächst als Redakteurin im Feuilleton und später als Redakteurin für Literatur und Literarisches Leben bei der FAZ. Seit 2017 ist sie Mitglied im Vorstand des Börsenvereins. Für ihre Arbeit erhielt Felicitas von Lovenberg u.a. den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik, den Hildegard-von-Bingen-Preis für Publizistik und den Julius-Campe-Preis.

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