Die Fotokünstlerin Mojgan Razzaghi in der Kunststation
Hanswerner Kruse
Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) - Am Wochenende begann im Salon der Kunststation Mojgan Razzaghis Ausstellung „Verboten“, in der sie inszenierte Fotografien zeigt. Die Künstlerin war bereits in der Gemeinschafts-Schau „Sie und Er“ mit Bildern aufgefallen, auf denen verhüllte Frauen ihre Schleier zerreißen.
Auf großen Fotos mit kräftigen Farben spielt jeweils eine Solistin Cello oder Violine, die Köpfe der Frauen sind mit Tüchern bedeckt oder hinter ihrem Instrument versteckt. Eine Musikerin schüttelt wild die Haare, verbirgt dadurch ihr Antlitz. In einigen Bildern wird die völlig nackte Cellistin von ihrem Instrument verborgen. Gesichter sind nie zu erkennen.
Diese farbenfrohen Bilder wirken sinnlich, die abgelichteten Frauen sind kreativ, fröhlich, ja, auch erotisch. Dennoch wohnt den Arbeiten eine gewisse Bedrohlichkeit inne: Gelegentlich scheint es so, als würden den Musikerinnen die Kopfbedeckungen aufgestülpt oder abgerissen, vom Wind zerzaust oder als zerrten Männerhände an ihnen. Es ist nie eindeutig was da passiert, die Fotoarbeiten sind sinnenfroh und dennoch in der Schwebe. Nur einmal taucht unheilschwanger ein riesiger, offenbar männlicher Schatten vor einer Instrumentalistin auf.
Bei Razzaghi haben die verdeckten Gesichter eine doppelte Bedeutung: Sie verweisen darauf, dass die Verschleierungen Frauen in vielen Ländern unsichtbar machen, nicht nur im Iran verschwinden sie dadurch aus der Öffentlichkeit: Sie sind verboten!
Jedoch sollen die Streicherinnen auf diesen Bildern nicht identifiziert werden können, denn zum Fotografieren ist die Künstlerin in den Iran geflogen. Für das Projekt hat sie dort mit Musikerinnen eines Streichquartetts ihr Shooting inszeniert. Sie wollte die Authentizität echter Iranerinnen, die ihre Instrumente professionell spielen können, was aber in der Öffentlichkeit verboten ist.
Razzaghis Arbeiten sind keine politische oder feministische Propaganda, sondern Kunstwerke die ihre Unbestimmtheit bewahren und dennoch Stellung beziehen und hoffnungsvoll stimmen. Die Fotografin weiß, dass für viele Frauen in der Welt rote Linien existieren: „Doch sind sie trotz aller Einschränkungen durchaus in der Lage, kreativ zu sein, Musikinstrumente zu spielen, zu singen, zu gestalten und bei allem aufrecht zu stehen. Auch versuchen sie, sich dem Zeitgeist anzupassen“, sagt die Künstlerin. Das wolle sie mit ihren Arbeiten ausdrücken. Gerade mit diesen Bildern zeigt sie ebenso, dass das Leben im Iran bunter und vielfältiger ist, als hier gemeinhin angenommen wird.
In vielerlei Hinsicht war die Vernissage ungewöhnlich. Die Mutter Razzaghis war aus dem Iran gekommen, hatte für das Publikum leckeres Naschwerk mitgebracht und freute sich mit ihrer Tochter über die eindrucksvolle Ausstellung. In einem zehnminütigen Film, der in den nächsten Wochen weiterhin zu sehen sein wird, wurde das für die Kunststation erarbeitete Projekt dokumentiert. Zwei der iranischen Musikerinnen wären gerne zur Ausstellungseröffnung nach Kleinsassen gekommen, doch die deutsche Botschaft in Teheran gab ihnen keinen Termin zur Visaerteilung. Kuratorin Elisabeth Heil betonte, dass die Künstlerin keine der im Winter 2018/19 entstandenen Bildwerke vorher veröffentlicht habe, sie seien jetzt exklusiv in der Kunststation zu sehen.
Ach ja, im Iran ist ein Cello zwischen Frauenschenkeln nicht schicklich. Aber Schicklichkeit ist auch historisch: Wir Älteren erinnern uns, wie skandalös die nackten Auftritte der Cellistin Charlotte Moorman in den 1960er-Jahren waren, für welche die Fluxus-Künstlerin wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses belangt wurde. Zur Vernissage in der Kunststation wird es am 24. November eine Informationsveranstaltung zu Kunst, Kultur und Schicklichkeit im Iran geben.
Foto:
(c) Hanswerner Kruse: Mojgan Razzaghi erläutert ihre Arbeiten
Info:
Ausstellung „Verboten“ noch bis zum 24. November 2019 in der Kunststation Kleinsassen
Geöffnet Dienstag bis Samstag 13 - 18 Uhr, Sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr
(Winterzeit 17 Uhr)