Isabelle Huppert im Hamburger Thalia Theater
Helmut Marrat
Weltexpresso (Hamburg) - Ganz am Schluss, die Aufführung ist gerade zu Ende, lässt Isabelle Huppert erahnen, was möglich gewesen wäre. Die Regie hätte sie nur gewähren lassen müssen, und es wäre eine bei weitem vielschichtigere Aufführung zu sehen gewesen.
Stattdessen erleben wir eine über weite Strecken fast leblose, puppenhafte Frau, die sich durch ihren Text arbeitet. Aber weil Isabelle Huppert eben nicht nur ein Star ist, der seinen Ruhm verwaltet, sondern eine Darstellerin, die sich ins Freie zu kämpfen vermag, wird es letztlich ein lohnender Abend.
Robert Wilson hat das Stück zusammengebaut, die Bühne, die Ausstattung und die Regie übernommen, und so ist diese Aufführung ein typischer Wilson-Abend. Immer die gleichen Kostüme, das gleiche Licht, nur andere Schauspieler. Vor ein paar Jahren lief am Berliner Ensemble „Leonce und Lena“, von Georg Büchner. König Popo war Walter Schmidinger, die Gouvernante Angela Schmid. Frau Schmid war großartig, Walter Schmidinger himmlisch und.unersetzbar.
Isabelle Huppert ist zurecht berühmt, jedenfalls bei der Generation 50plus. Als ich zum Beispiel meinem Neffen (er 27) gegenüber den Namen Huppert erwähnte, war ihm der unbekannt. Er ist ein regelmäßiger Kinogänger, aber seine Idole sind andere.
Tatsächlich finden sich im ausverkauften Haus hauptsächlich mittelalte Zuschauer, oder genauer, überwiegend Zuschauerinnen. Und nicht wenige wirken wie unmittelbar von der Volkshochschule angereist. Leistungskurs: Französisch.
Der Abend trägt einen englischen Titel. Aber da Huppert bekanntlich Französin ist, spricht sie Französisch. Rechts und links der Bühne sind die einzelnen Sätze in deutscher und englischer Übersetzung zu lesen. Das kann hilfreich sein, lenkt aber eher ab.
„Mary said, what she said“ heißt der Abend.
Mary ist übrigens Maria Stuart. Die sich über eine Stunde und 20 Minuten an ihr Leben erinnert, die sich erinnert in Erwartung ihrer Hinrichtung. Die Figur ist hinlänglich bekannt, und es gibt hinreißende literarische Abhandlungen von Schiller bis Stefan Zweig.
Diese Textfassung hat der amerikanische Autor Darryl Pinckney erstellt, und sie gibt sich ambitioniert.
Es dauert für meinen Begriff zu lange, bis es Huppert glückt, sich frei zu kämpfen.
Dennoch: Sie ist eine großartige Schauspielerin, und erhält zurecht langen Jubel.
Und am Ende, ermuntert durch den hohen Zuspruch, hüpft und springt nun also jene Isabelle Huppert von der Bühne, wie ein junges Mädchen, das man frei gelassen hat.
Foto:
Huppert und Wilson
© ndr.de
Info:
Isabelle Huppert wurde am 16.3.1953 geboren in Paris und ist vor allem, aber nicht nur, als Filmschauspielerin bekannt. Robert Wilson wurde am 4.10.1941 in Waco, Texas, geboren, stotterte als Kind und Jugendlicher und wurde so intensiv mit der Sprache konfrontiert. Seit 1966 machte Wilson auf sich durch Theaterperformances in New York aufmerksam und hat seitdem mehr und mehr international gearbeitet. Nach „Orlando“ nach Virginia Woolf (1993) und „Quartett“ von Heiner Müller (2006) ist „Mary Said What She Said“ die dritte Zusammenarbeit zwischen Isabelle Huppert und Robert Wilson. Das Stück hatte am 22.5.2019 im Espace Cardin des Pariser Théatre de la Ville Premiere und wurde am 30.5.2019 auch bei den Wiener Festwochen aufgeführt.
.